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Lucerne Festival Academy OrchestraBesetzung und Programm:

Lucerne Festival Academy Orchestra, Matthias Pintscher, Dirigent

Tod Machover (*1953)

Eine Sinfonie für Luzern
Auftragswerk von Lucerne Festival, Uraufführung

Rezension: Luzern feiert sich und seine Sinfonie

Es gibt Matineen und Matineen – es gibt jene wie letzten Sonntag, wo das Publikum ziemlich spärlich erscheint und mehrheitlich im älteren Segment anzusiedeln ist, dann gibt es jene wie diesen Samstag, wo der Saal ausserordentlich gut besetzt ist und das Publikum so durchmischt wie selten: Von den Kleinsten der Kleinen bis zu den Silberhaarigen war alles vertreten.

Das erstaunt aber nicht, denn die Luzerner wollten wohl selber herausfinden, wie ihre Stadt tönt, vielleicht auch, ob ein Amerikaner, in diesem Fall Tod Machover, wirklich in der Lage ist, diese zu verstehen und musikalisch so ertönen zu lassen, wie sie ist.

Dies hatte sich der in Boston lebende Komponist Tod Machover, der «composer in residence» des Luzerner Festspielsommers 2015 zum Ziel gesetzt. Über ein Jahr reiste er regelmässig nach Luzern und sammelte Töne für dieses klingende Stadtportrait. Er rief die Bevölkerung auf, ihm typische, bekannte, beliebte Klänge und Geräusche ihrer Stadt zuzusenden, setzte sich zusammen mit Chören, Musikern, Jodlerinnen. Er spazierte stundenlang durch die Stadt, machte Jugendliche und Kinder zu Co-Komponisten, dies mit Hilfe des von ihm geschaffenen Computerprogramms «Hyperscore». Aus all diesem zusammengetragenen Material entstand die Sinfonie für Luzern, welche nun an diesem Samstagmorgen uraufgeführt wird.

Die Bühne des KKL ist bis in die hinterste Ecke gefüllt mit Musikern. Sie spielen sich ein, eine Kakophonie von Streichern, Perkussionsinstrumenten, Bläsern, Glocken, ein paar Musiker stecken die Köpfe zusammen und lachen, eine bindet sich die Haare hoch, eine Violinistin winkt ins Publikum. Rasante Celloläufe wechseln sich mit Triangel-Geläute, ein Handy klingelt, das Publikum unterhält sich rege, ist bester Stimmung – auch so tönt Luzern!

Tod Machover, KomponistWährend einer knappen Stunde führt der Komponist Machover ins Werk ein, erklärt, wie er zu welchen Tönen, Geräuschen, Melodien gekommen ist, wie er diese verarbeitet hat. Kurze Ausschnitte werden gespielt vom Lucerne Festival Academy Orchestra unter Matthias Pintscher und auf der riesigen Leinwand hinter dem Orchester werden Fotografien gezeigt, Musiker vorgestellt, Techniken erklärt. Machover ist sichtlich und hörbar begeistert von seiner Zeit in Luzern, von der Stadt, der Bevölkerung und von der Zusammenarbeit mit dem Lucerne Festival. Das einzige, wofür sie nicht bereit gewesen seien, erklärt er lachend, seien lebende Kühe auf der Bühne.

Matthias Pintscher, DirigentEr hat alles eingearbeitet in diese Symphonie, und dank der Einführung erkennt man in diesem gewaltigen Klangstrom die verschiedenen Geräusche, Orte, Gegebenheiten auch wieder in der anschliessenden Uraufführung: die Reuss, Schritte auf Kopfsteinpflaster, Gesprächsfetzen, die Holzbalustrade der Kapellbrücke, Geplätscher diverser Brunnen Luzerns. Kuhglocken wechseln sich mit Kirchenglocken, Wolfgang Sieber gewittert auf der Orgel, die Stücke der Kinder der «Four-Forest Bilingual International School» mit Namen wie «Singing policeman», «Donkey March» und «Elevator to Pilatus» sind Teil des Ganzen geworden und als dann mit grossem Getöse auch noch die «Barfuessfäger Guuggemusig Lozärn» den Saal sozusagen von hinten aufrollt,   wird der weisse Saal zum brodelnden Musikkessel. Die beiden Chöre singen «Lozärn i ha di gärn» von der Orchestergalerie herunter, Wolfgang Sieber orgelt was das Zeugs hält, die Kirchenglocken läuten und das Orchester gibt alles.

Die Symphonie überzeugt, melodiöse Passagen, unterlegt mit Wassergeräuschen wechseln   mit jazzigen Rhythmen, da ist viel Augenzwinkern mit dabei, viel Enthusiasmus seitens des Lucerne Festival Academy Orchestras unter Matthias Pintscher und das Ganze endet so, wie es begonnen hat: mit dem sphärischen Klang einer Klangschale des Hotels Palace.

Wer Luzern so liebt, wer so begeistert musikalisch davon erzählt, der wird auch von den Luzernen geliebt. Der letzte Ton ist kaum verklungen, steht bereits der ganze Saal und feiert die Interpreten und den Komponisten frenetisch.   Dieser strahlt und scheint sichtlich zufrieden mit sich, der Welt, Luzern und seiner Sinfonie für diese Stadt.

 

Weitere Infos zu diesem Projekt unter

sinfoniefuerluzern.ch/de/

Text: www.gabrielabucher.ch

 

Fotos: www.lucernefestival.ch

 

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