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Psychologen des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ untersuchen, wie
sich Gruppen durch Globalisierung benachteiligt fühlen – Vereine und
Stammtische können sich an Interviews beteiligen – Studie von Mitja Back
als Teil interdisziplinären Forschungsvorhabens zu Bedrohung,
Zugehörigkeit und Demokratieakzeptanz, mit Religionssoziologen Detlef
Pollack – Erste Ergebnisse aus europäischer Repräsentativumfrage 2020 zu
erwarten

Angesichts wachsender populistischer Strömungen in Europa erforschen
Psychologen des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der WWU, wie sich
gesellschaftliche Gruppen durch die Globalisierung benachteiligt fühlen.
„Wir untersuchen, wie verschiedene Bevölkerungsgruppen ökonomische,
kulturelle und politische Umwälzungen wahrnehmen, und wollen so zu einem
besseren Verständnis von gesellschaftlicher Unzufriedenheit beitragen“,
sagt der Psychologe Prof. Dr. Mitja Back vom Exzellenzcluster. In
Gruppeninterviews mit Vereinen und Stammtischen in Deutschland nimmt sein
Forschungsprojekt Gruppen verschiedener Herkunft, Bildung und
unterschiedlichen Alters in den Blick. Das Teilprojekt dient der
Vorbereitung eines großen interdisziplinären Forschungsvorhabens des
Exzellenzclusters zu Bedrohung, Zugehörigkeit und Demokratieakzeptanz in
Europa, das die Religionssoziologen Prof. Dr. Detlef Pollack und Dr. Olaf
Müller, der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Bernd Schlipphak sowie die
Psychologen Prof. Dr. Gerald Echterhoff und Prof. Dr. Mitja Back unter dem
Untertitel „Eine neue religiös konnotierte Konfliktlinie in Europa?“
durchführen. Bis Ende 2020 wollen sie erste Ergebnisse ihrer
Repräsentativumfrage in europäischen Ländern vorlegen.

„Die Bevölkerung soll selbst zu Wort kommen und bereits in einem frühen
Stadium unseres Forschungsvorhabens Benachteiligungsgefühle äußern, damit
die Befragungsinstrumente der Erhebung nicht auf wissenschaftlichen
Vorstellungen allein beruhen“, erläutert Mitja Back. Sportvereine,
Bürger-, Heimat- und Schützenvereine, Chöre, sonstige Hobby- und
Fördervereine, aber auch Stammtische und andere informellere Gruppierungen
können teilnehmen. „Wir laden alle Gruppen zur Beteiligung ein, die
Interesse haben in einem etwa einstündigen Gruppeninterview über
gesellschaftliche Veränderungen zu diskutieren“, so Doktorand Michael
Bollwerk, der im Teilprojekt „Wahrgenommene Gesellschaftliche
Marginalisierung“ mitarbeitet. „Wenn wir besser verstehen, wie Menschen
ihre eigene soziale Gruppe als benachteiligt wahrnehmen, können wir auch
zu Lösungen zum Abbau innergesellschaftlichen Spannungen beitragen“, so
Mitja Back. Untersucht wird auch, ob das Gefühl der Benachteiligung mit
Bedrohungsgefühlen gegenüber religiösen Minderheiten, mit politischen
Einstellungen und der Akzeptanz demokratischer Institutionen
zusammenhängt.

„Die Forschung hat sich bisher auf einzelne gesellschaftliche Bereiche wie
Wirtschaft, Kultur oder Politik sowie auf individuelle
Benachteiligungsgefühle konzentriert“, so Michael Bollwerk. Im neuen
Projekt sollen nicht einzelne, sondern alle Bereiche gesellschaftlicher
Teilhabe sowie das Gruppenerleben berücksichtigt werden. „Gerade die
Wahrnehmung, dass die eigene soziale Gruppe – ‚Leute wie ich‘ – durch die
Modernisierung abgehängt und benachteiligt wird, kann wesentlich dazu
beitragen, dass Wahrnehmungen von Benachteiligung zu einem
gesamtgesellschaftlichen Problem werden.“ Zentrale Fragen der Studie sind
den Forschern zufolge: Wie sind verschiedene soziale Gruppierungen in
Deutschland von wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Umwälzungen
durch Globalisierung und Modernisierung betroffen? Von welchen Faktoren
hängt es ab, ob Menschen diese Entwicklungen als Chance oder Nachteil
wahrnehmen?

Große Erhebung zu Bedrohung, Zugehörigkeit und Demokratieakzeptanz

Die Ergebnisse der Psychologen-Interviews sollen bis Herbst 2019 vorliegen
und in das große Forschungsvorhaben „Bedrohungswahrnehmungen,
Zugehörigkeitsgefühle, Akzeptanz demokratischer Herrschaft: eine neue
religiös konnotierte Konfliktlinie in Europa?“ des Exzellenzclusters
einfließen. „Soziale Konflikte in Europa werden in zunehmendem Maße
religiös konnotiert“, erläutert Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef
Pollack das Projekt. „Der Islam wird als Bedrohung empfunden, Migranten
werden durch ihre Religionszugehörigkeit definiert, marginalisierte
Gruppen treten zur Verteidigung des christlichen Abendlandes an.“ Mit der
im Frühjahr 2020 in mehreren europäischen Ländern startenden
Repräsentativerhebung werde das Zusammenspiel von Bedrohungswahrnehmungen,
Zugehörigkeitsgefühlen und der Akzeptanz demokratischer Herrschaft im
Kontext religiöser Konfliktlinien analysiert.

Die Ergebnisse der Erhebung werden in drei Teilprojekten am
Exzellenzcluster ausgewertet werden: In Teilprojekt 1 erfassen die
Psychologen Mitja Back und Gerald Echterhoff verbreitete Gefühle der
Bedrohung durch Fremdgruppen und arbeiten Faktoren ihrer Entstehung
heraus. In Teilprojekt 2 beschäftigen sich die Religionssoziologen Detlef
Pollack und Olaf Müller mit Vorstellungen und Gefühlen kollektiver und
politischer Zugehörigkeit. In Teilprojekt 3 untersucht der
Politikwissenschaftler Bernd Schlipphak, wie Bedrohungsgefühle und
Zugehörigkeitsvorstellungen Einstellungen zur Akzeptanz demokratischer
Herrschaft beeinflussen. (sca/vvm)