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Bürgerwissenschaftler:innen mit Bat Detector im Einsatz  Christof Häberle  Christof Häberle/Leibniz-IZW
Bürgerwissenschaftler:innen mit Bat Detector im Einsatz Christof Häberle/Leibniz-IZW

Verstädterung stellt eine erhebliche Bedrohung für Fledermauspopulationen
auf der ganzen Welt dar, insbesondere durch künstliches Licht während der
Nacht und die Verringerung des Lebensraums und Nahrungsangebots. Unter
bestimmten Voraussetzungen können jedoch Flächen innerhalb von
Ballungsräumen für Fledermäuse geeignet sein, so dass ein entsprechender
Umgang mit diesen Flächen zum Fledermausschutz beitragen kann. Ein
Wissenschaftsteam des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung
identifizierte mit der Unterstützung von mehr als 200 Berliner
Bürgerwissenschaftler:innen diese Bedingungen und erforschte, wie sie sich
auf die Verbreitung und Häufigkeit von Fledermausarten auswirken.

Das Team des Leibniz-IZW kommt zu dem Schluss, dass bereits ein geringes
Maß an nächtlichem künstlichem Licht für alle Fledermäuse in Städten
nachteilig ist, für viele ist darüber hinaus der Zugang zu Vegetation und
Gewässern wichtig. Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen sind in der
Fachzeitschrift „Environmental Pollution" veröffentlicht.

Der Verlust der biologischen Vielfalt gefährdet wichtige
Ökosystemfunktionen und damit die Gesundheit und das Wohlergehen der
Menschen in einer Größenordnung, die mit anderen Prozessen des globalen
Wandels wie dem Klimawandel vergleichbar ist. Zu den Hauptursachen für den
Verlust biologischer Vielfalt gehören der Verlust und die Verschlechterung
von Lebensräumen. Hier spielen Landwirtschaft und Holzeinschlag eine
wichtige Rolle, aber auch die Verstädterung, die eine dramatische
Umwandlung von natürlichen in extrem vom Menschen überformte
(anthropogene) Landschaften bewirkt. Diese Prozesse haben schwerwiegende
nachteilige Auswirkungen auf viele der über 1.400 Fledermausarten, die
einen erheblichen Anteil der gesamten Säugetiervielfalt ausmachen. „Für
den Fledermausschutz ist es wichtig, mehr über die Bedingungen zu
erfahren, die sich positiv oder negativ auf Fledermäuse in diesen
unterschiedlichen Ökosystemen - auch in Städten - auswirken“, sagt Daniel
Lewanzik, Wissenschaftler in der der Leibniz-IZW-Abteilung Evolutionäre
Ökologie. Lewanzik und seine Kolleg:innen arbeiteten mit mehr als 200
Bürgerwissenschaftler:innen zusammen, um die Ultraschallrufe von fünf
Fledermausarten bis zu sechs Mal im Laufe von zwei Jahren an 600 Stellen
in Berlin aufzuzeichnen. „Mit diesem großen Datensatz konnten wir
untersuchen, welche Eigenschaften der urbanen Landschaft die Anwesenheit
von Fledermäusen beeinflussen. Darüber wollten wir verstehen, wie man
diese Umgebungen so verbessern kann, dass Fledermauspopulationen selbst in
Stadtlebensräumen bestehen können“, erklärt Christian Voigt, Leiter der
Leibniz-IZW-Abteilung für Evolutionäre Ökologie und Seniorautor der
Untersuchung.

Die Ergebnisse untermauern den Verdacht, dass sich künstliches Licht in
der Nacht negativ auf alle Fledermausarten auswirkt und sogar das
Vorkommen von Arten verringert, die bisher als „lichttolerant“ galten.
Mückenfledermäuse erwiesen sich als besonders lichtempfindlich: Bereits
bei mittlerer Beleuchtungsstärke wurden sie nur noch selten im
Stadtlebensraum entdeckt, bei höherer Beleuchtungsstärke verschwanden sie
ganz. Außerdem kamen Mückenfledermäuse fast viermal häufiger in Gebieten
mit weißen Laternen als in Gebieten mit orangefarbenen Laternen vor,
während Rauhautfledermäuse und Mausohrfledermäuse keine Vorliebe für eine
bestimmte Lichtfarbe zeigten. Zusätzlich zeigte sich bei
Mausohrfledermäusen ein Einfluss der Jahreszeiten: sie reagierten im
Sommer negativ auf zunehmende künstliche Beleuchtung bei Nacht, im Herbst
jedoch nicht.
Vegetation, die Anwesenheit offener Gewässer sowie das Ausmaß der durch
Straßen und Gebäude versiegelten Flächen hatten ebenfalls einen
erheblichen Einfluss auf einige Arten, in Abhängigkeit von deren
Nahrungsgewohnheiten. Arten, die entlang von Vegetationsrändern (z. B.
Zwergfledermäuse) nach Nahrung suchen, benötigen in der Regel Baumreihen,
Arten die direkt über Wasserflächen (z. B. Wasserfledermäuse) nach Nahrung
suchen, sind auf offenes Wasser angewiesen. Die meisten untersuchten
Arten, insbesondere solche, die im offenen Luftraum jagen, mieden stark
versiegelte Flächen mit einem hohen Anteil an umliegenden Gebäuden.

„Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, das künstliche Licht in der
Nacht auf das für menschliche Aktivitäten absolut notwendige Minimum zu
reduzieren und, wo immer möglich, Optionen zum Dimmen von Beleuchtung im
Außenbereich einzusetzen, zum Beispiel über Bewegungssensoren“, fassen
Lewanzik und Voigt zusammen. Sie empfehlen außerdem, bestehende Biotope
unbedingt zu erhalten und zudem neue zu schaffen, wo immer dies möglich
ist, und diese Fragmente durch ununterbrochene Vegetation und
Dunkelkorridore (z. B. Wohngärten und Baumreihen) miteinander und mit
Gewässern zu verbinden. Die Untersuchung zeigt, dass auch Städte geeignete
Lebensräume für geschützte und bedrohte Arten bieten können, wenn diese
Voraussetzungen beachtet werden.

Das gemeinsame Sammeln von Daten mit Bürgerwissenschaftler:innen („Citizen
Scientists“) war eine positive Erfahrung, sagen die Autoren. „Die
Zusammenarbeit mit mehr als 200 hochmotivierten Helferinnen und Helfern
ermöglichte es, zeitgleich Daten im gesamten Stadtgebiet Berlins zu
erheben“, sagt Miriam Brandt, Leiterin des Leibniz-IZW-
Wissenschaftsmanagements und Leiterin des Projekts „WTimpact“. WTimpact
ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung von 2017 bis 2021
gefördertes Verbundprojekt, in dessen Rahmen die Forschungsarbeiten zu
Fledermäusen in Berlin durchgeführt wurden. „Gleichzeitig konnten wir
interessierten Bürgerinnen und Bürgern einen meist kaum wahrgenommenen
Teil der Stadtnatur nahebringen – viele Teilnehmende waren überrascht,
Fledermäuse in urbanen Gegenden zu finden, wo sie sie nicht vermutet
hätten.“