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Filarmónica Joven de Colombia

Konzertimpression von Vanessa Bösch

Besetzung und Programm:

FILARMÓNICA JOVEN DE COLOMBIA
ANDRÉS OROZCO-ESTRADA * Leitung
HILARY HAHN * Violine

PROGRAMM
FELIX MENDELSSOHN-BARTHOLDY
Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64

DMITRI SCHOSTAKOWITSCH
Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47

WOLFGANG DAVID ORDOÑEZ PEÑA Travesía. Fanfarria y Pajarillo

Ein Klangabenteuer mit Wolfgang David Ordoñez Peña: Travesía, Fanfarria y Pajarillo

Die Filarmonía Joven de Colombia, unter der mitreißenden Leitung von Andrés Orozco Estrada, präsentierte eine faszinierende musikalische Reise mit dem Werk “Travesía, Fanfarria y Pajarillo” des kolumbianischen Komponisten Wolfgang David Ordoñez Peña, ein klangliches Abenteuer, das das Publikum auf vielfältige Weise begeisterte.

Einführung in Wolfgang David Ordoñez Peña’s Klangwelt: Travesía

Konzertimpression von Vanessa Bösch
Konzertimpression von Vanessa Bösch

Die Konzerthalle erfüllte sich mit Spannung, als Orozco Estrada den Taktstock hob und das Orchester die Reise in die faszinierende Klangwelt von Wolfgang David Ordoñez Peña begann. “Travesía” entfaltete sich als ein beeindruckendes Stück, das mit einer Mischung aus melodischen Linien, rhythmischer Komplexität und harmonischer Raffinesse beeindruckte. Eingesetzt wurde auch Schlagwerk, das in Südamerika auch für Volksmusik Usus ist, so Maraca. Auch das  Xylophon stach immer wieder hervor. Die Filarmonía Joven de Colombia tauchte tief in die vielschichtigen Facetten dieses Werks ein und setzte jede musikalische Nuance mit Präzision und Leidenschaft um.

Fanfaren der Leidenschaft: Fanfarria

Der Übergang zur “Fanfarria” war wie ein musikalischer Weckruf. Die Fanfare, gespielt mit beeindruckender Präzision, verlieh dem Saal eine festliche Atmosphäre. Orozco Estrada führte das Orchester mit Energie und Begeisterung, während die Musiker die dynamischen Kontraste und die strahlende Klangpracht der Fanfare zum Leben erweckten. Die Komposition zeigte Ordoñez Peña’s Fähigkeit, traditionelle Elemente mit zeitgenössischer Vitalität zu verbinden.

Pajarillo: Kolumbianische Folklore im Orchesterklang

“Pajarillo” führte das Publikum auf eine tiefgreifende kulturelle Reise durch Kolumbien. Die Verbindung von Orchester und kolumbianischer Folklore war meisterhaft gelungen. Die Rhythmen und Melodien des Pajarillo, einem traditionellen kolumbianischen Tanz, durchzogen den Saal und entfachten eine lebendige Atmosphäre. Die Filarmonía Joven de Colombia interpretierte die folkloristischen Elemente mit Respekt und zugleich mit einer erfrischenden Modernität.

Die Virtuosität der Filarmonía Joven de Colombia: Technische Brillanz und klangliche Vielfalt

Das Orchester beeindruckte nicht nur durch seine musikalische Sensibilität, sondern auch durch seine technische Brillanz. Orozco Estrada lenkte die Filarmonía Joven de Colombia durch die komplexen Strukturen von Ordoñez Peña’s Kompositionen, wobei jedes Instrumentalensemble seine klangliche Vielfalt in vollem Glanz präsentierte. Die Streicher lieferten warme und nuancierte Klänge, die Holzbläser setzten farbenfrohe Akzente, und die Blechbläser brachten kraftvolle Fanfaren hervor – ein harmonisches Zusammenspiel auf höchstem Niveau.

Dynamik und Ausdruck: Orozco Estradas Dirigierkunst

Filarmónica Joven de Colombia
Filarmónica Joven de Colombia

Die Dirigierkunst von Andrés Orozco Estrada erwies sich erneut als mitreißend und inspirierend. Seine Fähigkeit, das Orchester durch die unterschiedlichen Stimmungen von “Travesía, Fanfarria y Pajarillo” zu führen, war beeindruckend. Von leisen, introspektiven Momenten bis hin zu kraftvollen Ausbrüchen behielt Orozco Estrada die Kontrolle über die Dynamik, wodurch das Publikum in den Bann der musikalischen Erzählung gezogen wurde.

Fazit: Eine klangliche Entdeckungsreise

Das Konzert mit Wolfgang David Ordoñez Peña’s “Travesía, Fanfarria y Pajarillo” war zweifellos eine klangliche Entdeckungsreise. Die Filarmonía Joven de Colombia und Andrés Orozco Estrada lieferten eine mitreißende Interpretation, die die Vielfalt und kulturelle Tiefe der kolumbianischen Musik feierte. Die Komposition basiert auf dem “Joropo”, einem populären venezolanischem Tanz und Musikstil (auch Música Llanera), der vor ca. 300 Jahren in den Llanos entstand und so wirbelten die Töne und Schläge bunt und lebensfreudig durch den Berner Casinosaal, ganz zur Freude des Publikums, das nicht mit entsprechendem Applaus geizte.

FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64

Einführung in die Romantik: Orozco Estradas leidenschaftliche Dirigierkunst

Andrés Orozco-Estrada Leitung
Andrés Orozco-Estrada Leitung

Die Konzerthalle füllte sich mit erwartungsvoller Stille, als Solistin Hilary Hahn zusammen mit Dirigent Andres Orozco Estrada die Bühne betrat. Die leidenschaftliche Dirigierkunst des gebürtigen Kolumbianers Orozco Estrada wurde unmittelbar spürbar, als er die Spannung in der Luft aufbaute. Die Filarmonia Joven de Colombia, bestehend aus talentierten jungen Musikern, antwortete mit einer beeindruckenden Präzision und einem harmonischen Zusammenspiel. Orozco Estrada führte das Orchester durch die fein nuancierten Passagen von Mendelssohns Werk und verlieh jedem Abschnitt eine eigene dynamische Intensität.

Hilary Hahns virtuose Interpretation: Technische Brillanz und emotionale Tiefe

Hilary  Hahn Solistin Violine
Hilary Hahn Solistin Violine

Die Bühne erstrahlte, als Hilary Hahn in das Geschehen eingriff. Schon die ersten Töne verzauberten das Publikum. Hahns Spiel zeugte von technischer Brillanz, während sie gleichzeitig eine beeindruckende emotionale Tiefe in jede Phrase einfließen ließ. In Mendelssohns Violinkonzert fand sie einen perfekten Ausdruck für ihre künstlerische Sensibilität. Ihre Virtuosität in den anspruchsvollen Passagen verschmolz nahtlos mit der orchestralen Begleitung, wobei sie die zarten Melodien ebenso meisterhaft beherrschte wie die kraftvollen Tutti-Passagen.

Mendelssohns Meisterwerk: Ein Sturm der Gefühle

Die magische Atmosphäre erreichte ihren Höhepunkt, als das Orchester und Hahn gemeinsam in die dramatischen Passagen des zweiten Satzes eintauchten. Das Konzert für Violine und Orchester op. 64, ein Spiegelbild der romantischen Sturm-und-Drang-Ära, faszinierte durch seine wechselnden Stimmungen. Von zarten lyrischen Momenten bis zu stürmischen Ausbrüchen schuf Mendelssohn eine reichhaltige Klangpalette, die von Solistin Hahn,Orozco Estrada und der Filarmonia Joven de Colombia meisterhaft präsentiert wurde.

Dynamik und Präzision: Orchester in Bestform

In den schnellen Sätzen des Konzerts bewies das orchester nicht nur seine technische Versiertheit, sondern auch die beeindruckende Fähigkeit zur dynamischen Gestaltung. Orozco Estrada navigierte das Orchester mit Präzision durch die raschen Wechsel der Tempi, wobei jede Gruppe von Instrumenten ihre eigene Rolle mit Bravour spielte. Die Holzbläser strahlten in den lyrischen Passagen, die Blechbläser setzten kraftvoll Akzente, und die Streicher lieferten eine klangliche Vielfalt, die das Publikum in ihren Bann zog.

Begeisternder Schlussakkord

Konzertimpression von Vanessa Bösch
Konzertimpression von Vanessa Bösch

Die Schlussakkorde hallten durch den Konzertsaal, und das Publikum brach in tosenden Applaus aus. Orozco Estrada, Hilary Hahn und die Filarmonia Joven de Colombia ernteten langanhaltende Ovationen für ihre herausragende Leistung. Die emotionale Tiefe, die technische Brillanz und die harmonische Zusammenarbeit zwischen Solistin und Orchester machten das Werk Mendelssohns zu einem aussergewöhnlichen Erlebnis. Die Kombination aus Orozco Estradas leidenschaftlicher Dirigierkunst, Hahns virtuosem Violinspiel und dem beeindruckenden Können des jugendlichen Orchesters schuf einen unvergesslichen Abend. Mendelssohns Konzert für Violine und Orchester wurde in all seiner Pracht und Emotionalität zum Leben erweckt, und das Publikum erlebte die Magie der Musik in ihrer reinsten Form.

DMITRI SCHOSTAKOWITSCH Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47

Grundsätzliches zum Werk

Das Werk ist viersätzig wie eine romantische Sinfonie, einfach aufgebaut mit Rückgriffen auf altbekannte formale Vorbilder, zum Beispiel die Sonatensatzform oder die Scherzo Form. Und: Sie führt, wie man das seit Beethoven kannte, «vom Dunkel ins Licht», «per aspera ad astra». Der erste Satz ist ein typisch Schostakowitsch er Sonatensatz, mit einer dramatischen, kraftvollen, marschartigen Durchführung, die allerdings auch ihre grotesken Masken hat. Der zweite Satz ist ein
beliebtes Scherzo. Der dritte, langsame Satz, wird gemeinhin als das
Zentrum des Werkes aufgefasst. Es ist ein sehr nachdenklicher Satz,
der für russische Kommentatoren klare Trauerthemen enthält, wobei
bezeichnenderweise die für russische Beerdigungen charakteristischen
Blechbläser in diesem Satz fehlen; in der Tat bäumt sich der Satz zu
einem gewaltigen emotionalen Tremolo-Höhepunkt auf. Völliger Gegensatz
dazu ist der abrupte, laute Beginn des Finales. Es ist eine leichte
Abwandlung des Marschthemas des ersten Satzes in der Vierten
Sinfonie. Das Finale bietet einen ruhigeren Mittelteil, indem
Schostakowitsch ein Eigenzitat hinein “schmuggelt”. Es sind dies Zeilen aus dem
Pushkin-Gedicht “Wiedergeburt”, das Schostakowitsch direkt zuvor vertont
hatte; in diesen Worten spricht der von der Macht gebeutelte
Künstler. Direkt im Anschluss beginnt die mächtige anschließende Coda
mit ihrem zweifelhaft optimistischen Schluss.
Das Licht, die Erlösung, ist der Schluss: ein glorioser Marsch, mit fortissimo schabenden Geigen, donnernden Pauken, jaulendem Blech. Den Jubel hat Schostakowitsch derart inszeniert, dass es schon fast wehtut. Ätzend, diese Lautstärke, erbarmungslos, diese Achtel, geschunden, die Membran der Pauke unter diesen Quarten-Schlägen.

Ein Trip, den Du ohne Drogen antreten kannst

Konzertimpression von Vanessa Bösch
Konzertimpression von Vanessa Bösch

Das Orchester und der Dirigent nehmen uns mit auf eine packende Reise durch die Partitur, die eigentlich schlicht unbeschreiblich ist, zu sehr wühlt diese Interpretation auf. Ob Bläser, Streicher, Schlagwerk, Harfe, Triangel, ob piano, Mezzo oder forte, jede Nuance sitzt, jeder Ton, jedes Tempo, die Streicher  ob gestrichen oder gezupft, ob die Bläser sich leicht über die Streicher schwingen oder Tragik und Schmerz schmetternd äussern, die Paukisten mal, sprichwörtlich, so richtig auf die Pauke hauen dürfen. Du weißt nicht, ist das nun schmerzhaft, oder freudig, sogar, am wahrscheinlichsten, schmerzhafte Freude. Nicht nur das Publikum ist gepackt, nein, man sieht auch den Musikern an, wie sie sich freuen, leiden, an – und entspannen, sich dem akustischen Orgasmus entgegenspielen, das Auditorium auf den Trip mitnehmen. Der kontinuierliche Spannungaufbau explodiert nach dem letzten Ton in einer wahren Applausexplosion, Bravorufen und einer langen stehenden Ovation.

Aussergewöhnlich, dass die Darbietenden die Sinfonie auf eine gewisse Art szenisch vortrugen, indem sie mimisch, durch Gesten mit dem Kopf usw. den Druck und den Schmerz ausdrückten, die der Komponist zur Zeit der Entstehung der Sinfonie durchlebte.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: Vanessa Bösch und  http://www.migros-kulturprozent-classics.ch/  

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Hilary Hahn Solistin Violine

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