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Seit Juli 2019 wird am Leibniz-Institut für Alternsforschung (FLI) das elektronische Laborbuch (Electronic Laboratory Notebook, ELN) für alle laborexperimentellen Dokumentationen verbindlich genutzt.  (Quelle: Kerstin Wagner / FLI)
Seit Juli 2019 wird am Leibniz-Institut für Alternsforschung (FLI) das elektronische Laborbuch (Electronic Laboratory Notebook, ELN) für alle laborexperimentellen Dokumentationen verbindlich genutzt. (Quelle: Kerstin Wagner / FLI)

Das Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI)
in Jena hat die Einführung eines elektronischen Laborbuchs (Electronic
Laboratory Notebook, ELN) umgesetzt und nimmt damit innerhalb der
deutschen Forschungslandschaft eine herausragende Rolle ein. Seit Juli
2019 wird das ELN für alle laborexperimentellen Dokumentationen am
Institut verbindlich genutzt.

Jena. Experimentelle Daten bilden die Grundlage von Wissenschaft und
Forschung. Mehr als hundert Jahre hatte das Laborbuch die Form eines
gebundenen Protokollbuchs, in dem Planung, Durchführung und Auswertung
wissenschaftlicher Experimente akkurat dokumentiert wurden. Im Zuge des
elektronischen Zeitalters stößt diese Form der Dokumentation zunehmend an
ihre Grenzen, da heutzutage wissenschaftliche Daten meist in
elektronischer Form anfallen. Naheliegend also, diese Daten in einer
elektronischen Variante des Laborbuchs (engl. „Electronic Laboratory
Notebook“, ELN) zu sammeln. Da die elektronische Dokumentation einerseits
gut leserlich und schnell durchsuchbar ist und andererseits über Vergabe
von Zugriffsrechten bequem geteilt werden kann, wird auch die Nutzbarkeit
der Daten im Forschungsteam erhöht.

Die Handhabung täglich produzierter Datenmengen erfordert aber nicht nur
dauerhafte und leistungsfähige Speicherlösungen, sondern auch komplexe
Datenmanagementsysteme, also Software, die die Daten für zukünftige
Suchanfragen strukturiert und mit Daten verwandter Versuche verknüpft.
Rechnergestützte Dokumentationssysteme halten mit diesem Konzept Einzug in
die wissenschaftlichen Labore und gestatten eine durchgehend elektronische
Datenverarbeitung - vom Messinstrument über die Auswertung bis hin zur
Online-Veröffentlichung. Ein ELN bildet das „Dach“ dieser
Verarbeitungskette und dient dem Wissenschaftler zur umfassenden
Dokumentation des experimentellen Prozesses.

Das Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI)
in Jena hat sich dieser neuen Herausforderung im Laboralltag gestellt und
2018 begonnen, ein ELN in seinen Laboren zu etablieren. Die institutsweite
Nutzung wurde ab Juli 2019 realisiert.

Analyse des Softwaremarktes

„Nachdem wir uns 2017 für die Etablierung eines elektronischen Laborbuchs
am Institut entschieden hatten, begann ein Team damit, die zur Verfügung
stehenden Softwareprodukte zu evaluieren. Es wurden Leistungsmerkmale,
Bedienbarkeit und Anbindung an bestehende Systeme verglichen“, berichtet
Dr. Karol Szafranski, Leiter der Core Facility „Life Science Computing“ am
FLI, der seit Mitte 2018 den ELN-Prozess leitet. Mehr als ein Dutzend
Softwareprodukte wurden getestet, wobei sich viele Freiwillige aus dem
Wissenschaftspersonal beteiligten und etwa 100 Kriterien für das ELN in
einem Anforderungskatalog zusammentrugen. „Anderthalb Jahre
Sisyphusarbeit, die nur durch die rege Beteiligung der Kollegen geschafft
werden konnte“, fasst Dr. Szafranski den Prozess zusammen. Wichtige
Kriterien waren ein Lizenzmodell mit möglichst langer Laufzeit, eine
Weiterentwicklung der Software inklusive von Software-Anpassungen an die
Institutsinfrastruktur, die Datensicherheit, der Datenschutz sowie der
Kunden-Support.

Prozess der Umsetzung des ELN

Im Ergebnis des Ausschreibungsverfahrens erhielt die Firma Research
Innovations Ltd. (Edinburgh, UK) den Auftrag zur Implementierung des
Programms „RSpace“. Im Oktober 2018 wurde mit dem Betrieb und der
Software-Konfiguration auf einem Server des FLI begonnen. Zeitgleich wurde
mit dem FLI-Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Nutzung
elektronischer Dokumentationssysteme erarbeitet. Eine Stärkung der
Mitarbeiterrechte auf Schutz der persönlichen Daten und Anspruch auf
Software-Schulungen war für die Einführung einer Technologie, die
grundsätzlich auch zur engen Überwachung der Mitarbeiter geeignet wäre,
notwendig. Im Anschluss daran erfolgten Funktionstests des ELN.

Da der aktive Nutzerkreis am Institut mehr als 200 Mitarbeiter umfasst,
erschien eine Schulung aller Nutzer als unrealistisch, so dass man sich
für Schulungen im „Schneeballsystem“ entschied; d.h. im Vorfeld wurden
zuerst sogenannte “Multiplikatoren” mit der Anwendung von „RSpace“
vertraut gemacht, die dann im nächsten Schritt ihr Wissen an die Kollegen
weitergaben. Ein Workshop für Arbeitsgruppenleiter und weitere offene
Schulungsangebote begleiteten diesen schrittweisen Prozess. Eine eigene
Intranet-Seite dient zusätzlich als Informationsplattform für
Schulungsmaterial und Bedienungsanleitungen, aber auch als Medium für das
Nutzer-Feedback, um schnell auf mögliche Mängel reagieren oder Wünsche für
neue Programm-Features sammeln zu können.

„Die Inbetriebnahme und Schulungsphase verlief ohne nennenswerte
Probleme“, erklärt Dr. Szafranski. Eine Umfrage im März zeigte, dass das
ELN sehr positiv angenommen wurde: 19% der Arbeitsgruppen bewerteten das
ELN als gleichwertig gegenüber dem klassischen Laborbuch; 62% jedoch als
leistungsfähiger. „Das positive Ergebnis bestätigt unsere Strategie und
wir sind optimistisch, mit weiteren Workshops und Schulungsangeboten, die
Akzeptanz des ELN weiter zu erhöhen und so auch individuell auf Kollegen
eingehen zu können, die eventuell mehr Zeit und Hilfe benötigen, um ihre
Arbeitsabläufe umzustellen“. Das FLI nimmt mit der ELN-Einführung
innerhalb der Leibniz-Gemeinschaft eine Vorreiterrolle ein und ist mit der
institutsweiten, verbindlichen Nutzung auch deutschlandweit herausragend.