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Die Schilddrüse beeinflusst mit ihren Botenstoffen nahezu jede Zelle
unseres Körpers. Eine Fehlfunktion wirkt sich daher auch auf Herz und
Kreislauf aus. Doch auch Herzmedikamente können ungünstige Wirkung auf die
Schilddrüse haben

Die Schilddrüse ist ein kleines, aber äußerst wirkmächtiges Organ: Sie
produziert Substanzen, die den kompletten Organismus beeinflussen – die
Schilddrüsenhormone. Praktisch alle Zellen des Körpers stehen unter der
Regie dieser chemischen Botenstoffe. Besonders ausgeprägt sind die Effekte
der Schilddrüsenhormone T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin) auf Herz und
Kreislauf, deren zentrale Steuerung durch das Gehirn erfolgt. Beide
Hormone sind unerlässlich für den Stoffwechsel des Körpers und wahre
Multiplayer. Schilddrüsenhormone
- regulieren den Energieverbrauch,
- sind wichtig für das Aufrechterhalten der Körpertemperatur,
- regulieren Blutdruck und Cholesterinspiegel,
- bestimmen die Funktionen des Gehirns und der Muskeln,
- spielen entscheidend mit bei Wachstum und Entwicklung und noch vieles
mehr.

„Das Herz ist ein wesentliches Zielorgan der Schilddrüsenhormone“, betont
der Hamburger Kardiologe Prof. Dr. Thomas Meinertz, Chefredakteur der
Deutschen Herzstiftung, in der aktuellen Ausgabe von HERZ heute. „Die
Botenstoffe der Schilddrüse regulieren die Kraft des Herzens, die
Herzschlagfolge, also die Herzfrequenz, und das zirkulierende Blutvolumen.
Eine Funktionsstörung der Schilddrüse wirkt sich deshalb immer auch auf
Herz und Kreislauf aus.“ Bei einer Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems
müsse daher stets an die Schilddrüse gedacht werden, betont Meinertz,
Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung. „Trotzdem wird die
Diagnose oft erst mit Verspätung und als Zufallsbefund gestellt.“
Die aktuelle Ausgabe HERZ heute 4/2023 „Mitleidendes Herz“ mit dem Fokus
auf Krankheiten wie beispieslweise Schilddrüsenerkrankungen oder die
kardiale Amyloidose, die Herz und Kreislauf in Mitleidenschaft ziehen
können, kann kostenfrei bei der Herzstiftung unter
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder per Telefon unter 069 955128-400 bestellt
werden. Infos auch unter https://herzstiftung.de/schilddruese-und-herz

Klein, aber wirkmächtig
Kaum daumengroß und nur 20 bis 30 Gramm schwer liegt die Schilddrüse wie
ein Schild unterhalb des Kehlkopfs. Ihre beiden mit einer Gewebebrücke
verbundenen Seitenlappen umspannen die Luftröhre in der Form eines
Schmetterlings. Daher spricht man häufig auch von der
„Schmetterlingsdrüse“. In unserem Gehirn sitzt die kirschkerngroße
Hirnanhangdrüse (Hypophyse), die wiederum eng mit dem Hypothalamus
verbunden ist, einem Areal im Zwischenhirn. Beide zusammen regeln über
Steuerhormone die Funktion aller Hormondrüsen. Für die Schilddrüse
zuständig ist das vom Hypothalamus gebildete Steuerhormon TRH
(Thyreotropin Releasing Hormone). Es gelangt in die Hypophyse und
veranlasst sie dazu, ein weiteres Hormon zu produzieren: das
schilddrüsenstimulierende Hormon TSH. Mit dem Blut gelangt TSH in die
Schilddrüse und beauftragt deren Zellen, die Schilddrüsenhormone T3
(Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin) zu bilden. Herzmuskelzellen sind
hauptsächlich auf T3 angewiesen.

Schilddrüsenüberfunktion macht sich mit Herz-Kreislauf-Beschwerden
bemerkbar
„Dass eine überaktive Schilddrüse mit Herz-Kreislauf-Beschwerden
einhergehen kann, sollten sowohl Patienten als auch ihr behandelnder Arzt
mitbedenken, wenn entsprechende Symptome auftreten“, betont der Internist
Prof. Dr. Franz Rinninger, Facharzt für Endokrinologie und Diabetologie am
Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf (UKE). Eine solche Überfunktion
der Schilddrüse, in der Medizin Hyperthyreose genannt, kommt bei einer
unter 100 Personen vor. Die Schilddrüse schüttet dabei zu viele Hormone
aus und kurbelt Herz und Kreislauf an, beide arbeiten unnötigerweise auf
Hochtouren. „Die Folge sind dann Herzrasen oder Herzstolpern, Zittern,
Nervosität und Unruhe sowie ein erhöhter Blutdruck“, berichtet Rinninger.
Nicht oder nur unzureichend behandelt, könne eine Schilddrüsenüberfunktion
zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, beispielsweise zu Vorhofflimmern, führen
oder gar lebensbedrohlich verlaufen, so der Internist in der aktuellen
HERZ heute. Bei der Hyperthyreose unterscheidet man zwei Verlaufsformen:
die latente Form, die keine Beschwerden verursacht, und die manifeste mit
deutlichen Beschwerden. Die latente Form wird häufig übersehen, nicht
selten ist Vorhofflimmern das einzige darauf hindeutende Zeichen. Eine
manifeste Überfunktion zeigt in der Blutanalyse erhöhte T3- und T4-Werte.
„Die manifeste Überfunktion ist behandlungsbedürftig und es werden
Thyreostatika gegeben, die die Bildung der Schilddrüsenhormone hemmen“,
erklärt Rinninger

Funktionsstörung der Schilddrüse durch Herzmedikamente
Bei Patienten mit Herzerkrankungen ist wiederum das Medikament Amiodaron
nicht selten der Grund für eine Funktionsstörung der Schilddrüse.
Amiodaron ist der am häufigsten eingesetzte und effektivste Arzneistoff,
um Herzrhythmusstörungen zu behandeln, die mit einer schnellen
Herzschlagfolge einhergehen (tachykarde Herzrhythmusstörung). Bei 20 bis
25 Prozent der länger mit Amiodaron behandelten Patienten kann das
Medikament jedoch aufgrund seines hohen Jodgehalts funktionelle Störungen
der Schilddrüse auslösen. Es kann, abhängig von der geografischen Lage
(Jodversorgung), zu einer Unterfunktion (Hypothyreose) oder einer
Überfunktion (Hyperthyreose) kommen. Allerdings sind bei einer von
Amiodaron ausgelösten Hyperthyreose die typischen Zeichen einer
Überfunktion oft abgeschwächt oder gar nicht vorhanden. Blutuntersuchungen
zeigen dann allerdings einen erniedrigten Wert des Steuerhormons TSH und
deutlich erhöhte Werte des Schilddrüsenhormons T3, oft fünffach über den
oberen Grenzwert hinaus. „Schilddrüsennebenwirkungen sind unter einer
Therapie mit dem Herzrhythmusmedikament Amiodaron so häufig, dass eine
regelmäßige Kontrolle der Schilddrüsenfunktion vor und während der
Amiodaron-Therapie zwingend erforderlich ist“, mahnt Prof. Rinninger.

Am meisten gefürchtete Nebenwirkung: Stoffwechsel-Entgleisung
Die gefürchtetste Nebenwirkung ist, wenn sie unentdeckt und unbehandelt
bleibt, die „Amiodaron-induzierte Thyreotoxikose“ (AIT), ein durch die
Funktionsstörung der Schilddrüse verursachtes Entgleisen des
Stoffwechsels. Sie beruht auf zwei unterschiedlichen Mechanismen;
hinsichtlich der Behandlung muss deshalb zwischen einer AIT vom Typ 1 und
einer AIT vom Typ 2 unterschieden werden.
Die AIT Typ 1 geht einher mit einer vermehrten Bildung von
Schilddrüsenhormonen, die Beschwerden treten meist früh auf. Die
Betroffenen leiden zudem meist bereits vor Beginn der Amiodaron-Einnahme
an einer Schilddrüsenerkrankung, etwa an einem Morbus Basedow oder an
einer Schilddrüsenautonomie. „Bei derart vorbelasteten Patienten kann der
hohe Jodgehalt des Medikaments die Überfunktion der Schilddrüse
provozieren. Bei Personen hingegen, bei denen keine Vorerkrankung der
Schilddrüse besteht, verändern sich die Schilddrüsenwerte unter einer
Behandlung mit Amiodaron in der Regel nur geringgradig; die Funktion der
Schilddrüse bleibt letztlich normal“, erklärt Herzspezialist Prof.
Meinertz. Bei einer AIT Typ 1 sei es erforderlich, Amiodaron abzusetzen.
Zusätzlich erfolge eine medikamentöse Therapie mit Thyreostatika.
Die AIT vom Typ 2 tritt spät, meist Monate nach Beginn der Amiodaron-
Therapie auf. Das Medikament schädigt die Zellen der Schilddrüse
unmittelbar, es kommt zu einer zerstörerischen Entzündungsreaktion
(destruktive Thyreoiditis). Infolgedessen werden Schilddrüsenhormone
unkontrolliert freigesetzt. Eine AIT vom Typ 2 wird mit Glukokortikoiden,
entzündungshemmenden Medikamenten, behandelt. Nicht selten muss bei
unzureichendem Therapierfolg dann die Schilddrüse operativ entfernt werden
(Thyreoidektomie). Danach kann jedoch die Behandlung mit dem
Rhythmusmedikament Amiodaron fortgeführt werden.
(ne/wi)

Service
Mehr Informationen zu diesem Thema bietet der Experten-Beitrag „Das
getriebene Herz“ von Prof. Thomas Meinertz und Prof. Franz Rinninger in
der  aktuellen Ausgabe der Herzstiftungs-Zeitschrift HERZ heute 4/2023 mit
dem Titel „Das mitleidende Herz“. Ein Exemplar dieser Ausgabe kann
kostenfrei unter Tel. 069 955128-400 oder unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
angefordert werden. Unter https://herzstiftung.de/ finden Sie weitere
hilfreiche Infos.