Pin It

AMS-MAN: Mainfränkisches Antimicrobial Stewardship Netzwerk wächst weiter

Die Antimicrobial Stewardship (AMS) am Uniklinikum Würzburg (UKW) setzt
sich für einen indikationsgerechten und verantwortungsvollen Einsatz von
Antiinfektiva/Antibiotika ein, um Kollateralschäden wie
Resistenzentwicklungen oder Arzneimittelinduzierte Nebenwirkungen zu
reduzieren. Ihre Expertise teilt sie im regionalen Netzwerk AMS-MAN, dem
mit den Haßberg-Kliniken gerade der fünfte Kooperationspartner beigetreten
ist.

Würzburg. Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO)
erklärte im Jahr 2019 die antimikrobielle Resistenzen (AMR) zu einer der
zehn größten globalen Bedrohungen für die Gesundheit. Wenn Bakterien,
Viren, Parasiten, und Pilze zunehmend resistent gegen Antibiotika,
Virostatika und anderen entsprechenden antimikrobiellen Wirkstoffen
werden, lassen sich Infektionen immer schlechter oder gar nicht mehr
behandeln. Im Zuge von nationalen und internationalen Aktionsplänen hat
die Bundesregierung im Jahr 2015 mit der Deutschen Antibiotika-
Resistenzstrategie (DART 2020) Maßnahmen gebündelt. Unter anderem wurde
auch das Infektionsschutzgesetz §23 entsprechend modifiziert. Zeitgleich
startete Dr. Güzin Surat am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), um als
Infektiologin und AMS-Expertin aus der Stabsstellenzugehörigkeit der
Krankenhaushygiene AMS am UKW zu etablieren. Mit Erfolg!

Fünfte Klinik im regionalen AMS-Netzwerk aufgenommen

Das UKW zeichnet sich seit einigen Jahren durch einen besonders niedrigen
Verbrauch an Antibiotika aus und steht im Vergleich mit anderen deutschen
Uniklinika an der Spitze (siehe weiter unten Informationen zum ADKA-if-
DGI-Projekt). Neben regelmäßigen Antibiotika-Visiten am UKW, Fortbildungen
und Schulungen hat Güzin Surat gemeinsam mit der Zentraleinheit für
Massenspektrometrie (ZKMS) am UKW das Therapeutic Drug Monitoring (TDM)
auf β-Laktam-Antibiotika* ausgeweitet, mit dem Servicezentrum Medizin-
Informatik (SMI) eine Antiinfektiva-App eingeführt, sowie parallel ein
regionales Netzwerk mit anderen Kliniken in Mainfranken aufgebaut. Nach
der Klinik Kitzinger Land, der Main-Klinik Ochsenfurt, dem Krankenhaus St.
Josef in Schweinfurt und dem König-Ludwig-Haus in Würzburg sind die
Haßberg-Kliniken in Haßfurt der fünfte Kooperationspartner im AMS-MAN
Netzwerk.

Dr. Manfred Knof, Chefarzt Anästhesie und Intensivmedizin der Main-Klinik
Ochsenfurt, erklärt die Vorteile von AMS-MAN für die kooperierenden
Klinika: „Der Gesetzgeber fordert von uns Ärztinnen und Ärzten einen
rationalen und verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika. Durch das vom
Uniklinikum Würzburg angebotene Netzwerk haben wir beste Expertise und
Beratungen bei unseren Visiten, die durch Dr. Surat mitangeboten werden.
Wichtig ist für uns vor allem, dass wir im Rahmen der Antiinfektiva-
Surveillance die Erreger- und Resistenzprofile besprechen können. Damit
haben wir den goldwerten Vorteil vom UKW auch bei uns in Ochsenfurt.“

Antibiotika-Visiten für eine Verbesserung der Verschreibungsqualität

Da die Kliniken einer Region durch Verlegungen in einem ständigen
Austausch von Patientinnen und Patienten stehen, ist es umso wichtiger
über eine Harmonisierung von Antiinfektiva-Standards einen konformen
Wissens-und Ausbildungsstand in der Prophylaxe und Therapie von
Infektionen zu garantieren, um so auch sekundär eine verbesserte regionale
Resistenzkontrolle zu bewirken. Güzin Surat und ihr Stellvertreter, Dr.
Axel Gehrmann, besuchen in ein- bis zweiwöchigem Rhythmus ihre Kolleginnen
und Kollegen in den kooperierenden Krankenhäusern. Dort führen sie
gemeinsam Antibiotika-Visiten durch und analysieren die Verordnungspraxis.
„Wir besprechen jede Patientin und jeden Patienten, die mit Antiinfektiva
behandelt werden“, betont Güzin Surat. „Wir klären gemeinsam die
Indikation, setzen die vorhandenen mikrobiologischen Befunde in Vergleich
zum Krankheitsgeschehen und empfehlen dabei, die für die Patientinnen und
Patienten bestmögliche Substanz auszuwählen. Dabei besprechen wir auch die
Dosierung und die Form der Darreichung. Die Deeskalation ist ein weiteres
Prinzip der Verordnungsanalysen, indem wir zum Beispiel von einem
Breitband-Antibiotikum mit breitem Erregerspektrum, auf ein
Schmalspektrum-Antibiotikum gehen, mit dem wir gezielt nachgewiesene
Erreger angreifen.“

Antiinfektiva-App für eine verbesserte Anwendung des Antibiotika-Einsatzes

In den vergangenen Jahren konnte die Arbeitsgruppe AMS - bestehend aus
Apotheke, Hygiene, Mikrobiologie, Infektiologie der medizinischen Klinik
und pädiatrische Infektiologie - mehr als 20 klinische Standards
implementieren, die sich an den aktuellen Leitlinien orientieren und das
spezifische lokale Erreger- und Resistenzprofil berücksichtigen. Zu den
Standards zählt zum Beispiel eine detaillierte Dosistabelle für die von
der Klinikapotheke regulär vorgehaltenen Antiinfektiva. „Diese und weitere
Standards haben wir in der Antiinvektiva-App zusammengefasst. Sie ist
quasi unsere Antibiotika-Fibel, die wir allen stationären und ambulanten
Bereichen am UKW, aber auch unseren Partnern im Netzwerk für eine
verbesserte Anwendung des Antibiotika-Einsatzes zur Verfügung stellen“,
sagt Axel Gehrmann.

Patientenindividuelle Dosierung mit Therapeutic Drug Monitoring

Ein weiterer Baustein im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen ist das TDM
für patientenindividuelle Dosierung. „Medikamente werden von Frauen,
Männern, Kindern, übergewichtigen und vorerkrankten Personen sehr
unterschiedlich verstoffwechselt“, weiß Güzin Surat, die sich gerade zum
Thema AMS habilitiert. „Um die Dosierung präzise anzupassen, messen wir
die Konzentrationen der Wirkstoffe im Blut der Patientinnen und
Patienten.“

Ein weiteres Ziel der Infektiologin sind einheitliche regionale
Resistogramme, die darüber informieren, wie empfindlich welche
bakteriellen Krankheitserreger gegen bestimmte Antibiotika sind. „Dazu
müssen wir eng mit den mikrobiologischen Laboren zusammenarbeiten“, so
Surat. „AMS bedeutet auch Diagnostic Stewardship, also die optimierte
Anwendung von diagnostischen Mitteln.“

Signifikante Senkung des Antibiotikaverbrauchs hat keinen negativen
Einfluss auf das Behandlungsergebnis

Mit ihren multimodalen Maßnahmen konnte am UKW der Gesamtverbrauch an
Antibiotika am UKW signifikant gesenkt werden. So ging zum Beispiel der
Verbrauch von Cephalosporinen der dritten Generation, einem Breitband-
Antibiotikum mit ungünstigem Resistenzmechanismus, deutlich zurück. Auch
der Verbrauch an Reserveantibiotika konnte reduziert werden. „Denn ein
Reserveantibiotikum soll auch eine Reserve bleiben und nicht zum Standard
werden, da jeder Einsatz von Antibiotika die Bildung von Resistenzen
fördert“, kommentiert Güzin Surat. „Die Überprüfung unserer Maßnahmen hat
zudem gezeigt, dass die Senkung des Antibiotikaverbrauches keinen
negativen Einfluss auf das Behandlungsergebnis geführt hat.“

* β-Lactam-Antibiotika gehen auf das Penicillin zurück und haben in ihrer
Strukturformel einen viergliedrigen Beta-Laktam-Ring, wodurch sie die
Synthese der bakteriellen Zellwand stören.

Über das ADKA-if-DGI-Projekt:
Im ADKA-if-DGI-Projekt erheben die Abteilung Infektiologie des
Universitätsklinikums Freiburg und der Bundesverband Deutscher
Krankenhausapotheker seit dem Jahr 2007 die Antiinfektiva-Verbrauchsdaten
von mehr als 100 deutschen Krankenhäusern. Dargestellt wird der Verbrauch
quartalsweise in Form von Anwendungsdichten, stratifiziert nach
Fachabteilungen sowie Normal- und Intensivstationen. Dies ermöglicht den
für die Qualitätssicherung essentiellen Benchmark. Die erforderlichen
Daten des UKW werden -regelmäßig von der Klinikapotheke bereitgestellt.
Seit dem Jahr 2018 weist das ADKA-if-DGI-Projekt Uniklinika als eigene
Teilnehmer-Kategorie aus.

Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie DART:
Das Bundesministerium für Gesundheit hat 2015 gemeinsam mit den
Bundesministerien für Ernährung und Landwirtschaft sowie Bildung und
Forschung die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie „DART2020“
erarbeitet. Sie wurde im Mai 2015 vom Bundeskabinett verabschiedet. Die
erzielten Ergebnisse sollen mit der im April 2023 verabschiedeten
Resistenzstrategie „DART2030“ weiter vertieft werden. Die zu erreichenden
Ziele und Maßnahmen bei der Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen auf
nationaler Ebene und in der internationalen Zusammenarbeit werden in sechs
Handlungsfeldern dargestellt: 1. Prävention, 2. Surveillance und
Monitoring, 3. Sachgerechter Antibiotikaeinsatz inklusive Labordiagnostik,
4. Kommunikation und Kooperation, 5. Europäische und internationale
Zusammenarbeit, 6. Forschung und Entwicklung.