Wimpernverlängerung, Lidstrich-Tattoo & Co: So gefährlich können kosmetische Prozeduren fürs Auge sein
Morgens aufwachen und sofort perfekt geschminkt aussehen? Mit diesem
Versprechen werben Anbieter von Permanent Make-up und Wimpern-Extensions,
die einen Boom erleben. Doch Lidstrich-Tattoos und Wimpernverlängerungen
sind nicht vollkommen unbedenklich für die Augengesundheit. Ekzeme und
Entzündungen, Infektionen, Wimpernverlust und Trockenes Auge zählen zu den
unerwünschten Komplikationen, die häufiger auftreten.
Eine Expertin der
Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft e.V. (DOG) klärt auf, mit
welchen Nebenwirkungen zu rechnen ist, wann man nach dem Kosmetik-Studio
besser auch eine Augenärztin oder einen Augenarzt aufsucht und von welchen
Prozeduren am Auge unbedingt abzuraten ist.
Die globale Augen-Make-up-Industrie floriert. Nach Schätzungen von
Analysten wird der weltweite Umsatz im Jahr 2028 bei mehr als 23
Milliarden Dollar liegen und von den Produkten Mascara, Eyeliner und
Lidschatten dominiert.1 Doch viele Frauen wollen nicht mehr täglich
Wimperntusche oder Lidstrich neu auftragen und ziehen längerfristige Make-
up-Lösungen vor – etwa in Form von Wimpernverlängerungen („Extensions“)
oder Lidstrich-Tätowierungen. Solche kosmetischen Behandlungen, die von
Kosmetikstudios und Make-up-Artists angeboten werden, sind jedoch nicht
unbedenklich. „Sie können zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen, dessen
muss man sich bewusst sein“, sagt Professorin Dr. med. Elisabeth M.
Messmer von der Augenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Nebenwirkungen bei Wimpernverlängerung
So können Wimpernverlängerungen akute, aber auch chronische Nebenwirkungen
auslösen. „Zu den häufigsten akuten Störungen zählt das
behandlungsbedürftige allergische Kontaktekzem am Lidrand, meist ausgelöst
durch den verwendeten Klebstoff“, berichtet die DOG-Expertin. Auch
infektiöse Entzündungen des Lidrands und der Bindehaut würden beobachtet.
„Ein langfristiger negativer Effekt ist die Verkalkung der Wimpernbasis
sowie der Verlust von eigenen Wimpern durch eine Verletzung am
Haarschaft“, so Messmer. Schwerwiegende Nebenwirkungen wie eine
Hornhauterosion oder eine Infektion der Hornhaut seien selten. Unbedingt
zu bedenken: Wimpern-Extensions können während kleinerer Eingriffe am
Auge, bei denen zur Blutstillung mit Hitze gearbeitet wird, in Flammen
aufgehen.2 „Sie müssen daher vor einer Augenoperation entfernt werden“,
betont Messmer.
Komplikationen bei Lidstrich-Tattoo
Wer sich einen Lidstrich als Tattoo stechen lässt, muss nach der
Behandlung mit Lidschwellungen und -rötungen rechnen – diese Folgen sind
nach Tätowierungen normal und klingen in der Regel nach Stunden bis Tagen
wieder ab. „Es können aber auch allergische Reaktionen in Form von Ekzemen
auftreten oder langwierige Entzündungen“, zählt Messmer auf. „Auch
Infektionen mit Staphylokokken, Streptokokken, Hepatitis und HIV sind
beschrieben, vor allem bei unhygienischem Arbeiten.“ Untersuchungen zeigen
ferner, dass Lidstrich-Tattoos längerfristig die Talgdrüsen des Lidrandes
schädigen, die für den öligen Tränenfilm verantwortlich sind, und somit zu
einem Trockenen Auge führen können; Tattoos stehen außerdem im Verdacht,
Schuppenflechte und Neurodermitis zu verschlechtern. Zu den weiteren
vermeidbaren Komplikationen gehören chemische Verätzungen und mechanische
Verletzungen im Bereich des Auges durch die Behandelnden.
Toxischer Pigmente-Mix
„All dies sollte man vor einer Behandlung bedenken“, meint Messmer. Die
DOG-Expertin weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass keine
Berufsausbildung zur Kosmetikerin erforderlich ist, um sich im Bereich
Permanent Make-Up selbständig zu machen. „Schulungen umfassen oft nur
wenige Tage, anschließend erhalten die Absolventen ein Zertifikat, das die
Qualifikation offiziell bestätigt“, berichtet die Augenexpertin. Und auch,
wenn Einmal-Nadeln verwendet und Farben von vertrauenswürdigen Herstellern
bezogen werden, enthalten moderne Tattootinten Pigmente mit Bestandteilen
wie Antimon, Cadmium, Eisen, Chrom, Cobalt, Nickel und Arsen. „Es handelt
sich bei Tattoo-Tinten somit um potenziell äußerst toxische Substanzen“,
stellt Messmer fest.
Gefährliche Treatments: Weißfärbung und Augapfel-Tattoo
Die DOG-Expertin rät von Wimpernverlängerung und Lidstrich-Tattoo daher
ab. „Vor drei weiteren kosmetischen Prozeduren an der Binde- und Hornhaut
ist aus augenärztlicher Sicht sogar dringend zu warnen“, betont Messmer.
Dazu zähle die I-Brite-Prozedur, eine Behandlung, die eine komplette
Weißfärbung bei chronisch geröteter Bindehaut verspricht. „I-Brite kann
schwerste Komplikationen wie Geschwüre der Horn- und Bindehaut, Ausdünnen
der Lederhaut oder eine Schädigung der Augenmuskeln mit Doppeltsehen
auslösen“, erläutert Messmer. Ebenso warnt die DOG-Expertin vor Augapfel-
Tattoos, bei denen die gesamte weiße Bindehaut farbig tätowiert wird.
„Nach dieser Form des Tattoos wurden Verletzungen beschrieben, die zum
Augenverlust führten“, so Messmer.
Hände weg von der Keratopigmentierung
Neuerdings lässt sich sogar der Wunsch erfüllen, die Augenfarbe zu ändern
– mittels Keratopigmentierung. Dabei macht der Augenchirurg einen
Laserschnitt, klappt die vordere Schicht der Hornhaut um und bringt
ringförmig Farbpigmente in die mittlere Hornhautschicht ein. Nach diesem
Eingriff wurden nicht nur Probleme mit der Farbpigmentierung beklagt. „Es
wurden auch funktionelle und anatomische Probleme berichtet wie störende
Lichtempfindlichkeit, Reduktion von Kontrastwahrnehmung, Verlust von
Endothelzellen der Hornhaut, Trockenes Auge, Bildung von Gefäßen und
behandlungsbedürftige Aussackungen an der Hornhaut“, sagt Messmer.
Inzwischen warnt auch die American Academy of Ophthalmology, der weltweit
größte Verband von Augenärztinnen und Augenärzten, vor diesem Verfahren zu
kosmetischen Zwecken.
Alarmzeichen ernst nehmen
In jedem Fall sollte man Alarmzeichen nach einer kosmetischen Prozedur am
Auge ernst nehmen. „Wenn Lid- oder Augenrötung länger als wenige Tage
anhalten, sollte man umgehend eine Augenärztin oder einen Augenarzt
aufsuchen“, empfiehlt die DOG-Expertin. „Das gilt auch für Schmerzen nach
der Prozedur oder eine Sehbeeinträchtigung.“
Quellen:
1 Sullivan DA, da Costa AX, Del Duca E, Doll T, Grupcheva CN, Lazreg
S et al. TFOS Lifestyle: Impact of Cosmetics on the Ocular Surface. Ocul
Surf. 2023;29:77–130. doi:10.1016/j.jtos.2023.04.005
2 Michaels JPS et al. Ophthal Plast Reconstr Surg 2024; 30: e61-62
Weitere Literatur:
• Trinade BLC et al. Cosmetic Therapeutic Keratopigmentation. Clin
Ophthalmol 2025; 19: 527-34
• Alio JL et al. Keratopigmentation to change the apparent color of
the human eye. Cornea 2016; 35: 431-7
• D’Oria F et al. Cosmetic change of the apparent color of the eye:
a review... Ophthalmol Ther 2022; 11: 465-77
• Nouzovska K et al. Corneal Ectasia following cosmetic
keratopigmentation. Cornea 2024; NOV 7: Online ahead of print
• Islam PS, Chang C, Selmi C, Generali E, Huntley A, Teuber SS,
Gershwin ME. Medical Complications of Tattoos: A Comprehensive Review.
Clin Rev Allergy Immunol. 2016 Apr;50(2):273-86. doi:
10.1007/s12016-016-8532-0. PMID: 26940693.
• Laux P, Tralau T, Tentschert J, Blume A, Dahouk SA, Bäumler W,
Bernstein E, Bocca B, Alimonti A, Colebrook H, de Cuyper C, Dähne L, Hauri
U, Howard PC, Janssen P, Katz L, Klitzman B, Kluger N, Krutak L, Platzek
T, Scott-Lang V, Serup J, Teubner W, Schreiver I, Wilkniß E, Luch A. A
medicaltoxicological view of tattooing. Lancet. 2016 Jan
23;387(10016):395-402. doi: 10.1016/S0140-6736(15)60215-X. Epub 2015 Jul
23. PMID: 26211826.
• Lee YB, Kim JJ, Hyon JY, Wee WR, Shin YJ. Eyelid Tattooing Induces
Meibomian Gland Loss and Tear Film Instability. Cornea. 2015
Jul;34(7):750-5. doi: 10.1097/ICO.0000000000000452. PMID: 25933400.
• Amano Y, Sugimoto Y, Sugita M. Ocular disorders due to eyelash
extensions. Cornea. 2012 Feb;31(2):121-5. doi:
10.1097/ICO.0b013e31821eea10. PMID: 22134404.
• Masud M, Moshirfar M, Shah TJ, Gomez AT, Avila MR, Ronquillo YC.
Eyelid Cosmetic Enhancements and Their Associated Ocular Adverse Effects.
Med Hypothesis Discov Innov Ophthalmol. 2019 Summer;8(2):96-103. PMID:
31263720; PMCID: PMC6592309.