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Prof. Jörg Acker und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Jana Ducke untersuchen eine Kathodenfolie, die aus einer Lithium-Ionen-Batterie eines Elektroautos nach dessen Demontage entnommen wurde.  Foto: BTU Cottbus - Senftenberg
Prof. Jörg Acker und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Jana Ducke untersuchen eine Kathodenfolie, die aus einer Lithium-Ionen-Batterie eines Elektroautos nach dessen Demontage entnommen wurde. Foto: BTU Cottbus - Senftenberg

Lithium-Akkus werden zukünftig Kathodenmaterial von ausgedienten
Elektromobilakkus enthalten
Bis zu 780 Kilogramm schwer ist ein Lithium-Ionen-Akku für ein
Elektrofahrzeug der Oberklasse, das damit eine Reichweite von bis zu 600
Kilometern erzielen kann. Diese enorme Leistungsfähigkeit beruht auf der
chemischen Zusammensetzung und dem Design der als Kathode und Anode
eingesetzten Materialien. Das gilt insbesondere für das Kathodenmaterial,
eine hochwertige Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Sauerstoffverbindung, an die
besondere Anforderungen hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und
Verarbeitung gestellt werden. Nur so lässt sich die Funktionsweise beim
Laden und Entladen des Akkus gewährleisten.

Neben seinen wichtigen funktionalen Eigenschaften ist das Kathodenmaterial
nicht nur teuer, sondern gehört auch zu den seltenen Rohstoffen wie Kobalt
oder Nickel. Eine Rückgewinnung der im Kathodenmaterial enthaltenen
Elemente ist wirtschaftlich sinnvoll und verringert die Abhängigkeit von
Rohstoffimporten. Bisher entwickelte Recyclingverfahren beruhen auf einer
vollständigen Zerstörung der in den Akkus enthaltenen
Funktionsmaterialien, indem sie in energieaufwendigen
Hochtemperaturprozessen aufgeschmolzen oder nach einer kompletten
Vorzerkleinerung in chemischen Behandlungsschritten zu Metallsalzlösungen
umgesetzt werden. Beide Vorgehensweisen erfordern neben einem enormen
Energieeinsatz weitere, aufwendige Rückgewinnungs- und
Reinigungsverfahren, um am Ende die reinen Metallsalze für die Herstellung
von neuem Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxid zu erhalten.

Ein industriegeführtes Konsortium stellt sich im Rahmen des
Forschungsprojektes die Aufgabe, Kathodenmaterial ohne Qualitätsminderung
rückzugewinnen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) seit Januar 2019 gefördert. Von BTU-Seite sind die
Fachgebiete Physikalische Chemie und Aufbereitungstechnik am Projekt
beteiligt. Der Projektleiter an der BTU, der Chemiker Prof. Dr. Jörg
Acker, beschreibt das Vorhaben so: „Unser Ziel ist es, gemeinsam mit dem
Recycling- und Logistik-Unternehmen ERLOS ein aktuell bewährtes
Pilotverfahren zur Industriereife zu führen. Mit dem Verfahren werden
Lithiumtraktionsakkus teilautomatisiert demontiert und die enthaltenen
Batteriezellen anschließend in ihre Bestandteile, wie Kathode und Anode,
zerlegt. Das begehrte Kathodenmaterial befindet sich auf Trägerfolien aus
Aluminium und wird ebenfalls automatisert durch ein besonders schonendes
Verfahren von den Folien abgetrennt und aufgefangen.“

Weitere Akkubestandteile, wie es zum Beispiel der Elektrolyt mit seinen
Lithium-Komponenten ist, halten die Forschenden ohne Gefährdung von Mensch
und Umwelt emissions- und verlustfrei zurück. Für die BTU hält das Projekt
eine Reihe von besonderen Herausforderungen bereit: „Unser Team arbeitet
daran, das Kathodenmaterial ohne eine Qualitätsminderung zurückzugewinnen,
die beispielsweise durch mechanische Schädigungen, chemische Veränderungen
am Material oder ungewollt ablaufende Nebenreaktionen hervorgerufen werden
kann. Auch das ursprüngliche Design des Materials muss unbedingt erhalten
bleiben, da es entscheidend für die Leistungsfähigkeit ist. Nicht mehr
funktionsfähiges Kathodenmaterial wird abgetrennt“, so Prof. Dr. Acker.

Aus dem rückgewonnenen Kathodenmaterial werden Testbatterien verschiedener
Größe hergestellt, die vom Projektpartner HOPPECKE, einem Spezialisten für
Industriebatteriesysteme, intensiv untersucht werden. Von den Messungen
werden Aussagen über die Leistungsfähigkeit des rückgewonnenen Materials
und über notwendige Verbesserungen im Prozess abgeleitet. Das Projekt soll
zur Großserien-Rückgewinnung von qualitativ hochwertigem Kathodenmaterial
führen. Durch die Herstellung von sogenannten Second-use-Lithium-Akkus
wird es für Pkws, aber auch andere industrierelevante Anwendungen, wie
beispielsweise Gabelstapler, Flurförderzeuge oder stationäre Speicher
wieder einsetzbar.