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Silberameisen gelten als schnellste Ameisen der Welt - obwohl ihre Beine
verhältnismäßig kurz sind. Daher haben Forschende der Universität Ulm den
besonderen Laufstil dieses "Wüstenflitzers" auf einer Ameisen-Rennstrecke
ergründet. Veröffentlicht wurde diese Entdeckung jüngst im „Journal of
Experimental Biology“.

Sie geht auf Nahrungssuche, wenn andere Siesta halten: Die saharische
Silberameise macht vor allem in der Mittagshitze der Sahara und in den
Wüsten der arabischen Halbinsel Beute. In dieser lebensfeindlichen
Umgebung kommen ihr ihre exzellente Navigationsfähigkeit und ihr großes
Lauftalent zugute. Das Insekt gilt sogar als schnellste Ameise der Welt:
Mit Geschwindigkeiten von bis zu einem knappen Meter pro Sekunde flitzen
sie über den oft mehr als 60 Grad Celsius heißen Sand und lassen ihre
deutlich langbeinigeren Verwandten „Cataglyphis fortis“ weit hinter sich.
Im „Journal of Experimental Biology“ ergründen Ulmer Forschende um
Professor Harald Wolf und Dr. Sarah Pfeffer das Geheimnis der
Silberameisen.

Um als Ameise in der Mittagshitze der Sahara zu überleben, sind besondere
Fähigkeiten nötig: Die Insekten müssen oft lange Strecken zurücklegen,
wenn sie die raren Nahrungsquellen – dabei handelt es sich meist um in der
Hitze verendete Insekten – aufspüren wollen. Zudem brauchen sie einen
ausgeprägten Orientierungssinn, um nach dem Beutezug zurück ins Schatten
spendende Nest zu finden. Als wahre Wüstenflitzer und schnellste
Ameisenart der Welt hat sich die saharische Silberameise (Cataglyphis
bombycina) herausgestellt: Obwohl es ihr gedrungener Körperbau nicht
vermuten lässt, erreicht sie deutlich höhere Geschwindigkeiten als
verwandte, größere Wüstenameisenarten. Mittels Videoaufzeichnungen haben
Ulmer Forschende um den Leiter des Instituts für Neurobiologie, Professor
Harald Wolf, den Laufstil der Silberameisen unter verschiedenen
Bedingungen analysiert.

In der tunesischen Wüste mussten die Biologinnen und Biologen zunächst
einmal ihren eigenen Spürsinn unter Beweis stellen. „Wir haben nach
grabenden Silberameisen Ausschau gehalten oder sind jagenden Tieren zurück
zum Nest gefolgt“, erinnert sich die Erstautorin Dr. Sarah Pfeffer. War
der Eingang zur Ameisen-Behausung erst einmal gefunden, brachten die
Forschenden einen mit Sand ausgelegten Aluminiumsteg an und lockten die
Ameisen mit Mehlwürmern. Nun brauchten sie lediglich eine Videokamera zu
montieren, um die Bewegungen der Silberameisen unter verschiedenen
Bedingungen aufzuzeichnen. Dabei maßen die Forschenden in der heißen
Wüstensonne Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 0,855 Meter pro Sekunde (m
s-1). Somit legen die Silberameisen pro Sekunde 108 Mal ihre eigene
Körperlänge zurück! Im auf bis zu zehn Grad heruntergekühlten Labor an der
Universität Ulm waren es nur noch 0,057 m s-1.

Rennstrecke für Silberameisen in der Wüste  Foto: Dr. Sarah Pfeffer / Uni Ulm
Rennstrecke für Silberameisen in der Wüste Foto: Dr. Sarah Pfeffer / Uni Ulm

Mit dieser exzellenten Laufleistung sichern sich die Insekten einen Platz
unter den schnellsten Tieren der Welt – neben einer australischen
Sandlaufkäferart und einer in Kalifornien vorkommenden Milbe. Die
Wüstenameisenart „Cataglyphis fortis, die nur etwa 50 Körperlängen pro
Sekunde schafft, kann hier nicht mithalten. Dabei hatten die Forschenden
um Wolf und Pfeffer eine erhebliche Beinlängendifferenz festgestellt – mit
4,3 bis 6,8 mm sind die Gliedmaße der Silberameise um fast 20 Prozent
kürzer als bei der langbeinigen Verwandtschaft. „Diesen offensichtlichen
Nachteil müssen die Silberameisen durch einen besonderen Laufstil
wettmachen“, mutmaßen die Forschenden. Und tatsächlich stellten sie in der
Videoanalyse fest, dass diese Ameisenart bis zu 47 Schritte in der Sekunde
macht und ihre Beine mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1400 mm s-1 in
der Sekunde schwingt. Sie verfallen in eine Art Galopp, wobei sich
zeitweise alle Beine gleichzeitig in der Luft befinden. Wenn die
Silberameisen anziehen, können sie ihre Schrittlänge sogar vervielfachen.
„Insgesamt zeigen die Silberameisen eine annähernd perfekte Koordination:
Die drei zusammengehörigen Beine arbeiten beinahe synchron, wodurch die
Körpermasse gleichmäßig verteilt wird. Jedes Bein berührt den Boden nur 7
Millisekunden lang“, resümiert Dr. Sarah Pfeffer.

Dieser besondere Laufstil mag sich durch den Lebensraum der Silberameisen
erklären: Sie bewegen sich auf Sanddünen und müssen das Risiko minimieren,
einzusinken. Hierfür scheinen die schnellen, jedoch perfekt koordinierten
Bewegungen von Vorteil zu sein. Die verwandte Ameisenart Cataglyphis
fortis lebt hingegen in der Salztonebene auf einem „festgebackenen“,
völlig ebenen Untergrund und musste ihren Laufstil wohl deutlich weniger
anpassen. Die Ulmer Forschenden wollen die Wüstenflitzer in jedem Fall
weiter ergründen – und dabei vor allem die Muskelkontraktion der
schnellsten Ameise der Welt in den Blick nehmen.

Bei ihren Forschungsarbeiten in der nordafrikanischen Wüste und im Labor
sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Universität Ulm
unterstützt worden.