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Am Uniklinikum kommen neuartige Stammzell- und CAR-T-Zell-Therapien
erfolgreich zum Einsatz. Das Projekt SPIZ verbessert die Versorgung von
Betroffenen - auch im ländlichen Raum. Das sachsenweite Projekt wird mit
4,1 Millionen Euro aus dem Innovationsfond des Bundes gefördert. Nun wird
die erste Patientin nach einer Antikörpertherapie (CAR-T-Zellen) über das
Projekt betreut, das Versorgungslücken in Sachsen schließen soll – passend
zum Motto des diesjährigen Weltkrebstages, der am 4. Februar 2024 begangen
wird.

Aufgrund von innovativen Zelltherapien haben sich die Heilungschancen bei
Patientinnen und Patienten mit Blut- oder Lymphdrüsenkrebs in den
vergangenen Jahren deutlich verbessert. Das Universitätsklinikum Carl
Gustav Carus Dresden ist eines von drei hämato-onkologischen Zentren in
Sachsen, an denen Patientinnen und Patienten mit einer
Stammzelltransplantation oder einer CAR-T-Zell-Therapie behandelt werden
können. Nach diesen komplexen Therapien besteht für die Betroffenen ein
hohes Risiko für lebensgefährliche Komplikationen. Dort setzt unter
anderem das Projekt SPIZ (sektorenübergreifende Versorgung von
Patientinnen und Patienten mit hämatologischen Erkrankungen nach
innovativer Zelltherapie) an. „Patientinnen und Patienten, die in diese
Studie eingeschlossen werden, erhalten eine intensive Nachsorge,
unabhängig ihres Wohnortes“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer
Vorstand am Uniklinikum. „Ziel ist es, schwere Komplikationen rechtzeitig
zu erkennen, aber lange Fahrten ins Krankenhaus zu vermeiden.“

Im Rahmen des neuen Nachsorgeprogramms SPIZ werden insgesamt 302
Patientinnen und Patienten aus den drei sächsischen hämato-onkologischen
Zentren an den Uniklinika in Dresden und Leipzig sowie am Klinikum
Chemnitz in die Studie eingeschlossen, nachdem sie eine der neuartigen
Zelltherapien erhalten haben. Das Einzugsgebiet beträgt bis zu 200
Kilometer, was regelmäßige ambulante Vorstellungen in der Nachsorge
erschwert. „In Studien sind die Ergebnisse der innovativen Zelltherapien
besser als in der Routineversorgung, was nicht zuletzt an einer effektiven
Nachsorge liegen dürfte. Unser Anspruch ist es, dieses Potential der
Therapien in die Versorgungsrealität vor allem im ländlichen Raum zu
übertragen“, erklärt Prof. Martin Bornhäuser, Direktor der Medizinischen
Klinik I des Universitätsklinikums Dresden und Mitglied im
geschäftsführenden Direktorium des Nationalen Centrums für
Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC).

SPIZ hat zum Ziel, die Patientinnen und Patienten engmaschig und digital
unterstützt unter anderem mittels App und Videosprechstunde zu betreuen,
um Komplikationen nach der Zelltherapie rechtzeitig zu erkennen und die
Lebensqualität der beteiligten Patientinnen und Patienten zu erhöhen.
Zugleich sollen ihnen übermäßig viele lange Fahrten für die regelmäßige
Nachsorge in die Zentren erspart werden, indem abwechselnd zu den
Ambulanzvorstellungen am Zentrum Hausbesuche durch onkologische
Fachpflegekräfte durchgeführt werden. Am Universitätsklinikum Dresden
werden in diesem Jahr etwa 80 bis 100 Blutkrebspatientinnen und -patienten
über das Programm SPIZ betreut. Weitere Patientinnen und Patienten werden
an den ebenfalls beteiligten Zentren Universitätsklinikum Leipzig und
Klinikum Chemnitz behandelt. Um die Wirksamkeit zu prüfen, ist SPIZ als
randomisiert kontrollierte Studie konzipiert, wobei der innovative
Versorgungspfad mit der aktuellen Regelversorgung verglichen wird.
Zusammen mit dem Konsortialpartner AOK PLUS wird zudem eine
gesundheitsökonomische Analyse durchgeführt, um nach einer positiven
Evaluation die Übertragung in die Regelversorgung zu ermöglichen.

Mittels App werden Symptome dokumentiert

Das Programm SPIZ sieht in der intensivierten Nachsorge in Ergänzung zu
ambulanten Vorstellungen Video-Sprechstunden vor, um eine schnelle
Abklärung von Symptomen zu ermöglichen und lange Anfahrtswege zu
reduzieren. Zudem kommt eine „Onko-Nurse“ in regelmäßigen Abständen zu
Hausbesuchen, kann den Zustand der Betroffenen vor Ort beurteilen, Blut
abnehmen, Angehörige beraten und den Unterstützungsbedarf im häuslichen
Umfeld einschätzen. In einer speziellen App dokumentieren die Patientinnen
und Patienten kontinuierlich Symptome und weitere wichtige Parameter. Die
Daten werden an fünf Tagen pro Woche von onkologischen Fachpflegekräften
ausgelesen und bei Auffälligkeiten dem ärztlichen Personal vorgelegt.
Regelmäßige Online-Fallkonferenzen ermöglichen die enge Zusammenarbeit
aller in die Patientenversorgung eingebundenen Akteure, etwa aus den
Bereichen Sozialarbeit, Psychoonkologie, der niedergelassenen Ärzteschaft
und den onkologischen Zentren. Bei Fragen und Problemen können sich die
Patientinnen und Patienten jederzeit an speziell geschulte Case-
Managerinnen und -Manager wenden, die zudem alle Termine sowie die
Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren koordinieren.

„Wir erwarten, dass aufgrund der verbesserten Nachsorge weniger
notfallmäßige Krankenhauseinweisungen erfolgen, die mit erheblichen Kosten
verbunden sind. Zum anderen können durch Video-Sprechstunden lange und
damit teure Anfahrten reduziert werden, die in der Regel per Taxi
erfolgen, da die Betroffenen aufgrund von Medikation und Abwehrschwäche
zumeist weder öffentliche Verkehrsmittel noch das eigene Auto nutzen
können“, erklärt Dr. Jan Moritz Middeke von der Medizinischen Klinik I des
Uniklinikums Dresden und Forschungsgruppenleiter am Else-Kröner-Fresenius-
Zentrum für Digitale Gesundheit (EKFZ).

Die AOK Plus begleitet das Projekt aktiv und stellt Abrechnungsdaten zur
Verfügung. Alle Auswirkungen des Projektes auf den Gesundheitszustand und
die Lebensqualität der teilnehmenden Patientinnen und Patienten sowie die
entstehenden Kosten werden kontinuierlich durch das Zentrum für
Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV) erfasst und evaluiert. Bei
positiver Evaluation soll die im Projekt vorgeschlagene Versorgungsform
dauerhaft in die Regelversorgung der Krankenversicherungen überführt
werden. Das Konsortialprojekt wird aus dem Innovationsfonds des
Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit 4,1 Millionen Euro gefördert. „Die
Förderung unterstreicht die Expertise am Standort Dresden im Bereich der
onkologischen Forschung und Versorgung von Patientinnen und Patienten mit
innovativen Krebstherapien“, sagt der Medizinische Vorstand Prof. Michael
Albrecht.

Erste Patientin am Uniklinikum wird über SPIZ versorgt

Als eine der ersten Patientinnen wird Elke Hartwig am Uniklinikum Dresden
in das Programm aufgenommen. 2019 bekam die heute 60-Jährige die Diagnose
Multiples Myelom, eine bösartige Knochenerkrankung, die zu den
Blutkrebsarten zählt. Elke Hartwig ließ damals bei ihrem Arzt heftige
Rippen- und Rückenschmerzen abklären, eine Untersuchung im MRT zeigte
schließlich den Tumorbefall ihres Skeletts. Daraufhin wurde sie ans
Uniklinikum überwiesen. „Das war ein großer Glücksgriff für mich“, sagt
Elke Hartwig heute. Zunächst erfolgte eine Behandlung mittels
Stammzelltransplantation, doch der Krebs kam zurück. Inzwischen zeigten
andere, innovative Zelltherapien gute Erfolge. „In diesem Bereich hat sich
in den vergangenen ein, zwei Jahren unheimlich viel getan“, sagt Dr.
Katharina Egger-Heidrich, Fachärztin für Innere Medizin. Zwar sei ein
Multiples Myelom anders als etwa akute Leukämie nicht heilbar. „Wir haben
mit den neuartigen Zelltherapien aber gute Remissionen erreicht.“ Das
heißt, die Krankheitserscheinungen können hinausgezögert werden.

Seit Anfang Januar wird Elke Hartwig mit einer CAR-T-Zell-Therapie
behandelt, die sehr gut anschlägt. Dabei handelt es sich um eine
Krebsimmuntherapie, bei der T-Zellen aus dem Blut gesammelt und
gentechnisch so verändert werden, dass sie Krebszellen im Körper selbst
bekämpfen. „Das macht mir zumindest die Hoffnung, dass ich die Zeit mit
meinen Enkelkindern noch etwas genießen kann“, sagt die Patientin, die in
Arnsdorf im Dresdner Umland wohnt. Dass sie nun über das Projekt SPIZ
täglich Feedback über ihren Gesundheitszustand an das Uniklinikum meldet,
gibt Elke Hartwig Sicherheit. „Es ist ein gutes Gefühl, über die App in
Verbindung mit dem medizinischen Personal zu stehen.“ Dort gibt sie etwa
an, wie hoch der Blutdruck und die Körpertemperatur ist und ob sie Fieber
oder sonstige Beschwerden hat. „Sollten Auffälligkeiten auftreten, meldet
sich eine Ärztin oder ein Arzt und bespricht das weitere Vorgehen“, sagt
Dr. Katharina Egger-Heidrich.

Neben dem Uniklinikum Dresden sind mit Saxocell, NIO/BNHO (Verbände
niedergelassener Onkologinnen und Onkologen), dem Nationalen Centrum für
Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) und dem Zentrum für Evidenzbasierte
Gesundheitsversorgung (ZEGV) der Hochschulmedizin Dresden weitere,
miteinander vernetzte Partner an dem Projekt beteiligt. Das
Zukunftscluster Saxocell fokussiert sich insbesondere auf die aktuellen
Entwicklungen im Bereich der Genmodifikation, insbesondere von
Immunzellen. Diese modifizierten oder editierten Zellen können, wenn sie
beispielsweise mit spezifischen tumorerkennenden Rezeptoren ausgestattet
werden, Tumor- und andere krankheitsverursachende Zellen vernichten.
Solche chimären Antigenrezeptoren, oder einfach CARs, sind in der Vision
von SaxoCell der Schlüssel zur Herstellung "lebender Arzneimittel". CARs
können das Immunsystem auf fast jedes beliebige Ziel umleiten. Nach
gentechnischer Modifikation, entweder der eigenen Zellen von Patientinnen
und Patienten oder von Zellen, die für alle Patientinnen und Patienten
verwendet werden können (sogenannte allogene Ansätze), kann es theoretisch
möglich werden, viele ernsthafte Erkrankungen erstmals wirklich ursächlich
zu heilen.