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FAU-Forscher beteiligen sich an EU-Projekt zur Entwicklung von Leitlinien
für Online-Beratungen und Therapie

Psychische Erkrankungen unter Jugendlichen sind stark angestiegen. Um die
Betroffenen leichter mit Hilfsangeboten zu erreichen, können Therapeuten
dank sozialer Medien und Smartphone neue Wege beschreiten. Hierfür
entwickelten Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-
Nürnberg (FAU) im Rahmen der zweijährigen EU-Initiative Therapy 2.0
zusammen mit Partnern aus sieben verschiedenen Ländern Leitlinien und
Trainingsmaterial für Berater, Therapeuten, Lehrer und Flüchtlingshelfer.

WhatsApp, Facebook, Skype und das Smartphone: die sogenannte Generation
Smartphone nutzt neue Kommunikationswege. Damit verändern sich auch deren
Konsumgewohnheiten – Onlineangebote sind die Norm. Wer diese Generation
erreichen will, muss deshalb neue Wege beschreiten. Dies gilt auch für
jene, die therapeutisch oder beratend tätig sind und jungen Erwachsenen
mit psychischen, psychosozialen und psychosomatischen Störungen wie
beispielsweise Depressionen, Angstzuständen oder Panikstörungen helfen
wollen. Hier empfehlen sich laut des Barmer Arztreport 2018
niederschwellige Formen wie Online-Angebote, um die Betroffenen zu
erreichen. Dass dieser Ansatz notwendig ist, zeigt der Arztreport
ebenfalls: In Deutschland stieg die Zahl der 18- bis 25-jährigen Menschen
mit psychischen Erkrankungen und Störungen zwischen 2005 und 2016 um 38
Prozent von 1,4 Millionen auf 1,9 Millionen. Somit war 2016 etwa ein
Viertel der gesamten Altersgruppe von einer psychischen Erkrankung bedroht
oder betroffen.

Die neuen Möglichkeiten der Online-Welt

Um das Bewusstsein für und das Potenzial von Informations- und
Kommunikationstechnologie in Beratungs- und Therapieprozessen zu schärfen,
haben sich acht Partner aus sieben europäischen Ländern in den letzten
zwei Jahren in der Initiative „Therapy 2.0 – Counselling and Therapeutic
Interactions with Digital Natives“ zusammengetan. Gefördert wurde dieses
Projekt durch das EU-Erasmus + - Programm. Ziel der Initiative war es,
Beratern und Therapeuten zu helfen, ihre Tätigkeiten auf Online-Angebote
auszuweiten. Hierfür entwickelten die Teilnehmer der Therapy
2.0-Initiative verschiedene Instrumente, die sich leicht in die
therapeutische Praxis einbinden lassen. Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler des Instituts für Lern-Innovation (ILI) der FAU leiteten
dabei die inhaltliche Entwicklung der Instrumente. „Eine unserer Aufgaben
war es, zu Beginn eine europaweite Bedarfsanalyse zu erstellen“, sagt
Psychologin Evelyn Schlenk vom ILI. Hierfür befragten die FAU-Forscher
unter anderem Berater, Therapeuten, Berufsverbände und Flüchtlingshelfer.
Dabei zeigte sich, dass in Deutschland und anderen europäischen Staaten
die Möglichkeiten moderner Kommunikationstechnologie noch nicht weit in
den Therapiealltag eingebunden ist. In Ländern wie Kroatien oder Slowenien
gibt es hingegen bereits ausgefeilte Online-Beratungsstrukturen.

„Es besteht zudem vor allem in technischer und rechtlicher Hinsicht
Unsicherheit“, sagt Schlenk. „Therapeuten und Berater fragen sich zum
Beispiel, welche Vorteile und mögliche Einschränkungen es möglicherweise
bei Online-Angeboten gibt oder für welche Beratungs- und Behandlungsformen
diese überhaupt geeignet sind. Hinzu kommen noch praktische Fragen nach
beispielsweise Daten- und Patientenschutz, Kosten oder
Abrechnungsmöglichkeiten.“ Hierfür entwickelten die Projektpartner
Leitlinien, die Beratern und Therapeuten helfen, ihre Kompetenzen auf eine
Online-Umgebung umzusetzen, Schulungsmaterial als Ergänzung dieser
Leitlinien, Sammlungen weltweiter Beispiele aus der Praxis, eine Plattform
als virtuelle Lernumgebung sowie eine App, die sämtliche Materialen
beinhaltet.

Auch in der Flüchtlingshilfe einsetzbar

Dieser Online-Ansatz soll auch jungen Flüchtlingen zugutekommen. Die
meisten von ihnen haben traumatische Erfahrungen gemacht und leiden häufig
an posttraumatischen Belastungsstörungen. Ihre wichtigsten
Kommunikationsmittel sind Smartphones. Da ihre Sprachkenntnisse oft
schlecht sind, braucht die konventionelle Beratung einen weiteren Ansatz,
der Medien nutzt, in denen diese Jugendlichen zu Hause sind. Nicht zuletzt
eröffnet dies auch Wege der Gewaltprävention, die mit traumatischen
Fluchterfahrungen zusammenhängen können.

Mehr Informationen unter www.ecounselling4youth.eu