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Psychische Aspekte spielen in der Rehabilitation von Sportlern eine
entscheidende Rolle. Oft geht es darum, dass Betroffene zu schnell, zu
viel und zu hart trainieren, um rasch in ihren Sport zurückzukommen und
entscheidende Wettkämpfe zu bestreiten. Bei Leistungssportlern geht es
dabei um die berufliche Existenz. Welche Rolle psychologische Aspekte
hierbei spielen und wie auf dieser Basis mit den Sportlern in der Reha
gearbeitet wird – darüber referiert Dr. Dörthe Lison, Leiterin der
interdisziplinären Rehabilitation am Zentrum für Sportmedizin der
Bundeswehr, auf dem 13. Zeulenrodaer Kongress für Orthopädie und
Sportmedizin.

Bis zu eintausend namhafte deutsche Spitzensportler werden am Zentrum für
Sportmedizin in Warendorf zeitgleich betreut. Nach Verletzungen landet so
mancher in der orthopädischen Rehabilitation. Bei längeren
Beeinträchtigungen ist häufig die Erwerbsfähigkeit gefährdet, wie zum
Beispiel beim Riss der Achillessehne bei Weitspringern. Was beim
Freizeitsportler nicht so schlimm ist und eben „nur“ Zeit braucht, scheint
für den Profi-Sportler in diesem Moment existenzgefährdend.

Dr. Lison: „Unter dem Profi-Sportler-Klientel haben wir es
überproportional häufig mit Menschen zu tun, die erstens extrem
leistungsbereit sind, zweitens von Kindesbeinen an darauf trainiert sind,
Schmerzen auszuhalten und drittens den sportlichen Erfolg über die eigenen
körperlichen Bedürfnisse stellen. Deshalb ist die Betreuung dieser
Sportler nicht einfach und bedarf besonderer Aspekte.“

Denn der Vorteil hoher Leistungsbereitschaft verkehrt sich in der Reha in
einen Nachteil. Er führt dazu, dass selbst in der Reha sensationell
trainiert wird und die Gefahr hoch ist, sich zu überlasten. Dies behindert
den vollständigen Heilungsprozess enorm.
Ärzte und Therapeuten müssen die Sportler deshalb adäquat beraten und
psychologisch führen. Oft müssen sie sich mit Feingefühl gegen den
Leistungsdruck im Spitzensport durchsetzen.

Eine wissensbasierte Aufklärung zu Verletzungen, Heilungsprozessen und
späteren Konsequenzen ist dabei genauso wichtig wie eine tiefe
Vertrauensbasis zwischen Athleten und Ärzten. Beide müssen auf Augenhöhe
miteinander reden.

„Dazu gehört sehr viel Ehrlichkeit, Offenheit und eine klare Haltung“, so
Lison, „wenn der Sportler sagt, ´ich werde starten´, muss ich auch sagen
können ´ich trage das nicht mit´.“
Aber nicht nur bei Verletzungen, sondern zum Beispiel auch in der
Ernährung gilt es Differenzen zwischen Sportlern, Ärzten und Therapeuten
zu überbrücken. In vielen Sportarten ist es sehr günstig, wenn der Athlet
leicht ist. Strikte Diätvorschriften von Trainern oder fatale Tipps von
Freunden sind da für die Gesundheit manchmal nicht gerade zielführend.

Lison, die ausgebildete Psychotherapeutin ist, kann in bestimmten Fällen
einzelne Interventionen anbieten. Dabei geht es beispielsweise um
bestimmte Gesprächstechniken. Eine fragende Form in der Kommunikation
lässt den Betroffenen häufig selbst erkennen, was der beste Weg ist. Hier
ist die Chance, dass der vernünftige Weg gegangen wird, eher höher.

Insgesamt entscheiden sich jedoch – wider besseren Wissens - immer noch zu
viele Leistungssportler für ein zu schnelles Comeback. Die Folge: Der
einzelne Sieg wird zwar noch errungen, der Verbleib im Kader und die
momentane Existenz sind gesichert. Doch nach Ausscheiden aus dem
Leistungssport dreht sich der Spieß um: bleibende Schäden, dauerhafte
Schmerzen oder Beeinträchtigungen spielen dann bei der Berufswahl und dem
Lebensstil eine große Rolle. Und das im zeitlich längeren Teil des Lebens.