Pin It

Luzerner Theater Dantons Tod Drama von Georg BüchnerProduktionsteam
Andreas Herrmann Inszenierung
Max Wehberg Bühne
Catherine Voeffray Kostüme
Erik Altorfer Dramaturgie

Besetzung

Christian Baus Georg Danton, Judith Cuénod Lacroix, Jörg Dathe Herrmann/Marion/Eine Frau, Julia Doege Robespierre, Hans-Caspar Gattiker Philippeau, Wiebke Kayser St. Just/Julie, Lilli Lorenz Legendre/Lucile, Bettina Riebesel Thomas Payne/Ein Mann, David Michael Werner Camille Desmoulins Timo Huser – Tambourenjunge

Rezension:

Ein relativ unspektakuläres, dafür umso effektvolleres Bühnenbild präsentierte sich den Besuchern der Première. Vor dem eigentlichen Beginn der Aufführung wirbelte ein Tambourjunge auf seiner Trommel, fast ein wenig bedrohlich und kriegerisch wirkend. Kriegerisch und blutig waren ja auch diese Zeiten, als Danton und die andern Figuren von Büchners Drama das gesamte Weltgeschehen beeinflussten und in andere Bahnen lenkten. Symbolisch dafür die auf der Bühne platzierte halbe, sich drehende Erdkugel, auf denen die Schauspieler agierten, sich mal hinlegten, herumliefen und dabei auch mal abrutschten, sich wieder aufrafften um erneut in den Weltenlauf zurückzukehren, ihn zu beeinflussen. Da der Krieg damals ja nicht von aussen kam, sondern untereinander in Form eines brutalen Bürgerkrieges wütete, waren alle Protagonisten in irgend einer Art und Weise mal Verbündete, Todfeinde, gar vermeintliche Totengräber der eben erst errungenen Privilegien der Revolution, von „Liberté, Egalité und Fraternité“, die als solche erst. über 50 Jahre später, unter Napoleon III., zu deren Parole erklärt wurde.

 

Messerscharfe, besser Guillotinen scharfe Dia- und Monologe prägen dieses Drama, das Georg Büchner in sehr jugendlichem Alter knapp 50 Jahre nach den tatsächlichen Ereignissen verfasste. Eine Art „Stück im Stück“ flocht die Dramaturgie mit den, teils in sächsischem Dialekt rezitierten Dialogen durch Bettina Riebesel (ein Mann) und Jörg Dathe (eine Frau) in auflockernder und sehr aktueller, auf heutige Vorkommnisse bezugnehmende, Weise ein. Damals wie heute wurden Rechte von den Machthabern, Despoten, Regierenden eingefordert für den Normalsterblichen, wodurch die Parole „Wir sind das Volk“ wieder zurechtgerückt wird im historischen Kontext der Volksaufstände und Massendemonstrationen. Damals wie heute war man sich auch unter den Revoltierenden nicht immer eins, was denn der richtige Weg sei, um die angestrebten Ziele zu erreichen.

Der durch seine Freunde immer wieder auf das drohende Unheil angesprochene Danton fühlte sich, als einer der massgeblichen Anführer der Revolution und späteren Vorsitzenden der Jakobiner, als relativ unantastbar und wähnt sich in trügerischer Sicherheit, selbst als absehbar war, dass eine Anklage gegen ihn erhoben würde, die Messer für ihn schon gewetzt, respektive die Klingen des von Dr. Guillotin erfundenen Massenhinrichtungsinstrument schon geschärft waren. Es kam dann, wie hinlänglich bekannt, zu dieser historischen Anklage vor der, von Danton mitbegründeten, Nationalversammlung, die massgeblich von seinem früheren Mitstreiter, seinem Nachfolger als Chef der Jakobiner und jetzigem Hauptgegenspieler und Hauptverantwortlicher für die Terreur von 1793/94, Maximilien Marie Isidore de Robespierre, genannt „Der Unbestechliche“, geprägt war. Ebendieser Robespierre wird eher fast diskret konziliant geschmeidig und nicht so bedrohlich furchterregend dargestellt durch Julia Doege. Überzeugend einmal mehr alle Akteure, die oftmals einzeln, zu zweit oder in Gruppen philosophierten und Fragen stellten, wie z.B. ob die Moral aus Gott entstanden, oder vielmehr Gott durch die Moral entstanden sei, dass Revolutionen schon immer lange gedauert hätten, wie das Beispiel von Moses zeige, der jahrelang mit seinem Volk durch die Gegend und die Wüste gezogen sei, auch ein Meer durchqueren musste, bis sie ihr Ziel endlich erreicht hatten, aber dort bis zum heutigen Tag doch noch nicht in Ruhe und Frieden leben könnten.

Die Protagonisten erhielten zwischendurch auch mal Szenenapplaus des sichtlich faszinierten und berührten Publikums.

Die Verhandlung:

Grossartig wie Wiebke Kayser als St. Just auf der sich, an Seilen fixierten sich anhebenden, Welthalbkugel stehend (symbolträchtig in eine blutrotes Gewand gehüllt), die anklagende Brandrede gegen Danton vor der Nationalversammlung in den Raum schleuderte, den ehemaligen Chef der Jakobiner des Hochverrats und der Konspiration mit den Feinden der Revolution bezichtigte und seine ultimative Verurteilung durch die, parteiisch ausgewählten, Geschworenen einforderte.

Höhepunkt dieser Sequenz die Intonation der „Marseillaise“, damals eine der diversen Revolutionshymnen, die dann später, genauer, am 14. Juli 1795 zur französischen Nationalhymne erklärt wurde. Begleitet durch bombastische Orgelklänge sang sich Wiebke Kayser auf der Welthalbkugel in die Höhe, eingetaucht in die Farben der „Tricolore“, ein akustischer und visueller Fanal auch an den vom aussen nach Paris gebrachten Terror des letztjährigen Novembers.

Daraufhin las uns ein junges Mädchen die Leviten in Form des Zitierens der Artikel der am 26. August 1789 von der französischen Nationalversammlung verkündeten Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen), die in leicht modifizierten Formen noch heute in den Verfassungen jeder legitimierten modernen Demokratie stehen. Sie tat dies sehr engagiert, emotional und entliess daraufhin ein ziemlich nachdenklich beeindrucktes Publikum in die Pause, den Artikel 1 (Die Menschen (Männer) werden frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es) in den Gedanken nachhallend.

 

Nach der Pause die Geschichte weitergesponnen bis zum bitteren Ende, dem ein keiner entrinnen konnte, wie man heute weiss. Ein in jeder Hinsicht überzeugender, packender und aufwühlender Schauspielabend, ganz grosses Theater im „Haus an der Reuss“. Die Akteure, durften sich dann auch einen kräftigen Applaus abholen, sich lange daran erfreuen und baten auch noch das Produktionsteam auf die Bühne um auch diese, meistens „Unsichtbaren“, am verdienten Künstlerlohn teilhaben zu lassen.

Dantons Tod | Luzerner Theater (Official Trailer)

www.youtube.com/watch?v=JkuMT_T8ZZo


Kleine Fotodiashow von Toni Suter www.ttfoto.ch/ www.luzernertheater.ch und Wikipedia

fotogalerien.wordpress.com/2016/02/14/luzerner-theater-dantons-tod-drama-von-georg-buechner/

Text: leonardwuest.ch

Fotos: www.luzernertheater.ch Toni Suter/ T+T Fotografie

Homepages der andern Kolumnisten: www.marvinmueller.ch  www.irenehubschmid.ch

www.gabrielabucher.ch  Paul Ott:www.literatur.li

Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst