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Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat eine humanitäre Krise
ausgelöst. Über die Kriegshandlungen und das Leid der Menschen vor Ort
hinaus drohen Ernteausfälle in der Ukraine. Exportbeschränkungen Russlands
werden die Weltmarktpreise für zahlreiche Agrarprodukte zudem weiter in
die Höhe treiben. Beide Länder zählen zu den wichtigsten Exporteuren von
Weizen und Sonnenblumenöl. In Ländern, die bereits jetzt auf
Nahrungsimporte oder Hilfslieferungen angewiesen sind, kann eine weitere
Preissteigerung katastrophale Folgen haben und das Problem von Hunger und
Mangelernährung drastisch verschärfen.

Es ist daher unerlässlich, dass die Europäische Union auf die drohende
globale Nahrungsmittelkrise mit Vorschlägen für den europäischen Agrar-
und Ernährungssektor reagiert. Der derzeitige Diskurs der Europäischen
Union, bereits vereinbarte Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz zugunsten
von Produktionssteigerungen auszusetzen, ist mit Blick auf die notwendigen
Klima- und Biodiversitätsschutzziele bedenklich. Denn auch der Klimawandel
und der Verlust von Biodiversität stellen Krisen dar, welche die
Ernährungssicherheit von Millionen von Menschen schon jetzt und
mittelfristig weiter zunehmend massiv bedrohen.

Mehre wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Organisationen haben
bereits ihre Sorge darüber geäußert, welche negativen Folgen die Rücknahme
der vereinbarten Umweltschutzmaßnahmen hätte. Das ZALF schließt sich
dieser Einschätzung nachdrücklich an. Darunter fallen insbesondere die
geplante Wiedernutzung ökologischer Stilllegungsflächen sowie eine
Verzögerung oder ein Stopp eines europäischen Renaturierungsgesetzes und
eine Verzögerung der im Rahmen der „Farm2Fork“-Strategie festgelegten
Reduktionsziele, etwa beim Pflanzenschutz.

Gleichzeitig unterstützt das ZALF stattdessen alternative Maßnahmen.
Hierzu zählen:

•       die Bereitstellung weiterer finanzieller Mittel für das
Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen;

•       eine Abkehr von der Nutzung von Agrarflächen für die
Treibstoffproduktion;

•       die Diversifizierung der Anbausysteme zur Reduktion der
Ausbringung von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln;

•       die Verringerung des Fleischkonsums;

•       die Reduzierung der Tierbestände für ein klimafreundliches Agrar-
und Ernährungssystem;

•       der weitere Ausbau einer auf nachwachsenden Rohstoffen basierenden
Bioökonomie zur Substitution von auf fossilen Rohstoffen basierenden
Produktionsmitteln und Produkten insbesondere im Bereich der
verarbeitenden Industrie und Pharmazie. Die hierfür benötigen Flächen sind
vergleichsweise gering. So entsteht keine Konkurrenz zur
Nahrungsmittelproduktion.

Das ZALF bekennt sich ausdrücklich zu einer aus wissenschaftlicher Sicht
notwendigen zügigen Transformation der Agar- und Ernährungssysteme, die
naturbasierte und technologische Innovationen in der Produktion ebenso
einbezieht wie Änderungen in den Ernährungsgewohnheiten und eine
verbesserte Kreislaufwirtschaft. Für einen Aufschub dieser Transformation
mit dem Ziel der Produktionssteigerung bleibt keine Zeit mehr.

Originalpublikation:
https://www.zalf.de/de/aktuelles/Seiten/DIR/Stellungnahme-Ukraine-
Krieg.aspx