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Obwohl  es im Sport ständig neue Alters-Rekorde gibt, nimmt die
physiologische Leistungsfähigkeit  insgesamt mit zunehmendem Alter ab.
Woran liegt das? Welche physiologischen Prozesse sind dafür hauptsächlich
verantwortlich? Und welcher Sport geht im Alter am besten? Wissenschaftler
werteten umfangreiche Datensätze aus den Weltmeisterschaften der Senioren
aus. Die Ergebnisse präsentieren sie auf dem Kongress der Gesellschaft für
Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin im Juni in Salzburg.

Prof. Dr. med. habil. Georg Neumann forschte am Institut für Körperkultur
und Sport (FKS) Leipzig, arbeitete  für das Institut für Angewandte
Trainingswissenschaft (IAT) Leipzig im Bereich Leistungssport und zuletzt
für die Universität Halle im Bereich Trainingswissenschaft.

Sein Fazit: „Bis Mitte, manchmal Ende 30 werden Rekorde erbracht. Danach
ist man als Sportler ´alt´. Ab 40 Jahren beginnt bei jedem Menschen dann
ein Muskelschwund (Sarkopenie) von durchschnittlich ein bis zwei Prozent
pro Jahr. Frauen sind im Leistungssport ein Leben lang durchschnittlich 10
Prozent weniger leistungsfähig als Männer. Im Alter wird dieser
Unterschied noch größer.“
In der Sportart Leichtathletik wurden Datensätze von der Altersklasse (AK)
35 bis zur AK 70 ausgewertet. Doch trotz intensiven Trainings  nimmt die
sportliche Leistungsfähigkeit kontinuierlich ab. Dafür gibt es
verschiedene Gründe.
Erste Ursache ist der Muskelschwund. Ab 40 Jahren verschwinden zuerst vor
allem die schnellen Muskelfasern. Sie werden durch Fett- und
Bindegewebseinlagerungen ersetzt. Mit 80 Jahren steht dem Alterssportler
dann nur noch rund 50 Prozent der aktiven Muskelmasse zu Verfügung.

Neumann: „Die, die trainieren, trainieren also ihren „Muskelrest“.
Empfehlungen aus Amerika legen den Alten als Minimum 150 Minuten schnelles
Gehen pro Woche, jeweils mit anschließender Dehnung (Stretching), ans
Herz. Das Optimum liegt bei 150 min Belastung pro Woche im aeroben Bereich
und etwas Krafttraining.“

Zu den Ursachen des Alterns gibt es verschiedene Theorien. Forscher haben
erkannt, dass sogenannte Telomere- die Endpunkte an den Chromosomen- sich
mit zunehmendem Alter vermindern. Neue Daten in der Telomerenforschung
belegen, dass nur das Ausdauertraining die Telomerenaktivität erhöht und
die Telomerenlänge positiv beeinflusst. Die Telomerenlänge soll die
Lebenserwartung beeinflussen. Das Krafttraining war in diesem Punkt
wirkungslos.

In den Leistungsklassen bringen Senioren sehr lange gute Ergebnisse in den
Ausdauersportarten (Marathon, Halbmarathon, 10.000 m, Radsport). Auch in
weiteren leichtathletischen Disziplinen (Speerwerfen, Weit- und
Hochsprung) werden im Alter noch beachtliche Leistungen erbracht. Ein
einhundert Jahre alter Inder zum Beispiel bewältigte den Marathon 2011
noch in 8 Stunden, 25 Minuten und 11 Sekunden. Ein 105 jähriger Franzose
fuhr mit dem Rennrad auf der Bahn 22,5 km in der Stunde.
Die Sportart der Zukunft für den Alterssport allgemein wird aber wohl das
Joggen, schnelle Gehen, Nordic Walking (Walken), meint der renommierte
Wissenschaftler. Dazu kommen Schwimmen und Radfahren. Insgesamt
verletzungsarme Dauerbelastungen.

Warum aber brauchen die Senioren überhaupt Bewegung und Sport?

Neumann: „Das Gehirn gibt für Bewegungen einen Befehl an den Muskel. Der
Muskel muss sich mit Stoffwechsel, Energiezufuhr, Hormonen, Durchblutung
und vielem mehr auseinander setzen. Über Botenstoffe, sogenannte Myokine,
kommuniziert der Muskel dann mit anderen Organen, um die gewünschte
Funktion ausführen zu können. Der Muskel ist als größtes  Organ im Körper
viel aktiver als bisher angenommen. Nichtstun reduziert die
Myokinexpression auf ein Minimum. Beim Skifahren beispielsweise merkt
jeder besonders, wenn einmal der Muskel nicht vorbereitet ist, die
Verletzungsgefahr steigt. Bekannt ist, dass Astronauten nach dem Leben in
Schwerelosigkeit nicht einmal mehr stehen oder Gehen können, wenn sie
zurück zur Erde kommen. Auch hier sind die fehlenden Impulse, wie sie
durch Bewegung bei Schwerkraft auf der Erde stattfinden und auf die
Myokinaktivität wirken, ´schuld´“.

Prof. Dr. Georg Neumann, der seit kurzem im Ruhestand ist, hat lange Zeit
Leistungssportler im Skilanglauf, Radsport, in der Leichtathletik und
zuletzt im Triathlon betreut.