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Infizierten-Fallzahlen, Verdopplungszeiten, Beträge staatlicher
Rettungspakete: Die Corona-Krise konfrontiert die Bevölkerung mit
Wahrscheinlichkeiten, exponentiellem Wachstum und großen Zahlen. Aber sind
die Menschen überhaupt in der Lage, in solchen Zusammenhängen zu denken?
Das hat Prof. Horst Müller-Peters vom Institut für Versicherungswesen der
TH Köln in einer annähernd bevölkerungsrepräsentativen Online-Befragung
mit rund 2.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern untersucht. Zudem zielte
die Studie auf die Sorgen und die Risikoeinschätzung der Bevölkerung in
der Corona-Krise sowie das Einhalten der Beschränkungen und Verbote.

„Um die Corona-Krise und die Gegenmaßnahmen beurteilen und verstehen zu
können, ist der Umgang mit Wahrscheinlichkeiten, großen Zahlen und
exponentiellen Trends erforderlich. Die Studie zeigt allerdings, dass sich
dies weitgehend dem menschlichen Vorstellungsvermögen entzieht“, sagt
Müller-Peters. So waren die Befragten aufgefordert, die Anzahl der Nutzer
einer App zu schätzen, die in einem Beispiel zwei Jahre lang monatlich um
20 Prozent steigt. 39 Prozent der Befragten trauten sich gar keine Antwort
zu. Die anderen unterschätzten den korrekten Wert. Je länger die Zeiträume
des Beispiels und je höher die monatlichen Steigerungen, umso stärker
wurden die Ergebnisse unterschätzt, bis sie keinen Bezug mehr zu den
realen Entwicklungen hatten.

Eine ähnlich gestaltete Untersuchung von Müller-Peters aus dem Jahr 2016
zeigt zudem, dass die meisten Befragten auch mit der Einschätzung von
Zahlen über einer Milliarde überfordert sind. „Es zeigt sich, dass die
meisten Menschen die Dynamik exponentieller Entwicklungen dramatisch
unterschätzen und auch den Umfang der aktuell diskutierten
Wirtschaftshilfen kaum begreifen können. Die Politik und die Medien sind
hier gefordert, solche Sachverhalte noch deutlicher anhand plastischer
Beispiel zu erläutern und damit nachvollziehbar zu machen“, so Müller-
Peters.

Sorgen und Risiken

Der Corona-Virus ist in den Köpfen der Bevölkerung zurzeit stark präsent.
Sehr viele der Befragten machen sich Sorgen, dass sie sich mit dem Corona-
Virus anstecken (über 60 Prozent), dass sie in eine wirtschaftliche
Notlage geraten (rund 50 Prozent) und dass sie an einer Infektion sterben
könnten (über 40 Prozent). „Andere Ängste geraten dabei aber nicht in den
Hintergrund. So sind etwa die Sorgen vor einem Herzinfarkt oder einer
Krebserkrankung im Vergleich zu 2016 nur sehr wenig gesunken“, sagt
Müller-Peters.

Wenn es nicht nur um die Sorgen, sondern um die Einschätzung der
konkreten, persönlichen Gefährdung geht, ändert sich die Reihenfolge nicht
wesentlich. Als größtes Risiko wird weiterhin die Ansteckung mit dem Virus
gesehen (über 50 Prozent). Ebenso wie Herzinfarkt und Krebs werden auch
die Ansteckung und eine wirtschaftliche Notlage von jeweils über einem
Drittel der Befragten als eine realistische Bedrohung angesehen. „Ausnahme
ist der mögliche Tod durch den Corona-Virus. Dieser ist bei 40 Prozent der
Befragten in den alltäglichen Ängsten präsent, aber nur 20 Prozent räumen
dem eine mittlere bis hohe Wahrscheinlichkeit ein“, sagt Müller-Peters.

Regelkonformität

Die Corona-Pandemie ist mit starken Einschränkungen im Alltag verbunden.
Über 60 Prozent der Befragten geben an, dass sie sich voll und ganz an die
Regeln halten, weitere 30 Prozent halten sich eher daran. Nur Fünf Prozent
bekennen sich dazu, die Regeln eher oder gar nicht zu befolgen.
„Die Frage, wer am ehesten gegen die Regeln verstößt, lässt sich anhand
soziodemographischer Daten nicht eindeutig beantworten. Zwar steigt der
Anteil derer, die die Regeln ‚voll und ganz befolgen‘, ab circa 45 Jahren
leicht an, insgesamt zeigen sich aber alle Altersgruppen weitgehend
regelkonform. Noch geringer sind die Unterschiede nach Einkommen, Bildung
oder Bundesland. Am ehesten findet sich noch eine Abweichung nach
Geschlecht, da Männer die Regeln etwas ‚lockerer‘ auslegen“, so Müller-
Peters.

Studiendesign

Für die Studie wurden mit dem Online-Panel von YouGov Deutschland zwischen
dem 31. März und dem 2. April 2020 insgesamt 2.028 Menschen über 18 Jahre
befragt, die in Deutschland leben. Die Ergebnisse wurden gewichtet und
sind annähernd bevölkerungsrepräsentativ.

Die vollständigen Ergebnisse stehen unter: <https://www.th-
koeln.de/mam/downloads/deutsch/hochschule/fakultaeten/wirtschafts_und_rechtswissenschaften
/muller-peters_risikowahrnehmung_corona_covid19.pdf
>

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