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Die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) des
Bundesforschungs-Ministeriums (BMBF) hat ein neues Format, um Innovationen
aus der Forschung schneller in die Praxis zu bringen: Für DATIpilot gab es
deutschlandweit etwa 3000 Bewerbungen. Das Institut für Sensor- und
Aktortechnik (ISAT) der Hochschule Coburg war mit seiner Idee erfolgreich
und erhält 150.000 Euro Förderung. Master-Student Jan Lützelberger und
Prof. Dr. Klaus Drese von der Hochschule Coburg überzeugten mit
„UltraHip“, einer Sensorik zur Früherkennung von Hüftprothesen-Lockerungen
mithilfe von Ultraschall.

Zwei Millimeter sind zu viel. „Das ist wie ein dicker Pappkarton“, sagt
Jan Lützelberger. Aber erst wenn ein so dicker Spalt zwischen Hüftprothese
und Knochen klafft, wird das Problem auf dem Röntgenbild deutlich
sichtbar. „Mit unserem neuen, ultraschallbasierten Verfahren können wir im
Mikrometerbereich messen. Eine Prothesenlockerung wird auf diese Weise
schon erkannt, wenn der Spalt nur so dünn ist wie ein Blatt Papier.“ Die
frühzeitige Diagnose hat das Potenzial, Schmerzen, Komplikationen beim
Folgeeingriff und stärkere Knochenschädigungen zu vermeiden. Lützelberger
hat das neue Messverfahren im Rahmen seiner Bachelorarbeit am Institut für
Sensor- und Aktortechnik (ISAT) entwickelt. Der Sonneberger hat Technische
Physik an der Hochschule Coburg studiert und suchte ein praxisnahes
Abschlussarbeitsthema. Angewandte Forschung ist ihm wichtig. Er wollte
„etwas, das auch den Menschen hilft. Und jeder kennt doch jemanden, der
eine künstliche Hüfte hat.“

Eine geniale Verbindung von Körper und Technik - aber nicht für die
Ewigkeit

Der Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks ist einer der häufigsten
medizinischen Eingriffe in Deutschland. Eine Routine-OP: Ins weiche Mark
im Inneren des Oberschenkelknochens wird ein metallischer Prothesenschaft
geschlagen. Als Gelenk wird darauf eine Kugel geschraubt, die wiederum mit
einer Pfanne im Becken verbunden wird. Im Oberschenkel bildet sich dann
neuer Knochen, der den Prothesenschaft umschließt und die Prothese hält.
„Cool, oder? Was der menschliche Körper alles kann, ist - “, Jan
Lützelberger schüttelt den Kopf, in seinen Augen strahlt Begeisterung:
„einfach Wahnsinn!“ Eine künstliche Hüfte ist eine geniale Verbindung von
Körper und Technik. Aber sie hält nicht ewig. Mal liegt es an einer
bakteriellen Infektion, mal ist‘s einfach Abnutzung: Irgendwann lockert
sich das Implantat. Klassische medizinische Verfahren wie Röntgen oder CT
sind nicht geeignet, um das frühzeitig festzustellen. Deshalb kamen Ärzte
des Regiomed-Klinikum Coburg mit dem ISAT ins Gespräch. Dr. Alexander
Franck, Oberarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, unterstützt das
UltraHip-Team schon lange mit seiner medizinischen Expertise.

Spaltmessung mithilfe von Schallwellen

ISAT-Leiter Prof. Dr. Klaus Drese berichtet, dass bereits 2017 die Idee
entstand, den Abstand zwischen Hüftprothese und Knochen mithilfe von
Schallwellen zu ermitteln. „Ursprünglich gab es den Ansatz, mit
sogenannten geführten Wellen zu arbeiten. Auf die jetzige Methodik sind
wir über andere Projekte gestoßen“, erklärt Drese. Auf den Oberschenkel
wird ein Schallwandler aufgesetzt, ein Gerät, das etwa die Größe und Form
eines Lippenstiftes hat. Es sendet und empfängt Schallwellen. Fleisch,
Knochen, Spalt, Metall: Jede Schicht verändert die Schallwellen und genau
diese Veränderung wird per Software ausgewertet, um punktgenaue
Informationen über den Spalt zu erhalten – wie dick er ist und was sich
darin befindet. „In dem Thema steckte eine große Chance.“ Drese nickt
seinem Studenten dabei anerkennend zu. Jan Lützelberger hat die Chance
genutzt.

Die Ergebnisse seiner Bachelorarbeit wurden vergangenes Jahr bereits in
einem bedeutenden wissenschaftlichen Fachmagazin, dem Journal Sensors,
veröffentlicht, er präsentierte sie auch schon auf einer Konferenz. Im
März wird ihn die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) den Georg-
Simon-Ohm-Preis feierlich überreichen. Viel Ansehen für einen 24-jährigen
Nachwuchs-Wissenschaftler. „Ich habe viele verschiedene Aspekte
mitbekommen“, erzählt er. Medizinerinnen und Mediziner denken anders als
Physiker oder Physikerinnen. „Und die Firmen haben wieder einen ganz
anderen Fokus. Durch die Anwendungsnähe am ISAT fühle ich mich einfach
fitter als wenn ich alles im Studium nur theoretisch gelernt hätte.“ Seit
dem Bachelorabschluss studiert er Simulation und Test an der Hochschule
Coburg und schreibt jetzt schon an seiner Masterarbeit zur neuen
Ultraschall-Messtechnik.

Erfolg beim DATI-Pitch

Drese erklärt: „Ziel ist, die Technologie so weiterzuführen, dass sie zu
einer Firma transferiert werden kann. Wir suchen einen Industriepartner.“
Für die Weiterentwicklung gibt es nun schon einmal 18 Monate lang
Unterstützung durch die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation
(DATI) des Bundesforschungsministeriums. Das neue Konzept DATIpilot soll
gute Ideen und Forschungsleistungen schneller zu den Unternehmen und zu
den Menschen bringen. Von 3000 eingereichten Projekten wurden 600 dazu
eingeladen, ihre Idee im Rahmen eines Pitch-Vortrags auf der Bühne zu
präsentieren – bei 23 Veranstaltungen zwischen November 2023 und März 2024
in verschiedenen deutschen Städten. Wer eingeladen ist, gehört automatisch
auch zur Jury, die entscheidet, welche Projekte eine Förderung erhalten.
Mit dem besonders innovativen Gedanken, dem hohen gesellschaftlichen
Nutzen, einer passenden Umsetzungsstrategie und einem mitreißenden Pitch
konnte „UltraHip – Nicht-Invasives Ultraschall-Messverfahren zur
Frühdiagnostik der Lockerung bei Hüftprothesen“ das Publikum überzeugen.