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Die Parkinson-Forschung ist hochdynamisch und hat in den letzten Monaten
zu neuen Erkenntnissen geführt: Schlaf ist ein wichtiger Faktor für die
Parkinson-Prävention. Warum das so ist, zeigte eine Arbeit in der
renommierten Fachzeitschrift „Nature“. Auch zur Therapie gibt es Neues:
Eine Pumpentherapie wird die Versorgung von Parkinson-Kranken deutlich
verbessern. Zwar kann auch sie die Erkrankung nicht heilen, stellt aber
dennoch einen Durchbruch dar, weil sie Betroffenen mehr qualitative
Lebenszeit schenkt. Versagt die medikamentöse Therapie, kommt häufig die
sog. Tiefe Hirnstimulation zum Einsatz, auch mit guten Langzeiteffekten,
wie eine aktuelle Studie zeigt.

Schlaf ist aktive Parkinson-Prävention: Bei der Entstehung
neurodegenerativer Erkrankungen spielt die Ablagerung molekular
fehlgefalteter  Proteine eine Rolle (z. B. α-Synuclein bei M. Parkinson).
Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das erst vor ca. 10 Jahren
nachgewiesene gliale lymphatische System, ein  „Entsorgungssystem“ für
zelluläre Abfallprodukte. Über das glymphatische System werden
Metaboliten/Zellabfälle (meist lösliche Proteine) aus dem Gehirn
„gespült“. Bei verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen wird ein
Nachlassen dieser Reinigungsfunktion, die praktisch nur nachts während des
Non-REM-Schlafs aktiv ist, diskutiert. Wie genau diese Selbstreinigung
funktioniert, ist noch Gegenstand der Forschung; eine nun in „Nature“
publizierte Arbeit [1] konnte aber wichtige Fragen klären. Es wurde
gezeigt, dass neuronale Netze einzelne Aktionspotentiale (das sind
elektrische Signale) synchronisieren und bündeln, wodurch rhythmische,
sich selbst verstärkende hochenergetische Ionenwellen entstehen, die den
„reinigenden“ glymphatischen Fluss in Gang bringen. Die experimentelle
Störung dieser Wellen verhinderte im Experiment weitgehend die Reinigung
des Gehirnparenchyms. Umgekehrt konnte durch transkranielle Stimulation
(mit Optogenetik) die Wellenbewegung und der Fluss interstitieller
Flüssigkeit verstärkt werden. Aus den Ergebnissen könnten sich künftig
neue prophylaktische und therapeutische Ansatzpunkte ergeben. „Schlaf ist
ein wichtiger, aber oftmals unterschätzter Faktor, um Gehirn und Nerven
gesund zu halten. Durchschnittlich werden 7–8 Stunden Schlaf empfohlen –
und dieses Präventionspotenzial sollten wir nutzen“, erklärt Prof. Dr.
Peter Berlit.

Auch zur Therapie gibt es Neuigkeiten: Bei der medikamentösen Behandlung
des M. Parkinson mit Levodopa kommt es (nach ca. 5–8 Jahren) häufig zu
starken motorischen Fluktuationen, d. h. zu starken tageszeitlichen
Schwankungen zwischen Phasen guter Mobilität und Steifheit („On-
Off“-Phasen). Erklärt wird dies durch ein zunehmendes „end of
dose“-Phänomen: Die Wirkung des Medikaments lässt nach, Dopamin kann nicht
mehr ausreichend „gespeichert“ werden und irgendwann kann die Dosierung
nicht weiter erhöht werden, ohne dass es zu überschießenden Dopamin-
Konzentrationen kommt. Denn genauso schlimm wie die Steifheit in Folge von
zu wenig L-Dopa sind die unangenehmen Nebenwirkungen (z. B. störende
Dyskinesien) bei zu hohen Dosen. In dieser Situation kann eine
Pumpentherapie helfen. Sie führt zu konstanten Wirkspiegeln über den Tag
und damit verbesserter Lebensqualität durch weniger „Off“-Zeit.

Das wirksamste Parkinson-Medikament L-Dopa konnte für eine kontinuierliche
Gabe bislang nur über eine Sonde durch die Bauchdecke in den Magen gegeben
werden. Jetzt gibt es in Deutschland eine neue Option: Eine
multizentrische internationale Phase-3-Studie [2] untersuchte
randomisiert, doppelblind und kontrolliert die Wirksamkeit der
kontinuierlichen subkutanen Gabe (n=128) von Levodopa-Carbidopa (ND0612)
im Vergleich zur oralen Gabe (n=131) bei Parkinson-Betroffenen mit
motorischen Fluktuationen (mittlere „On“-Zeit 9,4 h/Tag und Off-Phasen
≥2,5 h/Tag). Die Therapieeinstellung wurde durch die Pumpe mit subkutanem
L-Dopa signifikant verbessert; es konnte gegenüber der oralen Behandlung
eine zusätzliche tägliche „On“-Zeit von 1,72 Stunden (p<0,0001) gewonnen
werden. Die Off-Phasen wurden vermindert (-1,40 h/Tag) und auch weitere
sekundäre Endpunkte (klinische Scores, z. B. MDS-UPDRS-II) verbesserten
sich – bei insgesamt günstigem Nebenwirkungsprofil. Eine nun folgende
Open-Label-Verlängerungsphase soll Daten zur langfristigen Wirksamkeit und
Sicherheit der subkutanen Gabe liefern.

Bei Versagen der medikamentösen Therapie ist die Tiefe Hirnstimulation ein
etabliertes invasives Behandlungsverfahren. Dafür erfolgt die Implantation
von Elektroden in bestimmte Gehirnareale. Von einem individuell
programmierten Impulsgenerator werden wie bei einem Herzschrittmacher
elektrische Stimuli abgegeben, was in Kombination mit Medikamenten die
Parkinson-Symptomatik sowie Lebensqualität deutlich verbessert. Eine
aktuelle, prospektive Studie an drei europäischen Zentren [3] zeigt
erstmals Langzeitergebnisse über mehr als drei Jahre. Sie verglich die
Tiefe Hirnstimulation plus Standardmedikation mit der alleinigen
Standardtherapie. Nach fünf Jahren hatte sich die Lebensqualität gemessen
am Parkinson-Fragebogen (PDQ-8) und die Aktivitäten des täglichen Lebens
(ADL) in der Vergleichsgruppe signifikant verschlechtert (PDQ-8: -10,9;
p=0,01 und ADL: -2,0; p=0,002), während sie in der Gruppe, die die Tiefe
Hirnstimulation erhalten hatte, stabil blieben (PDQ-8: -4,3; p=0,34 und
ADL: -0,8; p=0,38). Diese Unterschiede ergaben sich hauptsächlich durch
die bessere Wirkung der Tiefen Hirnstimulation auf die Mobilität. Die mit
der Tiefen Hirnstimulation Behandelten hatten außerdem weniger motorische
Komplikationen und einen geringeren täglichen Levodopa-Äquivalenzdosis-
Bedarf.

„Noch können wir die Parkinson-Erkrankung nicht heilen, aber die Forschung
trägt zusehends dazu bei, dass die Symptome der Erkrankung über eine lange
Zeit zurückgedrängt werden können“, so Prof. Dr. med. Lars Timmermann,
Mitautor der aktuellen Studie zur Tiefen Hirnstimulation [3] und Präsident
der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. „Am Welt-Parkinson-Tag liegt
uns aber vor allem die Prävention am Herzen. Die Deutsche Hirnstiftung ist
hier ein wichtiger Partner der DGN. Hier finden Betroffene und
Interessierte umfassende Informationen zu einem gesundheitsbewussten
Lebensstil, mit dem sich neurodegenerative Krankheiten wie M. Parkinson
vorbeugen lässt.“


[1] Jiang-Xie LF, Drieu A, Bhasiin K, Quintero D, Smirnov I, Kipnis J.
Neuronal dynamics direct cerebrospinal fluid perfusion and brain
clearance. Nature. 2024 Mar;627(8002):157-164. doi:
10.1038/s41586-024-07108-6. Epub 2024 Feb 28. PMID: 38418877.
[2] Espay AJ, Stocchi F, Pahwa R et al. Safety and efficacy of continuous
subcutaneous levodopa–carbidopa infusion (ND0612) for Parkinson's disease
with motor fluctuations (BouNDless): a phase 3, randomised, double-blind,
double-dummy, multicentre trial. The Lancet Neurology, Published: March
15, 2024
[3] Jost ST, Aloui S, Evans J, Ashkan K, Sauerbier A, Rizos A, Petry-
Schmelzer JN, Gronostay A, Fink GR, Visser-Vandewalle V, Antonini A,
Silverdale M, Timmermann L, Martinez-Martin P, Chaudhuri KR, Dafsari HS;
International Parkinson and Movement Disorders Society Non-Motor
Parkinson’s Disease Study Group and EUROPAR. Neurostimulation for Advanced
Parkinson Disease and Quality of Life at 5 Years: A Nonrandomized
Controlled Trial. JAMA Netw Open. 2024 Jan 2;7(1):e2352177. doi:
10.1001/jamanetworkopen.2023.52177. PMID: 38236600; PMCID: PMC10797423.