Pin It
Intelligente Straßenbeleuchtung in Tucson: Blick in eine Straße zum Vergleich zwischen einer Beleuchtungsstärke von 30 und 90 Prozent  John Barentine
Intelligente Straßenbeleuchtung in Tucson: Blick in eine Straße zum Vergleich zwischen einer Beleuchtungsstärke von 30 und 90 Prozent John Barentine

Satellitenbilder von nächtlich erleuchteten Orten und Straßen zeigen das
Ausmaß der „Lichtverschmutzung“ auf der Welt. Nur: Wie viel des Lichts,
das die Satelliten auffangen, stammt wirklich von Straßenlaternen und
nicht aus anderen Quellen? Ein Team von Forschenden aus Deutschland, den
USA und Irland hat diese Frage am Beispiel der US-amerikanischen Stadt
Tucson zum ersten Mal beantwortet – dank der "Smart
City"-Beleuchtungstechnologie, die es Städten ermöglicht, ihre Beleuchtung
zu dimmen. Das Ergebnis: Nur etwa 20 Prozent des Lichts in den
Satellitenbildern von Tucson stammt aus Straßenlaternen. Die Studie wurde
heute in der Zeitschrift "Lighting Research & Technology" veröffentlicht.

Das Team führte ein Experiment durch, in dem es die Helligkeit von
Straßenlaternen in der Stadt Tucson, Arizona, USA, verändern ließ und
beobachtete, wie dies die Wahrnehmung der Helligkeit der Stadt aus dem
Weltraum beeinflusste. Christopher Kyba vom Deutschen GeoForschungsZentrum
GFZ leitete das Team. Er sagt, die Studie sei wichtig, denn sie zeige,
dass Smart City Technologien für Experimente im Stadtmaßstab eingesetzt
werden können: „Wenn Sensoren und Steuerungssysteme in einer ganzen Stadt
installiert werden, ist es möglich, Prozesse der Stadt zu verändern und
die Auswirkungen auf die Umwelt zu messen, sogar vom Weltraum aus.“

An zehn Tagen im März und April 2019 änderten Stadtbedienstete in Tucson
die Helligkeitseinstellungen für etwa 14.000 der 19.500 Straßenlaternen
der Stadt. Normalerweise werden die meisten Straßenlaternen in Tucson am
Abend mit 90 Prozent ihrer maximal möglichen Beleuchtungsstärke
eingeschaltet und um Mitternacht auf 60 Prozent gedimmt. Während des
Experiments dämpfte die Stadt die Beleuchtung stattdessen in einigen
Nächten bis auf 30 Prozent, in anderen regelte sie das Licht auf 100
Prozent hoch. Die Lichter der Stadt wurden von dem Satelliten Suomi
National Polar-orbiting Partnership (NPP) beobachtet, der von den USA
betrieben wird und für seine globalen Karten des nächtlichen Lichts
berühmt ist. Der Satellit nahm wolkenfreie Bilder von Tucson auf: in vier
Nächten während des Tests und in zwei weiteren Nächten danach, mit
regulärem Beleuchtungsschema. Durch den Vergleich der Stadthelligkeit in
den sechs verschiedenen Nächten fanden die Forschenden heraus, dass in
einer normalen Nacht nur etwa 20 Prozent des Lichts in den
Satellitenbildern von Tucson aus Straßenlaternen stammt.

Die Ergebnisse haben wichtige Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit, so der
Mitverfasser der Studie, Dr. John Barentine von der International Dark-Sky
Association. In einem zweiten Experiment, das zur gleichen Zeit
durchgeführt wurde, haben Barentine, Kyba und ihre Koautoren die
Helligkeit des Himmels über Tucson von der Stadt aus vermessen. Dabei
haben sie ebenfalls untersucht, welchen Einfluss die Variation der
Beleuchtungsstärke von Straßenlaternen hat. So konnten sie zeigen, dass
auch der Großteil der Helligkeit des Himmels über Tucson aus anderen
Quellen stammen muss. „Zusammengenommen zeigen diese Studien, dass in
einer Stadt mit gut konzipierter Straßenbeleuchtung der größte Teil der
Lichtverschmutzung andere Ursachen hat, beispielsweise helle Fenster,
beleuchtete Schilder und Fassaden oder Sportplätze“, erklärt Barentine.
Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass lokale und nationale
Regierungen deshalb über mehr als nur die Straßenbeleuchtung nachdenken
müssen, wenn sie versuchen, die Lichtverschmutzung zu reduzieren.

Dem Team zufolge sind die Veränderungen in der Helligkeit der
Straßenbeleuchtung für Passanten kaum wahrnehmbar, da sich die Augen der
Menschen schnell an das Lichtniveau anpassen. Die Forschenden berichten,
dass die Stadt während des Tests keine Kommentare oder Beschwerden über
die veränderte Beleuchtung erhielt. Es gibt auch keine Hinweise oder
Andeutungen, dass die Reduzierung des Beleuchtungsniveaus als Teil des
Versuchs negative Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit hatte.

Kyba ist daher von der Idee begeistert, solche Experimente regelmäßiger
und in anderen Kommunen durchzuführen. „Anstatt die Beleuchtung jeweils
spätnachts auf immer das gleiche Niveau zu dimmen, könnte eine Stadt
stattdessen an geraden Tagen auf 45 Prozent und an ungeraden Tagen auf 55
Prozent dimmen“, schlägt Kyba vor. „Die Stadtbevölkerung würde keinen
Unterschied feststellen, aber auf diese Weise könnten wir messen, wie sich
der Beitrag der verschiedenen Lichtarten im Laufe der Zeit verändert.“

Weiteres Bildmaterial:
Nachtaufnahmen des Suomi NPP Satelliten (mit dem Tag-Nacht-Band im
Sichtbaren Infrarot Spektralbereich). Sie zeigen Tucson, USA, in den
Nächten des 31. März 2019 (als die meisten Straßenlaternen auf 30% des
Maximums gedimmt wurden) und am 7. April 2019 (als die Straßenlaternen auf
volle Leistung gestellt wurden). Der Unterschied ist in den westlichen
Stadtrandgebieten am größten, wo die Straßenlaternen einen größeren Anteil
der gesamten Lichtemission ausmachen.
Link:
https://media.gfz-
potsdam.de/gfz/wv/pm/20/11369_Satellit_Tucson_30vs100_de.gif