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Wirtschaftswissenschaftler:innen schlagen einen Zoll auf Öl- und
Gasimporte aus Russland in die EU vor, um die Kriegskosten für das Regime
in Moskau zu erhöhen und zugleich den Schaden für die europäische
Wirtschaft gering zu halten / Veröffentlichung eines „Letter“ in der
Fachzeitschrift „Science“

Ein Zoll auf russische Energieimporte könnte der EU als Hebel dienen, um
die russischen Einnahmen aus dem Energiegeschäft zu reduzieren und
flexibel auf die Vorgehensweise Moskaus in der Ukraine reagieren zu
können. Das schlagen Ökonominnen und Ökonomen des europäischen Think Tanks
Bruegel, der Harvard-Universität und der Universität zu Köln in einem
„Letter“ an die wissenschaftliche Fachzeitschrift Science und in einem
Arbeitspapier vor. Einer der Autoren ist der Kölner Energie- und
Marktdesign-Experte Professor Dr. Axel Ockenfels.

Russland ist der größte Energieexporteur der Welt. Das Land bezieht aus
dem Energiegeschäft den Großteil seiner harten Devisen, die die russische
Wirtschaft und die Regierung Putins stützen. Die Europäische Union ist der
größte Energieabnehmer: sie bezieht 75 Prozent der russischen Gas- und 50
Prozent der Ölexporte. Da die Energielieferungen an die Infrastruktur aus
Pipelines und Terminals gebunden sind, könnte Russland im Falle eines
europäischen Energieembargos nicht schnell und flexibel neue Abnehmer
finden – etwa Indien oder China. In den Wirtschaftswissenschaften spricht
man in einem solchen Fall von einem unelastischen Angebot.

Doch auch die EU-Staaten brauchen Zeit, um sich aus ihrer Abhängigkeit von
russischer Energie zu lösen. In diesem Kontext schlägt das Team flexible
Importzölle vor. Diese würden die Energieeinnahmen Russlands reduzieren –
ohne notwendigerweise den Energiezufluss zu stoppen. Zudem wäre es
leichter für die EU-Mitgliedsstaaten, sich auf eine solche Maßnahme zu
einigen als auf einen Importstopp.

„Ein großer Vorteil des Importzolls ist, dass er flexibel und strategisch
an die wirtschaftliche und politische Dynamik des Konflikts angepasst
werden kann“, sagt Professor Dr. Ockenfels. „Auch darüber hinaus, für die
mittel- und langfristigen Bemühungen um mehr Unabhängigkeit von russischen
Energielieferungen, könnte ein Importzoll wertvolle Dienste leisten.“
Verschiedene Möglichkeiten, wie das Risiko russischer Vergeltungsmaßnahmen
bei Einführung eines Importzolls verringert werden kann, hat Ockenfels mit
zwei Koautoren zuvor in einer Korrespondenz für die Fachzeitschrift
„Nature“ beschrieben.

Um ihre Position zu stärken, müsse die EU jedoch ihre Energienachfrage
auch kurzfristig elastischer gestalten. Dazu braucht es den Autorinnen und
Autoren zufolge mehr Anstrengungen, um Öl und Gas als Energieträger durch
alternative Quellen zu ersetzen und die Nachfrage zu reduzieren. Durch
eine mutige Energiestrategie könne Europa Russland jedoch glaubhaft die
finanzielle Grundlage für seinen Krieg gegen die Ukraine entziehen.

Veröffentlichungen:

„Letter“ in Science:
http://www.science.org/doi/10.1126/science.abq4436

„Correspondence“ in Nature:
https://www.nature.com/articles/d41586-022-01008-3

Arbeitspapier des Think Tanks Bruegel:
https://www.bruegel.org/2022/04/cutting-putins-energy-rent-smart-
sanctioning-russian-oil-and-gas-2