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Die 3,4-Megawatt-Forschungswindenergieanlage im Industriepark Bremen, die den WindIO-Tests dient (REpower, Typ 3.4M104), kann rund 3.000 Haushalte versorgen. Die Nabenhöhe beträgt 128 und der Rotordurchmesser 104 Meter.  Dennis Kruse  Dennis Kruse/Deutsche WindGuard
Die 3,4-Megawatt-Forschungswindenergieanlage im Industriepark Bremen, die den WindIO-Tests dient (REpower, Typ 3.4M104), kann rund 3.000 Haushalte versorgen. Die Nabenhöhe beträgt 128 und der Rotordurchmesser 104 Meter. Dennis Kruse Dennis Kruse/Deutsche WindGuard

Material schonen, Wartung unterstützen, Aufwand verringern, Windausbeute
steigern – initiiert durch die bremische Koordinierungsstelle ForWind -
Zentrum für Windenergieforschung (Bremen, Hannover, Oldenburg) ist an der
Universität Bremen ein Forschungsprojekt gestartet, das den ökologisch und
ökonomisch optimalen Betrieb von Windenergieanlagen mithilfe eines
digitalen Zwillings ermöglichen soll. Dafür entwickeln ForWind-Mitglieder,
das Institut für integrierte Produktentwicklung (BIK) und das Institut für
elektrische Antriebe, Leistungselektronik und Bauelemente (IALB),
gemeinsam mit acht Partnern eine Forschungs-Windenergieanlage zu einem
cyberphysischen System.

Der Titel des dreijährigen Forschungsprojektes lautet „Konzept und Aufbau
eines cyberphysischen Systems zur ganzheitlichen Entwicklung von
Windenergieanlagen“ (WindIO). Es hat einen Gesamtumfang von 3,1 Millionen
Euro und wird im 7. Energieforschungsprogramm „Innovationen für die
Energiewende“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit knapp
2,1 Millionen Euro gefördert. Begleitet wird das Vorhaben vom
Projektträger Jülich.

Neben dem BIK und dem IALB als Forschungspartner sind fünf Unternehmen als
Entwicklungs- und Anwendungspartner beteiligt: CONTACT Software (Bremen),
Pumacy Technologies (Berlin), fibretech composites (Bremen), Deutsche
WindGuard (Varel) und SWMS Consulting (Oldenburg) sowie als assoziierte
Partner Windrad Engineering (Bad Doberan), energy & meteo systems
(Oldenburg) und Deutsche Windtechnik Service (Ostenfeld).

Lösung liegt im Nutzen von „digitalem Zwilling“

Würden die technischen Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung
bieten, besser genutzt, könnten Windenergieanlagen (WEA) umweltschonender
und wirtschaftlicher betrieben werden, sind sich die Projektpartner
sicher. Bei ihren Forschungen und Entwicklungen setzen sie auf den
„digitalen Zwilling“. Das ist das virtuelle Abbild eines real
existierenden, also physischen Systems wie zum Beispiel das einer WEA. Im
Projekt WindIO wird der digitale Zwilling das dynamische Modell der
Forschungs-WEA vom Typ „Krogmann 15-50“ des IALB in Bremerhaven abbilden.
Auch eine zweite Forschungs-WEA der Universität Bremen wird für die
WindIO-Forschungen genutzt, eine vom Projektpartner Deutsche WindGuard
betriebene 3,4-Megawatt-WEA.

Vorhersage zu Betriebsverhalten und Lebensdauer

Um die realen Zustände in Echtzeit digital abbilden zu können, müssen
permanent Betriebsdaten aufgezeichnet und in den digitalen Zwilling
eingespeist werden. Hierfür sind zahlreiche Sensordaten erforderlich. Sind
die mechanischen und elektrischen Komponenten über ein Kommunikationsnetz
mit einem informationsverarbeitenden System verbunden, bezeichnet man die
Anlage als ein cyberphysisches System (CPS). Der digitale Zwilling ist
eine spezielle Anwendung eines CPS. Er unterstützt bei Tests und Prognosen
– von der Fertigung und Logistik über den WEA-Betrieb bis hin zur finalen
Wiederverwertung von WEA. Die Verknüpfung mit Wetter- und Lastprognosen
erlaubt zum Beispiel eine Vorhersage des Betriebsverhaltens und der
Lebensdauer. Das Verhalten von Anlagen oder deren einzelnen Komponenten im
realen Betrieb lässt sich so besser vorhersehen.

Test mit Bremer 3,4-Megawatt-Forschungs-Windenergieanlage

Die auf Basis der Krogmann-WEA entwickelte Software-Architektur soll
parallel für einen digitalen Zwilling der zweiten Forschungs-WEA
eingesetzt werden. So können Erkenntnisse zur industriellen
Übertragbarkeit der Methodik auf größere Anlagen gesammelt und Aussagen
über die Breitenwirksamkeit der Methodik getroffen werden.

„Bisher werden digitale Zwillinge in der Windenergietechnik nicht
flächendeckend eingesetzt. Ein Grund dafür ist ein zumeist restriktives
Informationsmanagement in der Windindustrie. Dadurch verzögert sich die
Entwicklung übergeordneter Betriebs- und Optimierungsstrategien, und die
Potenziale der Digitalisierung können nicht voll ausgeschöpft werden“,
sagt Dr.-Ing. Christian Zorn, Leiter der Koordinierungsstelle ForWind an
der Universität Bremen. Ein Projektziel liegt ihm daher besonders am
Herzen: „Wir wollen mit dem WindIO-Zwilling eine Datenbasis etablieren,
die den Austausch anlagenspezifischer Informationen für verschiedene
Nutzergruppen ermöglicht.“

Universelle, frei zugängliche Plattform

Die WindIO-Arbeiten sollen eine transparente Datengrundlage und eine frei
zugängliche Forschungsplattform zur Entwicklung und Integration neuer
Ideen und Optimierungsansätzen schaffen. Damit bieten sich völlig neue
Möglichkeiten für umfassende Forschungsaktivitäten mit realen Felddaten,
was unter anderem technischen wie ökonomischen Simulationen zur
Geschäftsmodellentwicklung als Grundlage dienen kann.

Das WindIO-System soll erheblich zur Verbesserung der Prognosen von
Wartungen und der belastungsminimalen Regelung von WEA beitragen. Durch
kontinuierliche, echtzeitfähige Anpassungen an die momentanen Betriebs-,
Last-, Umgebungsbedingungen und Berücksichtigung der individuellen
Randbedingungen soll eine optimale Betriebsführung garantiert werden
können, die zu einer erheblichen Kostensenkung der Energieerzeugung und
zur bestmöglichen Schonung von Ressourcen beiträgt.