Pin It

Zum Weltkrebstag am 4. Februar 2024 möchte die Deutsche Gesellschaft für
Radioonkologie e.V. (DEGRO) auf die großen Fortschritte in der
Krebstherapie hinweisen und den Betroffenen Mut machen. Gerade im Bereich
der Strahlentherapie haben viele Fortschritte dazu geführt, dass die
Lebensqualität und die Prognose der Patientinnen und Patienten steigt.
Beispielsweise ist durch die Bestrahlung oft ein Organerhalt möglich, auch
konnte gezeigt werden, dass durch eine prophylaktische Strahlentherapie
von Krebspatientinnen und -patienten mit Knochenmetastasen das Risiko für
das Auftreten sogenannter skelettaler Ereignisse sinkt.

„Die Radioonkologie ist eines der medizinischen Fächer, das in den
vergangenen 20 Jahren besonders von innovativen Technologien, auch dem
Einsatz künstlicher Intelligenz (KI), profitiert hat. Ergebnis ist, dass
Krebspatientinnen und -patienten zunehmend gezielter bestrahlt werden
können. Das heißt: Auf den Tumor treffen hochdosierte Strahlen, das
umliegende Gewebe wird aber geschont. Die Strahlentherapie belastet daher
die Krebspatientinnen und -patienten weniger als andere Therapieformen“,
erklärt Prof. Dr. Stephanie Combs, München, Pressesprecherin der Deutschen
Gesellschaft für Radioonkologie e.V. (DEGRO).

Nichtsdestotrotz gibt es gegenüber der Strahlentherapie noch immer
Vorbehalte, da Strahlen oft unbewusst Ängste auslösen. „Zu Unrecht“, sagt
die Expertin, „die moderne Strahlentherapie ist eine
Hochpräzisionstechnologie. Sie war schon immer eine gezielte
Krebstherapie, und zwar lange bevor es diesen Begriff überhaupt gab, denn
die Strahlenenergie entlädt sich erst im Tumor und entfaltet dort ihre
zerstörerische Wirkung.“ KI habe das Verfahren noch präziser gemacht,
beispielsweise werden die Atemphasen während der Bestrahlung berechnet und
das Bestrahlungsziel in jeder Millisekunde den neuen Gegebenheiten durch
die Hebung und Senkung des Brustkorbs angepasst. „Wir zielen immer genau
auf den Tumor!“

Im Gegensatz zu anderen Krebstherapien ist die Strahlentherapie daher bei
oft ebenso guter Wirkung deutlich nebenwirkungsärmer. Als Beispiel führt
Prof. Combs die Behandlungsoptionen des frühen Prostatakarzinoms an. So
sind Strahlentherapie und Operation bei dieser Erkrankung im Hinblick auf
die Heilung in etwa gleichwertig, die Bestrahlung führt aber zu deutlich
weniger Nebenwirkungen wie Inkontinenz oder Impotenz. „Die Leitlinien
empfehlen daher, die Patienten gleichwertig über beide Optionen
aufzuklären, was ein wichtiger Schritt ist, im klinischen Alltag aber
leider oft noch nicht überall so gelebt wird.“

Bei anderen Krebserkrankungen ermöglicht die Strahlentherapie sogar, dass
das von Krebs befallene Organ nicht entfernt werden muss. Beispielsweise
kann bei Harnblasenkrebs, der in die Muskelschicht der Harnblase
eingewachsen ist, die multimodale, primär organerhaltende Therapie (sog.
transurethrale Resektion gefolgt von Radiochemotherapie) eine Alternative
zur Entfernung der gesamten Harnblase sein [1]. Beide Therapien haben die
gleiche Aussicht auf Erfolg. Ähnliches zeichnet sich auch bei Lungenkrebs
ab. Eine Registerstudie mit Daten des Krebsregisters Berlin-Brandenburg
[2] analysierte bei Bronchialkarzinompatientinnen und -patienten in den
frühen Stadien die Überlebenszeit nach Strahlenchemotherapie oder
Operation. Das Ergebnis bestätigt, dass das strahlentherapeutische
Vorgehen (mit SBRT, „Stereotactic Body Radiation Therapy“) ebenso
effizient war wie das operative Management. Auch bei Krebserkrankungen im
Mund-Rachenraum können mit der Strahlentherapie sehr gute Ergebnisse
erreicht werden [3].

Relativ neu ist die Erkenntnis, dass die Strahlentherapie auch
Patientinnen und Patienten mit Knochenmetastasen vor sogenannten
skelettalen Ereignissen wie Knochenbrüchen oder schmerzhaften
Rückenmarkseinklemmungen, die schlimmstenfalls sogar Lähmungen auslösen
können, schützt. Bisher kam die Strahlentherapie bei Knochemetastasen
überwiegend zur Schmerzlinderung oder bei neurologischen Symptomen in der
palliativen Krankheitsphase zum Einsatz. Eine randomisierte Phase-II-
Studie [4] konnte zeigen, dass sich auch der prophylaktische Einsatz ohne
bestehende Symptome lohnt. Die zusätzliche Strahlentherapie zur
Standardtherapie konnte das Auftreten dieser Ereignisse signifikant
senken: Im Standardarm betrug die Rate skelettaler Ereignisse 29 %, in der
Gruppe, die bestrahlt wurde, nur 1,6 %.

Wie Prof. Mechthild Krause, Dresden, Präsidentin der Deutschen
Gesellschaft für Radioonkologie e.V. (DEGRO), abschließend zusammenfasst,
wird die Strahlentherapie oft unterschätzt: „Wir haben die Möglichkeit,
Tumoren gezielt und nebenwirkungsarm zu bestrahlen und erreichen gute
Therapieergebnisse. Zum Weltkrebstag möchten wir daher  das Bewusstein für
die Strahlentherapie als wichtige und tragende Säule der Krebstherapie
stärken. Gern laden wir interessierte Journalistinnen und Journalisten in
unsere Strahlentherapiezentren ein, damit sie sich über radioonkologische
Verfahren informieren können.“

[1] Zlotta AR, Ballas LK, Niemierko A et al. Radical cystectomy versus
trimodality therapy for muscle-invasive bladder cancer: a multi-
institutional propensity score matched and weighted analysis. Lancet Oncol
2023 May 12; S1470-2045 (23) 00170-5 doi: 10.1016/S1470-2045(23)00170-5.

[2] Jörg Andreas Müller, Dirk Vordermark, Daniel Medenwald. [P10-11-jD]
Überlebenszeitanalyse nach Bestrahlung oder Operation in der Behandlung
von Bronchialkarzinomen im Frühstadium: eine Registerdaten-Analyse
basierend auf den Daten des Krebsregisters Berlin-Brandenburg. Abstract
vom DEGRO-Kongress 2023

[3] Palma DA, Prisman E, Berthelet E et al. Assessment of Toxic Effects
and Survival in Treatment Deescalation With Radiotherapy vs Transoral
Surgery for HPV-Associated Oropharyngeal Squamous Cell Carcinoma: The
ORATOR2 Phase 2 Randomized Clinical Trial. JAMA Oncol 2022 Apr 28;e220615.
doi: 10.1001/jamaoncol.2022.0615.

[4] Gillespie EF, Yang JC, Mathis NJ et al. Prophylactic Radiation Therapy
Versus Standard of Care for Patients With High-Risk Asymptomatic Bone
Metastases: A Multicenter, Randomized Phase II Clinical Trial. J Clin
Oncol. 2024 Jan 1;42(1):38-46. doi: 10.1200/JCO.23.00753. Epub 2023 Sep
25. PMID: 37748124; PMCID: PMC10730067.