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Im Krisenmodus: Die Wälder stehen vor einer unsicheren Zukunft, der Klimawandel hat die Forstwirtschaft fest im Griff. Ein DBUdigital-Online-Salon am Montag, 23. November, lotet Lösungswege aus.  Dr. Simon Thorn  © DBU
Im Krisenmodus: Die Wälder stehen vor einer unsicheren Zukunft, der Klimawandel hat die Forstwirtschaft fest im Griff. Ein DBUdigital-Online-Salon am Montag, 23. November, lotet Lösungswege aus. Dr. Simon Thorn © DBU

Stürme, Dürre, Brände und Borkenkäfer: Statt Mythen und Märchen lehren
mittlerweile teils drastische Folgen des Klimawandels das Fürchten im
Wald. Besonders die Fichte steht absehbar vor dem Aus. Es geht um die
„Zukunft der Wälder“ – so der Titel des nächsten Online-Salons der
Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) am Montag, 23. November, von 16 bis
17:30 Uhr. Die Frage lautet, welche Kompromisse möglich und nötig sind, um
Naturschutz und Waldbewirtschaftung in Einklang zu bringen.

Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis

Wissenschaft und Praxis sind deshalb gleichermaßen beim DBUdigital-Online-
Salon vertreten: Neben Friederike von Beyme von einem Forstbetrieb in
Sachsen-Anhalt und Christina Amling vom Regionalforstamt Bergisches Land
nehmen Dr. Klaus Merker, der Präsident der Niedersächsischen
Landesforsten, Prof. Dr. Christian Ammer, Leiter des Lehrstuhls „Waldbau
und Waldökologie“ der Universität Göttingen, sowie Waldökologe Dr. Simon
Thorn von der Universität Würzburg teil. So unterschiedlich deren
Perspektiven zur Zukunftsfrage der Wälder sind, eint sie alle dennoch ein
Anliegen: gemeinsam den Wäldern eine Zukunft zu bieten. DBU-
Generalsekretär Alexander Bonde sagt, der Wald stehe exemplarisch für die
Herausforderungen der Klimakrise auch in anderen Bereichen. Die
Zusammenarbeit von Naturschützern, Förstern und Waldbesitzern sei „eine
der Stellschrauben, damit Natur und Umwelt nicht zum reinen
Reparaturbetrieb der Klimakrise werden“.

Deren Dynamik sei unübersehbar. Bonde: „Die seit Jahrhunderten stabile
Forstwirtschaft gerät nach nur drei Dürresommern in Folge plötzlich ins
Wanken.“ Eine solche Entwicklung zwinge zum Umdenken. Notwendig sei eine
Waldbewirtschaftung, „die sich nicht nur an die Klimafolgen anpasst,
sondern sie zugleich abmildert“. Bonde weiter: „Die Stiftung versteht sich
dabei als Brückenbauerin zwischen verschiedenen Positionen. Und deshalb
stoßen wir diese Debatte an.“

„Kontroverse muss aufhören“

Wie ernst die Lage ist, erläutert Prof. Dr. Ammer von der Universität
Göttingen: „Tatsächlich wird es drastische Veränderungen geben, deren
erste Vorzeichen wir im Moment erleben. So hat die Fichte in vielen Teilen
Deutschlands in absehbarer Zeit keine Zukunft mehr.“ Das heißt Ammer
zufolge bei der Anpassung an den Klimawandel und dem „dazu notwendigen
Waldumbau“, sich an ökologischen Prozessen zu orientieren. Und: „Die lange
Zeit geführte Kontroverse zwischen Naturschützern auf der einen und
Waldbesitzern auf der anderen Seite“ müsse aufhören, um zu „gemeinsamen
Lösungen“ zu gelangen. Es sei im Einzelfall abzuwägen, ob sich Flächen auf
natürlichem Weg zu einem artenreichen Mischwald entwickeln oder ob dazu
kein Potenzial bestehe. In diesen Fällen sei es nachzuvollziehen, „dass
Waldbesitzer durch Saat oder Pflanzung umgehend neue Bestände begründen
wollen“.

„Ein Riesen-Dilemma“

Waldbesitzerin Friederike von Beyme bestätigt diese Einschätzung. Ihr 500
-Hektar-Forstbetrieb bestehe zu rund zwei Dritteln aus Buchen, der Rest
sei Fichtenbestand. „Aber in den vergangenen drei Jahren – durch Stürme,
Dürren und Borkenkäferbefall – ist von den Fichten nicht mehr viel übrig“,
sagt von Beyme. Das sei „ein Riesen-Dilemma. Denn die Fichte ist für jeden
Waldbesitzer der „Brotbaum“. Dieses Industrieholz bringt die Erträge.“
Geplante Erlöse der nächsten 20 bis 30 Jahre seien plötzlich weggebrochen.
Hinzu kommt laut von Beyme: Der Fichtenmarkt und sogar der gesamte
Industrieholzsektor in ganz Europa seien zusammengebrochen, „weil zu viel
Holz im Angebot ist und so die Preise drückt“. Fichtenholz wird unter
anderem für Balken im Dachstuhl und in der Zellstoffindustrie zum Beispiel
für Papier verwendet. Bedrohlich laut von Beyme auch: Die Folgen von
ausbleibendem Niederschlag in den vergangenen Jahren seien „dramatisch“.
Und weiter: „Teils gibt es trockene Böden noch in ein bis zwei Meter
Tiefe. Die Fichte ist aber ein Flachwurzler, trocknet quasi aus.“ Von
Beymes Sorge: Bedingt durch die Ausdörrung der Böden, könnten künftig auch
Buchen im Bestand gefährdet sein.

Internationales Forschungsteam

Waldökologe Dr. Simon Thorn von der Universität Würzburg ist derweil mit
einem internationalen Forschungsteam bei der Untersuchung der Folgen von
Waldbränden, Borkenkäferbefall und anderen Schäden zu folgender Erkenntnis
gekommen: „Es empfiehlt sich sicher, kritisch durchzurechnen, ob sich nach
einem Schaden die Räumung des Waldes tatsächlich lohnt. Oder ob man auch
einmal diese gängige Praxis überdenkt. Denn auch eine Räumung gibt es ja
nicht zum Nulltarif, und sie wirkt sich nachteilig auf die biologische
Vielfalt aus.“ Vor allem: „Würden rund 75 Prozent eines natürlich
gestörten Waldgebietes nicht aufgeräumt, könnte man nahezu 90 Prozent des
dortigen Artenreichtums erhalten.“

Waldbau-Professor Ammer ist zwar zuversichtlich, dass die verschiedenen
Interessen von Naturschutz und Forstwirtschaft unter einen Hut gebracht
werden können. Bei allem Optimismus treibt ihn aber eine Sorge an:
Waldbauliche Maßnahmen allein reichen seiner Ansicht nach kaum aus, um den
Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) zu verringern. Vielmehr müsse sich „auch
das Konsum- und Mobilitätsverhalten von uns allen drastisch und schnell
ändern“. Denn in der Debatte über eine Erderwärmung um 1,5 oder 2 Grad im
Vergleich zur vorindustriellen Zeit werde eines oft unterschlagen: Es
handle sich bei diesem Wert um einen globalen Mittelwert. Ammer: „Da die
Erdoberfläche aber zu 70 Prozent von Ozeanen bedeckt ist, die sich
langsamer erwärmen als die Landfläche, bedeutet ein globaler Mittelwert
von 2 Grad, dass die Erwärmung der Landfläche ungleich höher ausfallen
muss.“ Dort sei laut Experten eine Erhöhung der Temperatur um 4 Grad bis
zum Ende des Jahrhunderts wahrscheinlich. „Für Wälder hätte dies schwer
vorhersagbare Folgen“, sagt Ammer.
All das verspricht eine spannende Debatte beim DBUdigital-Online-Salon am
kommenden Montag, 23. November, von 16 bis 17:30 Uhr. Infos und
Anmeldungen unter: https://www.dbu.de/550artikel38830_2440.html