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Die Olympischen Spiele in Tokio (23. Juli bis 08. August) werden in diesem
Jahr Corona-bedingt ohne Publikum stattfinden und sie werden nicht das
letzte sportliche Großevent sein, dass vor leeren Rängen stattfindet.
Bedeutet das den Tod für das Sportsponsoring? Eine an der WHU – Otto
Beisheim School of Management durchgeführte Delphi-Studie kommt zu einem
gegenteiligen Ergebnis: Das Sponsoring im Sport wird sich anpassen und
könnte sich sogar noch ausweiten.

Dieser Sommer markiert den eineinhalb-jährigen Jahrestag der weltweiten
Pandemie. Diese Krise hat enormen Druck auf Sportverbände, Sponsoren und
Fans ausgeübt. Große Ligen und sportliche Großveranstaltungen, wie die
anstehenden Olympischen Spiele, mussten und müssen vor leeren
Zuschauerrängen ausgetragen werden. Die Sponsoren mussten mit
weitreichenden Einschränkungen ihrer Marketingbudgets umgehen, da diese in
einer Krise üblicherweise zuerst gekürzt werden. Und schließlich fragen
sich die Sportfans, wie viel Schaden das alles angerichtet hat und was ein
möglicher Rückgang des Sportsponsorings für sie und ihre geliebten
Sportereignisse bedeutet.

Deshalb haben wir die Frage aufgeworfen, ob dies das Ende für das
Sportsponsoring, wie wir es bisher kannten, bedeuten könnte. Wenn man sich
nur die nackten Zahlen ansieht, könnte die Antwort „ja“ lauten. Laut
Sportcal, einem Unternehmen von GlobalData, ging die Zahl der
Sponsorenverträge im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent
zurück, wobei das Gesamtvolumen um über 40 Prozent auf 12,9 Milliarden US-
Dollar sank, verglichen mit 22 Milliarden US-Dollar im Vorjahr. Und die
Pandemie ist noch nicht vorüber.

In unserer Analyse konzentrierten wir uns jedoch nicht auf Zahlen, Quoten,
Geldsummen oder die Anzahl an Vertragsabschlüssen, die die aktuelle
Situation des Marktes darstellen. In Zeiten signifikanter technologischer
und gesellschaftlicher Veränderungen, die die gesamte Sportbranche
betreffen, waren wir vielmehr daran interessiert, die mittelfristige
Zukunft der Sponsoringbranche zu untersuchen und herauszufinden, wie alle
beteiligten Akteure ihre Strategien anpassen müssen, um von der zugrunde
liegenden Marktdynamik zu profitieren. Die in die Zukunft gerichtete
Studie kommt zu dem Schluss, dass das Sportsponsoring sogar wie der Phönix
aus der Asche aufsteigen könnte, da sich Sponsoringvorhaben zügig an
dynamische Markttrends anpassen.

Technologien haben die Sportindustrie in den vergangenen Jahren verändert.
Unterstützende Technologien wie der Video-Assistent im Fußball oder das
Hawk-Eye-System im Tennis haben die Spielregeln verändert. Darüber hinaus
haben neue Vertriebskanäle und Formate maßgeblich die Art und Weise
beeinflusst, wie Live-Sport von den Fans konsumiert wird. Durch die
sozialen Medien konnten Marken ihre Reichweiten drastisch erhöhen und
damit ihr Image global stärker verbreiten. Und der Trend ist noch nicht am
Ende angekommen. Neue Anwendungen wie Virtual- oder Augmented-Reality-
Brillen, Hologramme oder exklusive Online-Inhalte wie der virtuelle
Paddock Club in der Formel 1 bahnen sich ihren Weg in den Alltag der
Menschen und in die Vertriebs- und Marketingabteilungen der
Sportorganisationen.

Für das Sportsponsoring bieten diese Entwicklungen erhebliche Chancen. Zum
einen werden neue digitale Werbeflächen geschaffen, die zusätzlich zu den
bestehenden physischen Flächen genutzt werden können. Die Digitalisierung
wiederum erhöht auch die Reichweite des traditionellen Sponsorings, indem
derselbe Inhalt über mehrere Kanäle wiedergegeben wird. Zum anderen sind
Sportorganisationen im Besitz großer Mengen von First-Party-Daten, über
die sie selbst verfügen. Die Einbeziehung von Big-Data-Analysen für eine
strukturierte Entscheidungsfindung ist ein notwendiger Schritt, um das
Sportsponsoring effizienter und verlässlicher zu machen. Zudem wird es
dadurch mit anderen Marketinginstrumenten vergleichbar, deren Effizienz
und Reichweite sich leichter messen und nachverfolgen lässt. Doch auch
wenn das Sponsoring zukünftig wahrscheinlich stärker von erhobenen Daten
gesteuert werden wird, ist es immer noch ein personenbezogenes Geschäft
und das wird sich auch nicht ändern. Die menschliche Intuition, die hinter
Sponsoring-Entscheidungen steckt, kann nicht vollständig von Algorithmen
oder einer anderen Art von künstlicher Intelligenz abgelöst werden.

Zudem treten fortlaufend neue Akteure in den Markt ein und zwingen die
etablierten Marktteilnehmer, zukünftige Partnerschaften zu überdenken.
Hersteller technologischer Endgeräte, digitale Vertriebsplattformen,
Daten- und Softwareanbieter sind nur einige Beispiele. Neben dem Eintritt
neuer Akteure in bestehende Märkte entstehen auch ganz neue Märkte. Der
eSports-Markt zum Beispiel bietet das enorme Potenzial, eine völlig neue
Kundengruppe anzusprechen oder eine völlig neue Gruppe von Sponsoren zu
gewinnen, die noch nie im traditionellen Sportsponsoring aktiv war.
Dadurch vergrößert sich der Gesamtmarkt und neue Partnerschaften
entstehen, die sogar parallel zu den Traditionellen bestehen können.

Schließlich ermöglichen Technologien es den Fans, näher an ihren
Lieblingsereignissen, -sportarten und -stars zu sein. Sie werden damit zu
Verstärkern, die die Emotionen aus den Stadien in die Wohnzimmer, Bars,
Kneipen oder jeden anderen Ort tragen, an dem Menschen zusammenkommen
können. Sponsoring-Strategien müssen sich auf die Tatsache konzentrieren,
dass selbst bei leeren Rängen immer noch Emotionen durch Sport erzeugt
werden, sie finden nur woanders statt. Coca-Cola, Pepsi, Tennent's,
Babybel oder auch Uber Eats und Deliveroo sind nur einige Beispiele für
Engagements, bei denen schnelllebige Konsumgüter-Marken ihre Sponsoring-
Aktivitäten in den letzten Monaten verstärkt haben. Das beweist, dass der
Schlüssel zum Erfolg des Sponsorings in der Fähigkeit liegt, sich schnell
an Veränderungen anzupassen und nahe am Verbraucher zu sein – wo auch
immer dieser sein mag.

Neben den technologischen Aspekten gibt es einen weiteren wichtigen Trend,
der die Paradigmen in der Sportbranche verändert. Der Sport spielt in der
Gesellschaft eine immens wichtige Rolle, die über das Gewinnen oder
Verlieren auf dem Spielfeld hinausgeht. Nachhaltigkeit, Fairness und
Gleichberechtigung sind zu bedeutenden Werten geworden, die der Sport in
allen möglichen Situationen vertreten soll. Der entscheidende Vorteil für
Sponsoring-Aktivitäten ist, dass diese Werte das Fundament sind, auf dem
Sport aufbaut. Daher ist Sponsoring nicht nur ein vielschichtiges und
leistungsfähiges Marketinginstrument, sondern auch ein Instrument der
Corporate Social Responsibility (CSR), das sich gut eignet, um Botschaften
und Partnerschaften zu vermitteln, bei denen es um Nachhaltigkeit,
Fairness und Gleichberechtigung geht. Für Sportorganisationen wird es in
den kommenden Jahren darauf ankommen, die Bedeutung dieser Werte in ihrer
täglichen Arbeit und ihren zukünftigen Strategien glaubhaft darzustellen.

Nah am Kunden zu sein und wichtige Botschaften und Werte zu übermitteln,
erfordert die Fähigkeit, die richtigen Geschichten auf die richtige Art
und Weise dem richtigen Publikum zu erzählen. Die Art und Weise, wie
Partnerschaften kommuniziert werden müssen, damit sich Kunden wirklich mit
Marken und den damit verbundenen Botschaften identifizieren können, wird
sich in den kommenden Jahren ändern. Daher werden Sponsoring-Pakete eine
Verschiebung von rein traditionellen Rechten hin zu einem moderneren und
flexibleren Paket von Rechten erleben, das Aktivierungsrechte, eine
Vielzahl von Content-Marketing-Ansätzen oder die Nutzung von Social-Media-
Kanälen beinhalten kann. Eigenständige Aktivierung und Kommunikation
werden sowohl für Sponsoren als auch für Rechteinhaber immer wichtiger
werden, um den Zweck ihrer Partnerschaften zu begründen.

Schließlich kann man aus der Pandemie wertvolle Lehren ziehen, wenn es
darum geht, zu verstehen, welche Rolle Sponsoring in schwierigen Zeiten
spielen kann. Marketingbudgets sind unter Druck geraten und wenn man sich
die Zahlen des vergangenen Jahres anschaut, wird klar, dass der
Sponsoring-Markt unter der Pandemie stark gelitten hat. Aber wir haben
auch erlebt, dass der Sport das beste Instrument dafür ist, bei den
Menschen Emotionen und Leidenschaft hervorzurufen und den Glauben daran zu
bewahren, dass diese Krise überwunden werden kann. Sponsoring ist dabei
das beste Mittel, um Marken mit dieser Aufbruchstimmung in Verbindung zu
bringen, all die positiven Emotionen aufzufangen und den Weg aus diesen
schwierigen Zeiten heraus zu zeigen.

Kürzlich ist die olympische Fackel in Tokio angekommen und das olympische
Feuer wurde entzündet. Es ist ein Symbol für Stabilität und Kontinuität,
zwei Attribute, die sehr begehrt und gleichzeitig schwer zu erreichen
sind. Laut der durchgeführten Studie beinhaltet Sportsponsoring beides.
Sponsoring in 2030 mag ganz anders aussehen als heute – neue Akteure,
Märkte, Partnerschaften oder Zwecke mögen im Mittelpunkt stehen –, aber es
wird relevant bleiben, fortbestehen und sich entwickeln. Neue
Herausforderungen werden auftauchen und neue Krisen entstehen, aber seine
einzigartige Fähigkeit, Emotionen zu den Fans transportieren zu können,
bleibt die Schlüsseleigenschaft dafür, dass Sponsoring ein unverzichtbares
Instrument der Sportindustrie bleiben wird.