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Bei der Begrüßung der Teilnehmer/innen des 10. LLC: Hochschulpräsident Prof. Dr. Fritz Pörnbachcher (r.u.) mit Prof. Dr Otto Huber (r.o.) und den Referenten Ministerialrat Werner Loscheider (BMWi, l.o.) und Prof. Dr. Christoph Friedrich (Uni Siegen).  Hochschule Landshut
Bei der Begrüßung der Teilnehmer/innen des 10. LLC: Hochschulpräsident Prof. Dr. Fritz Pörnbachcher (r.u.) mit Prof. Dr Otto Huber (r.o.) und den Referenten Ministerialrat Werner Loscheider (BMWi, l.o.) und Prof. Dr. Christoph Friedrich (Uni Siegen). Hochschule Landshut

10. Landshuter Leichtbau-Colloquium bot aktuelle Erkenntnisse, neue
Methoden und Leichtbau-Lösungen aus Wissenschaft und Praxis

Mit mehr als 370 Anmeldungen konnte sich die Organisatoren des erstmals
online ausgetragenen 10. Landshuter Leichtbau-Colloquiums (24./25. Februar
2021, Hochschule Landshut) über einen Teilnehmerrekord freuen. In rund 30
Fachvorträgen beleuchteten Experten/innen bei dem Fachtreff der Hochschule
Landshut und des Leichtbau-Clusters die vielfältigen Aspekte, neue
Forschungserkenntnisse über Materialien, Verfahren, Fertigungsprozesse und
industrielle Lösungen dieser Schlüsseltechnologie für die
Ressourceneffizienz.

„Leichtbau liegt im Trend“ ist Hochschulpräsident Prof. Dr. Fritz
Pörnbacher in seiner Begrüßung der Teilnehmer/innen überzeugt. Der
Leichtbau sei dabei eine Schlüsseltechnologie, wie Staatssekretärin
Elisabeth Winkelmeier-Becker (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
BMWi) in ihrem digitalen Grußwort erklärte. Das Landshuter Leichtbau-
Colloquium leiste für den Ausbau des Leichtbaus durch die Vernetzung von
Akteuren aus Wirtschaft und Wissenschaft einen wichtigen Beitrag. Dies ist
auch einer der Gründe für die Übernahme der Schirmherrschaft des
Colloquiums durch das Bundesministerium.

„Die Verquickung von Leichtbau und Ressourceneffizienz ist ein wichtiger
Hebel, um das Thema Ressourceneffizienz anzugehen“, zeigt sich
Ministerialrat Werner Loscheider (BMWi) überzeugt, der in seinem Vortrag
die vor fünf Jahren gestartete Initiative Leichtbau mit ihren vielfältigen
Maßnahmen vorstellte. Ein Blick in den Leichtbauatlas mit aktuell 692 im
Thema aktiven Partnern verdeutliche, dass der Leichtbau eine ausgeprägte
Querschnittstechnologie über Branchen, Materialien und
Fertigungstechnoligen hinweg sei. Herzstück der Initiative Leichtbau sei
das Technologietransfer-Programm Leichtbau (TTP LB) mit dem Ziel, den
Leichtbau als Zukunftstechnologie weiterzuentwickeln. Als aktuelle
Herausforderungen für den Leichtbau betrachtet er die Schaffung von
digitalisierten Wertschöpfungsketten, Kosten zu senken, eine
Serientauglichkeit herzustellen sowie Recyclingprozesse zu verstetigen.
Letzteres im Besonderen für Verbundmaterialien.

Leichtbau früh als Schlüsseltechnologie für Ressourceneffizienz erkannt

Mit dem Thema „Leichtbau – von der Wissenschaft bis zur
Schlüsseltechnologie für Ressourceneffizienz“ habe man die auch in Politik
und Gesellschaft stark gestiegenen Bedeutung des Leichtbaus im 10.
Landshuter Leichtbau-Colloquium (LLC) aufgegriffen, wie Initiator Prof.
Dr. Otto Huber in seiner Einführung erklärte. Dabei habe man sich in
Landshut bereits frühzeitig, beim LLC 2009, mit dem Thema „Leichtbau als
Schlüsseltechnologie für Material- und Energieeffizienz und Klimaschutz“
befasst. Mit dem 2002 an der Hochschule Landshut gegründeten Leichtbau-
Cluster und dem LLC habe man eine Community geschaffen, um gemeinsame
Leichtbau-Aktivitäten zu forcieren. Das dies gelungen sei, zeigte er an
der Entwicklung des Leichtbau Kompetenzzentrums an der Hochschule Landshut
(LLK): Eine Vielzahl an geförderten Forschungsprojekten mit starken
Partnern aus Wissenschaft und Unternehmen seien ebenso wie Studiengänge im
Bereich Leichtbau – aktuell der Bachelor „Additive Fertigung - Werkstoffe,
Entwicklung und Leichtbau“ – entstanden, die Labor- und Personalressourcen
konnten deutlich erweitert und zusammen mit der Paris Lodron Universität
Salzburg habe man ein grenzüberschreitendes Leichtbau-Forschungszentrum
etabliert.

Dabei gäbe es im Bereich Leichtbau weiterhin großen Forschungsbedarf, um
dessen Potenzial weiter entfalten zu können. Dies z.B. auch in der
Werkstoffcharakterisierung und -modellierung von Magnesiumknetlegierungen,
die bei einer zyklischen Biegebeanspruchung um ein bis zu 66 Prozent
geringeres Gewicht als Stahl, aber auch ein komplexes Materialverhalten
aufweisen. Am LLK forsche man, um die Voraussetzungen zu schaffen, die
Ermüdungslebensdauer zu analysieren und Beanspruchungsanalysen im elasto-
plastischen Bereich per FEM durchführen zu können. Auch Ergebnisse von
Untersuchungen am LLK zu intermetallischen Titan-Aluminium-Legierungen zur
Substitution von Superlegierungen (z.B. Nickelbasislegierungen) bei
Hochtemperaturanwendungen und zum Potenzial von Eisen-Aluminiden als
preiswerter Ersatz für Stähle, Nickel- und Kobalt-Basislegierungen für
Temperaturbereiche bis ca. 700 °C wurden präsentiert. Die Herstellung von
Preforms aus Glasschaumgranulat, mit welchen auch mehrfach gekrümmte
Sandwichelemente aus zellularem Verbundwerkstoff und integrierten
faserverstärkten Deckschichten in Gusspolyamid-6-Matrix gefertigt werden
können, war ein weiteres Thema, das im Rahmen des LLC präsentiert wurde.

Weiteres Leichtbaupotenzial sieht Prof. Huber u.a. in der additiven
Fertigung, aber besonders auch in der Digitalisierung und der Abbildung
von Produkten in einem digitalen Zwilling. Dabei müsse die gesamte Kette
von der Entstehung über die Nutzung bis hin zum Recycling und der erneuten
Nutzung - auch unter wirtschaftlicher Abwägung - betrachtet werden, um
effiziente Leichtbau-Strukturen generieren zu können.

Intelligente Leichtbau-Produkte entwickeln

Die zentrale Bedeutung des Leichtbaus für innovative Produkte von morgen
betonte Prof. Dr. Christoph Friedrich (Universität Siegen) in seinem
Plenumsvortrag. Ziel müsse sein, das Potenzial des Leichtbaus für
intelligente Produkte mit Zugewinn für Nutzer und Gesellschaft aber auch
unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen Aspekten, zu nutzen.
Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit, Preis und Nachhaltigkeit seien dabei
wichtige Produktionskriterien. Bei zunehmend komplexen Produkten seien im
Leichtbau Kompetenzen über Werkstoffe, Konstruktion und Fertigung hinaus
notwendig. Die etablierten Kennwerte wie Steifigkeit, Dichte oder
Festigkeit seien insgesamt nicht mehr ausreichend, auch Kosten, Energie-
oder Rohstoffaufwand müssten in die Betrachtung mit einfließen. Dafür
seien übergreifend qualifizierte Mitarbeiter/innen die Basis, besonders
die Weiterbildung spiele deshalb eine wichtige Rolle.

Im zweiten Plenumsvortrag der Veranstaltung befasste sich Stefanus Stahl
(BMW Group, Additive Manufacturing Campus, Oberschleißheim) mit den
Einsatzmöglichkeiten und Potenzialen der Additiven Fertigung im
Fahrzeugbau, dies auch unter Berücksichtigung von Kostenaspekten. Die
Additive Fertigung (AF) habe einen enormen Pusch erfahren, stehe aber in
Konkurrenz zu anderen Fertigungstechnologien. Das zusätzliche Reduzieren
von Masse und Designvorteile, z.B. zur Umsetzung von zusätzlichen
Funktionen, schaffen ein enormes Potenzial, besonders die optimierte
Geometrie sei ein großer Vorteil, wie er ausführte. So könne man z.B.
innerhalb eines Bauteils Materialeigenschaften wie Festigkeiten je nach
speziellen Anforderungen variieren oder auch nur die Anzahl der
Fügestellen reduzieren. Auch zusätzliche Funktionen, beispielsweise der
integrierte Bremsflüssigkeitskanal bei einem Bremssattel, böten neue
Möglichkeiten.

Dabei müssten AF-gefertigte Bauteile kosteneffizient sein, um in der
Serienproduktion eingesetzt zu werden. Kleinere Komponenten additiv zu
fertigen, könnte sich durchaus auch bei größeren Stückzahlen lohnen. Je
größer ein Bauteil sei, umso schwieriger werde dies. Zuerst müssten
Gewicht sowie Material und damit Maschinenkosten minimiert werden,
Topologieoptimierung und generatives Design spielten eine große Rolle.
Stützstrukturen seien Kostentreiber, die soweit möglich minimiert werden
sollten. Und je mehr Bauteile in den Bauraum eines 3D-Druckers passen,
umso günstiger werde die Produktion. Bei BMW werde der Motorsport mit
geringen Stückzahlen als Erfahrungsfeld genutzt, doch seien bereits auch
additiv gefertigte Komponenten im Serieneinsatz, bei denen es gelungen
sei, nicht nur Gewichtsvorteile, sondern auch Kosteneffizienz zu erzielen.

Vorträge zeigten die große Bandbreite der Querschnittstechnologie
Leichtbau

Im Folgenden standen beim 10. LLC 28 Vorträge in 12 Sessions mit
relevanten Leichtbau-Themen auf dem Programm, in denen viele Innovationen,
unterschiedliche Forschungsansätze, innovative Fertigungskonzepte und
Produktentwicklungen das große Potenzial aber auch die Herausforderungen
des Leichtbaus erkennen ließen.
Einen Paradigmenwechsel für eine effiziente Auslegung, Konstruktion,
Optimierung und Fertigung von Platten und Schalen in Faserverbundbauweise
verspricht ein von Prof. Dr. Klemens Rother (Hochschule München)
vorgestellter Ansatz. Dies auf Grundlage von konstanten Materialkennwerten
auf Basis der „Trace“ bzw. Spur der Steifigkeitsmatrix (Tsai´s Modulus)
und dem Verzicht auf die bisher üblichen Lagenwinkel (0°, 45°, 90°) bei
der Ausrichtung von Laminaten. Er beklagte die häufig traditionell
geprägten Denkansätze im Maschinenbau. Dem stimmte auch Wolfram Schmucker
(AT Gesellschaft für technische Realisierung im Bereich Bootsbau und
Kunststofftechnik mbH, Gilching) zu, der innovative Lösungen für die
Gewichtsreduktion anhand der Substitution schwerer Materialien durch CFK-
Bauteile mit dem Tailored Fiber Placement (TFP)-Verfahren vorstellte.

Die Ähnlichkeitstheorie stellt für Dr. Michael Roth (PSW automotive
engineering GmbH, Gaimersheim) eine Möglichkeit zur Verringerung der
Entwicklungskosten bei der Auslegung von Strukturen z.B. im Fahrzeugbau
dar. Eine innovative Warmumformung, die so genannte „Hot Die Forming
(HDF)-Technologie“, die eine effiziente Umformung von Metallen und
insbesondere von anspruchsvollen Legierungen aus Aluminium, Magnesium oder
Stahl verspricht, erläuterte Prof. Dr. Jürgen Hirsch (HoDforming GmbH,
Düsseldorf).

Darüber hinaus wurden in weiteren Vorträgen Ergebnisse von Untersuchungen,
u.a. zu Einflüssen von verschiedenen Fertigungsverfahren auf mechanische
Eigenschaften von CFK-Rohren, von gekrümmten FVK-Strukturen oder die
Vliesstoffherstellung aus recycelten Carbonfaserabfällen vorgestellt.
Erkenntnisse zu Reparaturverfahren für geschädigte Duroplast-CFK-Bauteile
wurden ebenso erläutert, wie der Vergleich verschiedener Reparaturkonzepte
für Metall-Faserverbund Hybridrohre oder der relevante Einfluss der
Oberflächenrauigkeit für das strukturelle Kleben von
Faserverbundkunststoffen.

Ein neuer Verbundwerkstoff mit in Aluminiumschaum eingelagerten
partikelgefüllten Hohlkugeln (HoverLIGHT) mit besonderen
Dämpfungseigenschaften, hochtemperaturbeständige hybride Mica-
Faltkernsandwichstrukturen oder Metallschäume mit Regelgeometrie und per
3D-Druck in Wachs gefertigte Formen waren weitere Themen. Im Bereich der
additiven Fertigung wurden auch Studien z.B. zu thermomechanischen
Wechselwirkungen beim additiven Schmelzschichtverfahren oder zu
mikromechanischen Betrachtungen von additiv hergestellten
endlosfaserverstärkten Thermoplasten gezeigt.

Anwendungsbeispiele und Fertigungstechnik aus der Industrie

MAN Truck & Bus SE bot sowohl einen Einblick in den aufwändigen
Entwicklungsprozess eines neuen Hochdaches für LKW-Fahrerkabinen in
Sandwichbauweise per RTM-Verfahren sowie auch in die aufwändige
Entwicklung eines verlässlichen Simulationsverfahrens zur Bewertung von
Schweißnahtverbindungen bei Bussen mit Validierung am Gesamtfahrzeug. Die
Entwicklung eines hybriden Bremsscheibenschutzes mit stoffschlüssiger
Verbindung zwischen Duroplast und Thermoplast zeigte die KTM
E-Technologies GmbH. Einen bauraumoptimierten Wasserstofftank mit innerer
Zugverstrebung entwickelten die BMW Group und die Hochschule München.
Technische Neuerungen auf dem Weg vom Tape zum maßgeschneiderten Bauteil
im Takt der Spritzgussanlage und die Optimierung des Aufheizprozesses von
thermoplastischen Composites erläuterte ENGEL AUSTRIA. Die Vorteile der
Optimierung der thermischen Stabilisierung durch inline-
Elektronenbehandlung von Präkursorfasern und faserverstärkten Kunststoffen
zeigte die ASIS GmbH. Eine durch Neue Materialien Bayreuth GmbH gezeigte
Prozesskette (FORCE – Functionalized Oriented Composites) ermöglicht das
Tapeablegen in jeder Winkellage, über einen digitalen Zwilling werde die
Produktion simuliert und überwacht. Eine ressourceneffiziente
Fertigungstechnologie durch eine digitale Prozesskette unter Einbindung
von Blockchain-Technologie wurde bei Neue Materialien Fürth GmbH
entwickelt.