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Die Grüne Finanzbranche ist im Aufwind. Der Bedarf an Expert*innen mit einem breiten Spezialwissen rund um Green Energy Finance wächst.  Sylke Schumann  Sylke Schumann / HWR Berlin
Die Grüne Finanzbranche ist im Aufwind. Der Bedarf an Expert*innen mit einem breiten Spezialwissen rund um Green Energy Finance wächst. Sylke Schumann / HWR Berlin

Der Bedarf an Expertenwissen im Bereich Erneuerbare Energien-,
Energieeffizienz- und Klimafinanzierung steigt. Alexander Boensch von der
RENAC AG im Interview zum Finanzmanagement für die Energiewende.

Zur Person
Alexander Boensch (M.A.) ist Project Director im Bereich Bio Energy /
Renewable Energy and Energy Finance der Renewables Academy AG (RENAC),
einem international ausgerichteten Bildungsanbieter, spezialisiert auf
Erneuerbare Energie-Technologien und Energieeffizienz. In Kooperation mit
der Berlin Professional School der Hochschule für Wirtschaft und Recht
Berlin (HWR Berlin) bietet die RENAC ab Oktober 2021 ein
berufsbegleitendes Online-Master-Weiterbildungsstudium mit dem Schwerpunkt
„Green Energy and Climate Finance“ an.

Wie können Banken dem Klimawandel etwas entgegensetzen?

Green Energy Finance liefert einen Rahmen für die systematische,
standardisierte Arrangierung und anschließende sichere Umsetzung von Green
Energy-Investitionen. Banken, andere Finanzinstitutionen und die
weltweiten Kapitalmarktakteure können mit ihrer bewussten Entscheidung,
zukünftig nur noch diese Energieprojekte und fossile
Energieerzeugungsprojekte nicht mehr zu finanzieren, das Fortschreiten des
Klimawandels direkt beeinflussen. Voraussetzung ist natürlich immer, dass
neue Green Energy-Projekte auch wirklich in gleichem Maße bestehende
konventionelle Energieerzeugungseinheiten ersetzen. Hierfür muss die
Politik klare Vorgaben zur Reduzierung der fossilen Energieproduktion
machen.

Was ist Green Energy Finance?

Green Energy Finance befasst sich mit Methoden und Modellen zur
Strukturierung und Finanzierung von Erneuerbaren Energien,
Energieeffizienz- und Klimafinanzierungsprojekten. Das hierfür benötigte
interdisziplinäre Fachwissen umfasst klassische kaufmännische Bereiche wie
Finanzierung, Bewertung, Transaktionsstrukturierung, Marketing und
Strategieformulierung. Hinzu kommen technisch-ingenieurwissenschaftliche
Kenntnisse sowie juristisches Wissen in Hinblick auf branchentypische
Vertragsstrukturen und das Aufsetzen geeigneter
Gesellschaftskonstellationen.

Welche besonderen Faktoren spielen hier eine Rolle?

Das Hauptziel ist die „Erlangung der ‚Bankability‘“. Es geht darum, in
ausreichendem Maße Geldmittel für die schnelle, flächendeckende und
professionelle Realisierung von Green Energy-Projekten zu beschaffen und
zur Verfügung zu stellen. Hierfür ist eine geeignete Vorstrukturierung
erforderlich, damit die Projekte einen qualitativen Status erlangen, der
es Eigen- und Fremdkapitalgeber auf Basis ihrer jeweiligen
Investitionskriterien ermöglicht einzusteigen. Ein wichtiger Aspekt dabei
sind oft neben projektspezifischen Faktoren vorhandene oder nicht-
vorhandene politische und institutionelle Rahmenbedingung.

Bei Green Energy Finance geht es auch um die Minimierung bzw. das Managen
von Klimarisiken für Kreditinstitute?

Die meisten Kreditinstitute haben in der Vergangenheit in nennenswertem
Umfang Kredite an Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft vergeben.
Durch das zunehmende Fortschreiten der Energiewende sind manche dieser
fremdfinanzierten Investitionen bereits unwirtschaftlich geworden. Für
andere besteht die akute Gefahr, dass die Unwirtschaftlichkeit in den
nächsten Jahren einsetzt oder Assets gar nicht mehr gebraucht werden und
nur noch abgeschaltet werden können, unter anderem auch verursacht durch
steigende CO2-Preise. Solche sogenannten „stranded assets“ können bei den
geldgebenden Instituten zu existenzbedrohenden Kreditausfällen führen,
wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und angemessen gemanagt werden. Mehr
und mehr Kreditinstitute finanzieren heute gar keine konventionellen
Energieinvestitionen mehr, sondern fokussieren ausschließlich auf Green
Energy-Projekte.

Wie unterscheidet sich Green Energy Finance von anderen Finanzbereichen?

Ein wichtiges Merkmal ist die ausgeprägte Stakeholder Value-Orientierung
mit dem Ziel der Harmonisierung der Interessen aller Projektbeteiligten.
Mehr als sonst müssen vielfältige Perspektiven berücksichtigt und
kompromissorientiert in Einklang gebracht werden. Das erfordert ein hohes
Maß an Kooperationsbereitschaft.  Zudem werden nachhaltige
Finanzierungsinstrumente angewendet, die einen expliziten Bezug zu einem
oder mehreren der drei ESG-Kriterien Umwelt, Soziales und
Unternehmensführung (Environmental, Social und Governance) haben. Es
braucht Wissen um die umfassende Einbindung von ESG-kompatiblen
Organisationsprozessen. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist der Fokus
auf Projektfinanzierung als zentrales (und ein Stück weit auch
demokratisches) Finanzierungsinstrument, das die Akteursvielfalt
unterstützt.

Wie grün ist Green Energy Finance (wirklich), Stichwort „Greenwashing“?

Es geht in der Tat primär ums Geld – aber um Geld, mit dem Erneuerbare
Energien-, Energieeffizienz- und Klimaprojekte realisiert werden können,
damit diese in Zukunft die fossile Energieerzeugung möglichst umfassend
ersetzen und den weltweiten CO2- und Schadstoffausstoß der
Bestandstechnologien reduzieren. Akteurinnen und Akteure in diesem
Finanzbereich arbeiten also aktiv an der weltweiten Energiewende mit.
Welche Farbe das Geld letztlich hat, darf jeder selbst entscheiden.
Wichtig ist dabei, dass es für Vorhaben bereitgestellt wird, die die
genannte Definition von „Green Energy“ erfüllen.

Was kann und muss getan werden, um den Einsatz sauberer
Energietechnologien zu beschleunigen?

Die Standardisierung von Projekt- und Finanzierungsansätzen ist wichtig
für die Erhöhung der Umsetzungsgeschwindigkeit, ebenso die Bündelung
kleiner und Kleinstprojekte zu größeren, finanzierbaren Einheiten, damit
Transaktionskosten reduziert werden. Für Investitionen in Schwellen- und
Entwicklungsländern müssen neue De-risking-Instrumente erarbeitet und die
Anwendung bestehender Instrumente ausgebaut werden. Gut ausgebildete
Spezialist*innen können die komplexen Herausforderungen des
Projektgeschäftes besser umsetzen und kennen alternative
Handlungsstrategien zur zielgerichteten Lösung von Problemen in diesem
Feld.

Welchen Anteil hat Green Energy Finance aktuell am Bankensektor?

Angaben des UNEP Centres an der Frankfurt School of Finance (UNEP ist das
Umweltprogramm der Vereinten Nationen) und Bloomberg New Energy Finance
zufolge wurden im Jahre 2019 weltweit insgesamt 282,2 Milliarden US-Dollar
für Green Energy-Investitionen bereitgestellt (2018: 280,2 Milliarden US-
Dollar). Diese Zahlen schließen allerdings Eigen- und Fremdkapitalbeträge
ein und fokussieren damit nicht nur auf den Bankensektor.

Welche Entwicklung sehen Sie?

Während die Investitionen weltweit in vielen Märkten stark steigen, liegt
Deutschland aktuell mit 4,4 Milliarden US-Dollar in 2019 ca. 30 Prozent
unter dem Vorjahresniveau, hat aber in den vergangen 20 Jahren in Summe
bereits mehr als 330 Milliarden US-Dollar investiert und erzeugt
mittlerweile 50 Prozent seines Stromes aus Erneuerbaren Energien. EU-weit
betrug das Investitionsvolumen in 2019 insgesamt 54,6 Milliarden US-Dollar
(ein Minus von 7 Prozent im Vergleich zu 2018).

Die absoluten Beträge sind indes nur begrenzt aussagefähig, da die
spezifischen Investitionskosten für die beiden Haupttechnologien Wind und
Solar infolge von Skaleneffekten stetig sinken, wodurch die gleiche
Kapazität jährlich zu niedrigeren Gestehungskosten errichtet werden kann.
Insgesamt ist für mindestens die kommenden zwei Jahrzehnte mit einer
weiterhin anhaltend hohen Nachfrage nach Green Energy Finance und in
diesem Bereich gut ausgebildeten Spezialist*innen zu rechnen.

Was zeichnet Green Energy Finance-Spezialist*innen aus?

Die Finanzierung von Green Energy-Investitionen verlangt ganz verschiedene
Spezialkenntnisse, über die generalistisch ausgebildete Finanzierer*innen
in der Regel so nicht verfügen. Dies betrifft insbesondere die
internationale Projektfinanzierung, Management und Durchführung von
branchenüblichen Due Diligence-Prozessen und Asset-basierte
Finanzmodellierung in Excel. Darüber hinaus werden umfassende Kenntnisse
über Vergütungsmechanismen und Output-Vermarktung zum Beispiel von
Grünstrom benötigt. Die zielgerichtete Einbindung internationaler,
multilateraler und von Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen sowie des
Kapitalmarktes (Stichwort: Green Bonds) spielt ebenfalls eine wichtige
Rolle. Außerdem bedarf es natürlich detaillierten Wissens über die
wichtigsten Technologien, die bei derartigen Vorhaben zum Einsatz kommen,
sowie über die zugehörigen Vertragsstrukturen.

Wo kann man sich diese Kompetenzen aneignen?

RENAC hat im Vorfeld eine interne Marktanalyse durchgeführt und den Bedarf
an akademischen Finanzkursen im Bereich Erneuerbare Energien-,
Energieeffizienz- und Klimafinanzierung ermittelt. Zusätzlich konnte aus
der weltweit starken Nachfrage für das von uns bereits angebotene ‚Green
Energy Finance Specialist‘-Zertifikatsprogramm abgeleitet werden, dass es
auch für weiterführende Qualifizierungsangebote einen Markt gibt.

Um interessierten Studierenden die Möglichkeit zu geben, mit dem Thema
„Green Energy and Climate Finance“ eine akademische Weiterbildung
abschließen zu können, wurde ein berufsbegleitender Master-Studiengang in
Zusammenarbeit mit der Berlin Professional School der Hochschule für
Wirtschaft und Recht Berlin entwickelt. Er startet im Oktober 2021 und
wird als Online-Studium angeboten. Bewerbungen können übrigens noch bis
31. August eingereicht werden.

Herr Boensch, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Sylke Schumann, Pressesprecherin der Hochschule für
Wirtschaft und Recht Berlin.

Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin ist mit über 11 500
Studierenden eine der großen Hochschulen für angewandte Wissenschaften –
mit ausgeprägtem Praxisbezug, intensiver und vielfältiger Forschung, hohen
Qualitätsstandards sowie einer starken internationalen Ausrichtung. Das
Studiengangsportfolio umfasst Wirtschafts-, Verwaltungs-, Rechts- und
Sicherheitsmanagement sowie Ingenieurwissenschaften in über 60
Studiengängen auf Bachelor-, Master- und MBA-Ebene. Die HWR Berlin
unterhält 195 aktive Partnerschaften mit Universitäten auf allen
Kontinenten und ist Mitglied im Hochschulverbund „UAS7 – Alliance for
Excellence“. Als eine von Deutschlands führenden Hochschulen bei der
internationalen Ausrichtung von BWL-Bachelorstudiengängen und im Dualen
Studium belegt die HWR Berlin Spitzenplätze in deutschlandweiten Rankings
und nimmt auch im Masterbereich vordere Plätze ein. Die HWR Berlin ist
einer der bedeutendsten und erfolgreichen Hochschulanbieter im
akademischen Weiterbildungsbereich und Gründungshochschule. Die HWR Berlin
unterstützt die Initiative der Hochschulrektorenkonferenz „Weltoffene
Hochschulen – Gegen Fremdenfeindlichkeit“.

https://www.hwr-berlin.de