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Neue Analysen des BiB und bisherige Befunde zu den Wirkungen der
Staatsangehörigkeitsreform von 1999 aus Sicht der Bildungsforschung

30 Prozent der in Deutschland lebenden Kinder haben mindestens ein
Elternteil mit eigener Migrationserfahrung. Auch ein Teil von ihnen würde
von der derzeit diskutierten Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes
profitieren. Analysen zu den Wirkungen früherer Reformen des
Staatsangehörigkeitsrechts geben nämlich Hinweise darauf, dass die
Einführung des Geburtsortsprinzips beim Erwerb der Staatsangehörigkeit die
Bildungschancen der davon betroffenen Kinder begünstigt hat. So zeigen
neue Berechnungen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB),
dass sich mit dem Erlangen der deutschen Staatsangehörigkeit bei Geburt
sowohl Bildungserwartungen als auch schulische Leistungen von Kindern
ausländischer Eltern erhöhen können. Erwartungen von Kindern und Eltern
hinsichtlich zukünftiger Schulabschlüsse der Kinder, sogenannte
„Bildungsaspirationen“, gelten als wichtiger Indikator für den
Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen. Das zeigen zahlreiche
nationale und internationale Studien.

Frühzeitiger Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erhöht den
Bildungserfolg bei Kindern

Analysen des BiB auf Basis des Nationalen Bildungspanels (NEPS) haben die
Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1999 evaluiert, mit der das
sogenannte „Geburtsorts­prinzip “ ergänzend eingeführt wurde. Dies
bedeutet: Kinder ausländischer Eltern, die ab dem 1. Januar 2000 in
Deutschland geboren wurden und von denen mindestens ein Elternteil bereits
mindestens acht Jahre lang rechtmäßig in Deutschland gelebt hat und ein
unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt, erlangen automatisch bei Geburt
die deutsche Staatsangehörigkeit. Zur Messung eines möglichen kausalen
Effektes des frühen Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit auf den
Bildungserfolg von Kindern vergleicht das BiB Kinder auf zwei
verschiedenen Ebenen: Zum einen Kinder, die im Jahr vor der Reform geboren
sind mit Kindern, die im Jahr nach der Reform geboren wurden. Zum anderen
Kinder, deren Eltern die vorgeschriebene achtjährige Aufenthaltsbedingung
erfüllen mit Kindern, deren Eltern diese Bedingung nicht erfüllen. Die
Ergebnisse des BiB belegen, dass sich der Erwerb der deutschen
Staatsangehörigkeit von Kindern bei Geburt positiv auf die
Wahrscheinlichkeit auswirkt, wonach das Abitur der gewünschte und als
realistisch angesehene Schulabschluss des Kindes und der Eltern ist.
„Sowohl Eltern als auch Kinder selbst erwarten sehr viel häufiger als
diejenigen, die nicht von der Reform betroffen waren, dass das Kind bzw.
es selbst die Schule mit dem Abitur abschließt“, erklärt Elena Ziege,
Bildungsforscherin am BiB. Es sind 14 bzw. 16 Prozent mehr, die dies
erwarten. Mit der deutschen Staatsangehörigkeit steigt aber nicht nur die
Erwartung, das Abitur erfolgreich abzuschließen - es nimmt auch die
Wahrscheinlichkeit zu, dass das Kind nach der vierten Klasse tatsächlich
ein Gymnasium besucht. Im Vergleich zu den Kindern, die nicht von der
Reform betroffen waren, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von 46 auf 62
Prozent. Der Effekt, dass eher ein Gymnasium besucht wird, lässt sich über
die gesamte Schulzeit beobachten.

Teilhabe der Kinder steigert soziale Interaktion der Eltern

Andere wissenschaftliche Untersuchungen belegen ebenfalls die positive
Wirkung des frühzeitigen Staatsangehörigkeitserwerbs auf Kinder mit
Migrationshintergrund: Die deutsche Staatsangehörigkeit vergrößert demnach
auch die Wahrscheinlichkeit eines Kitabesuchs. Zusätzlich verbessern sich
ihre Deutschkenntnisse, das sozioemotionale Verhalten und die
Schulleistungen. Darüber hinaus wiederholen Kinder, die nach der
Staatsangehörigkeitsreform die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt
erwerben konnten, seltener eine Klasse. Weitere Studienergebnisse zeigen
auch, dass sich durch den frühen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit
der Kinder die soziale Interaktion der Eltern mit Deutschen erhöht.
Darüber hinaus verbessern die Eltern ihre Deutschfähigkeiten und lesen
häufiger deutsche Zeitungen, was sich wiederum positiv auf die Kinder
auswirken kann. „In der empirischen Forschung gibt es zahlreiche Hinweise
darauf, welche positiven Auswirkungen ein früherer Erwerb der deutschen
Staatsangehörigkeit auf die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen
in Deutschland haben könnte - auch das sollte bei der gegenwärtigen
Diskussion nicht außer Acht gelassen werden“, so BiB-Direktorin C.
Katharina Spieß.