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Typ-2-Diabetes entwickelt sich in der Regel über viele Jahre, ohne dass
die Betroffenen Symptome verspüren. Rechtzeitig erkannt, kann das Risiko
für den Ausbruch eines Diabetes mellitus mit einer Lebensstiländerung
jedoch um 40 bis 70 Prozent gesenkt werden, sagen die Deutsche
Gesellschaft für Endokrinologie e.V. (DGE) und die Deutsche Diabetes
Gesellschaft e.V. (DDG). Tatsächlich lässt sich durchschnittlich schon 12
Jahre vor der Diabetesdiagnose eine verminderte Insulinwirkung
(Insulinresistenz) im Blut feststellen. Kommt es dann auch noch zu einer
Abnahme der Insulinfreisetzung aus der Bauchspeicheldrüse, steigen auch
die Blutzuckerwerte an.

In Deutschland erkranken jährlich mehr als eine halbe Million Erwachsene
neu an Diabetes. Aktuell leben etwa 8,7 Millionen Menschen mit dieser
Erkrankung. Etwa 95 Prozent von ihnen haben einen Typ-2-Diabetes (1). Bei
dieser Erkrankung reagieren die Körperzellen schlechter oder gar nicht
mehr auf das körpereigene Hormon Insulin (Insulinresistenz). Somit gelangt
weniger Zucker aus dem Blut in die Körperzellen und der Blutzuckerspiegel
ist erhöht. Die Folgen der Stoffwechselerkrankung sind eine oft verkürzte
Lebensdauer und verminderte Lebensqualität durch zahlreiche chronische
Leiden etwa des Herz-Kreislaufapparats. „Ebenso besteht eine Anfälligkeit
dafür, häufiger an Krebs sowie an Demenz zu erkranken“, sagt Professor Dr.
med. Karsten Müssig von der DGE, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin,
Gastroenterologie und Diabetologie am Franziskus-Hospital Harderberg der
Niels-Stensen-Kliniken.

Schätzungsweise 20 von 100 Erwachsenen in Deutschland haben Prädiabetes
„Schätzungsweise 20 von 100 Erwachsenen in Deutschland und mehr als 10
Prozent der erwachsenen Bevölkerung weltweit (541 Millionen Menschen)
leben mit Prädiabetes“, sagt Müssig, der auch Mitherausgeber der
englischsprachigen Fachzeitschrift von DGE und DDG, Experimental and
Clinical Endocrinology & Diabetes, und Vorstandsmitglied der DDG ist. Zu
den Risikogruppen gehören Menschen mit Übergewicht, kardiovaskulären
Erkrankungen, viel Bauchfett und Leberverfettung sowie Frauen, die in den
Wechseljahren deutlich an Gewicht zugenommen haben. „Auch wenn man
Verwandte ersten Grades hat, die an Typ-2-Diabetes leiden, sollte man
wachsam sein“, sagt Müssig. „Jedes Jahr entwickeln 5 bis 10 Prozent der
Menschen mit Prädiabetes einen Typ-2-Diabetes“, ergänzt er.

Durch rechtzeitige Lebensstilverbesserung Typ-2-Diabetes vermeiden
Das müsse nicht sein, findet der Endokrinologe und Diabetologe. Im Stadium
des Prädiabetes lässt sich die Erkrankung nämlich häufig noch erfolgreich
zurückdrängen: „Das Rezept besteht meist aus einer konsequenten
Präventionsstrategie mit Abnehmen, deutlich mehr Bewegung und einer
ausgewogener Ernährung“, so Müssig (2).

Einfache und kostengünstige Diagnose
Die Diagnose eines Prädiabetes ist einfach: „Ist das Diabetesrisiko
erhöht, sollten die Nüchternglukose, der 2-Stunden-Wert im sogenannten
oralen Glukosetoleranztest (oGTT) sowie der HbA1c bestimmt werden“, so
Müssig. Das HbA1c spiegelt den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der
letzten 2 bis 3 Monate wider.

Eine Insulinresistenz kann jedoch schon viele Jahre vor einem Anstieg des
Blutzuckers vorliegen. Diese lässt sich durch die Bestimmung von Insulin
und Glukose (Blutzucker) aus einer Nüchtern-Blutprobe ermitteln. Aus
diesen Werten kann der HOMA-Index (Homeostasis Model Assessment) mit der
Formel (Insulin (µU/ml) * Glukose (mg/dl)): 405 berechnet werden. „Bei
einem Wert von mehr als 2,5 ist eine Insulinresistenz und damit ein
erhöhtes Diabetesrisiko wahrscheinlich“, so Müssig. Der HOMA-Index wird
bei Zyklusstörungen und Unfruchtbarkeit infolge des Polyzystischen
Ovarialsyndroms (PCOS) regelhaft bestimmt. „Für jedermann und jederfrau
besteht auch die Möglichkeit, das eigene Risiko erst einmal ganz
unabhängig von einem Arzt mit etablierten Diabetesrisikotests mittels
Fragebögen zu prüfen (3, 4).“

Präventionsmöglichkeiten nutzen: Risikopatienten frühzeitig identifizieren
„Angesichts der dramatischen Zunahme von Typ-2-Diabetes wäre es ein großer
Fortschritt, wenn wir Menschen mit Prädiabetes frühzeitig identifizieren.
Diabetesrisikotests sind einfache Screeningmethoden, Menschen mit einem
erhöhten Risiko bereits vor dem Anstieg der Glukosespiegel zu erfassen“,
fasst Professor Dr. med. Stephan Petersenn, Mediensprecher der DGE und
Inhaber der ENDOC Praxis für Endokrinologie und Andrologie in Hamburg,
zusammen. „Aktuelle Studien belegen, dass viele der von Prädiabetes
Betroffenen von einer Lebensstilintervention profitieren. Dies sollten wir
unbedingt nutzen“, ergänzt Professor Dr. med. Baptist Gallwitz,
Vorstandsmitglied und Kongresspräsident 2024 der DDG aus Berlin.

Originalpublikation:
(1) https://www.ddg.info/ddg-factsheet
(2) Sandforth A, von Schwartzenberg RJ, Arreola EV, et al. Mechanisms of
weight loss-induced remission in people with prediabetes: a post-hoc
analysis of the randomised, controlled, multicentre Prediabetes Lifestyle
Intervention Study (PLIS). Lancet Diabetes Endocrinol. 2023
Nov;11(11):798-810. doi: 10.1016/S2213-8587(23)00235-8. Epub 2023.
(3) Diabestes-Risiko-Selbsttest vom Deutschen Institut für
Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE): https://drs.dife.de/
(4) Diabetes-Risiko-Selbsttest der Deutschen Diabetes Stiftung:
https://www.diabetesstiftung.de/gesundheitscheck-diabetes-findrisk