Pin It
Peale’s Mastodon, Mammut americanum, 1801  Wolfgang Fuhrmannek, HLMD  Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Peale’s Mastodon, Mammut americanum, 1801 Wolfgang Fuhrmannek, HLMD Hessisches Landesmuseum Darmstadt

Kaum einer weiß: Das Darmstädter Mammut ist Amerikaner und eine Sensation
in der Geschichte der Paläontologie!
Die Ausstellung »American Heiner« (25. März bis 19. Juni 2022) geht der
Geschichte dieses weltbekannten fossilen Elefantenskelettes nach, das nach
seinem Entdecker auch »Peale’s Mastodon« genannt wird. Es ist das erste
museal montierte Skelett eines fossilen Elefanten in Nordamerika.
Alexander von Humboldt bewunderte das Skelett, als er am Ende seiner
›amerikanischen Reise‹ im Frühsommer 1804 Station in Philadelphia machte.
1854 kam es über Umwege nach Darmstadt und ist damit seit über 150 Jahren
ein Darmstädter oder, wie man hier sagt, ein echter »Heiner«.

Die für Familien angelegte Schau präsentiert anhand von Objekten aus der
Kunst- und Naturgeschichte von Gemälden, Zeichnungen und Fossilien die
Auswirkungen des Fundes auf die Forschungs- und Geistesgeschichte.
Weltberühmte Leihgaben wie Charles Willson Peale »The Artist in His
Museum« aus Philadelphia und »The Exhumation of the Mastodon« aus
Baltimore sind erstmals in Europa zu sehen. Der Illustrator Niels Schröder
veranschaulicht diese facettenreiche Geschichte in großformatigen
Wandzeichnungen.

Die Geschichte von Peale’s Mastodon ist eng mit der Geschichte der
Vereinigten Staaten verbunden. Die Entdeckung von Mastodonknochen am Ohio
River im Jahr 1739 löste im Laufe des 18. Jahrhunderts eine
wissenschaftliche Diskussion in der Alten und Neuen Welt aus. Eine
wichtige Rolle dabei spielte Charles W. Peale aus Philadelphia, der nicht
nur ein gefragter Künstler, sondern auch ein geschätzter Naturaliensammler
mit eigenem Museum war. Sein Interesse an Mastodonknochen wurde durch
einen hessischen Militärarzt geweckt. Als 1801 im Hudson River Valley
fossile Knochen gefunden wurden, übernahm Peale mit seinem Sohn Rembrandt
die Ausgrabungen und entdeckte die Reste von zwei Mastodonskeletten. Peale
setzte aus diesen Knochen in Philadelphia ein Skelett zusammen, ergänzte
fehlende Teile durch Holzrepliken, entwickelte ein Metallgerüst und
präsentierte das Ergebnis zur großen Begeisterung des Publikums in seinem
Museum.

Die Entdeckung des Mastodons erregte damals so großes Aufsehen, weil sie
das gültige Verständnis über die Entstehung der Welt grundsätzlich in
Frage stellte. Die fossilen Knochen waren ein offensichtlicher Beweis
dafür, dass die Welt und mit ihr die Tierwelt einmal anders ausgesehen
haben könnte. Ein unerhörter Gedanke. Denn noch immer war die biblische
Überlieferung und die Lehre von der Entstehung der Welt als göttliche
Schöpfung maßgeblich. Dieser entsprechend gingen die Wissenschaftler bei
den ersten Knochenfunden Anfang des 18. Jahrhunderts noch davon aus,
Knochen von Riesen vor sich zu haben. Das war eine durchaus naheliegende
Schlussfolgerung, wenn man bedenkt, dass Riesen als real galten.

Die Erkenntnis, dass es sich bei diesen Knochen um Fossilien eines
ausgestorbenen Tieres handelt, war daher ein wissenschaftlicher Wendepunkt
und der Beginn eines Prozesses, der 1859 zu der von Charles Darwin
formulierten Evolutionstheorie führte.

Die Entdeckung von Peale’s Mastodon war auch für das Selbstbewusstsein der
jungen amerikanischen Nation wichtig. Sie widersprach einer kruden
wissenschaftlichen Theorie des 18. Jahrhunderts, die behauptete, die
amerikanische Fauna sei als degeneriert anzusehen, weil es dort nur
kleine, schwache Tierarten gäbe. Der berühmte Pariser Naturforscher Buffon
hatte dies im Selbstverständnis der Überlegenheit des alten Europas
gegenüber der Neuen Welt veröffentlicht. Obwohl diese scheinbar groteske
Einschätzung unhaltbar war, nagte sie am Selbstwertgefühl der jungen
amerikanischen Nation, die sich gerade politisch von England losgesagt
hatte. In diesem Moment kam Peales Entdeckung des großen Mastodons genau
richtig. Das Skelett bewies, dass es auch in Amerika große Tiere gab oder
gegeben hatte. Daher waren seine Ausgrabung und seine Präsentation in
Peales Museum Angelegenheiten von nationaler Bedeutung, an denen auch der
amerikanische Präsident regen Anteil nahm. Thomas Jefferson war mit Peale
persönlich bekannt und unterstützte das Projekt finanziell. Und wenn der
Weißkopfseeadler als Wappentier der Vereinigten Staaten nicht schon
festgestanden hätte, wäre zu diesem Zeitpunkt sicherlich auch das Mastodon
in Frage gekommen.

Nach dem Tode Peales wurde es ruhiger um das berühmte Skelett. Es wurde
verkauft und kam auf verschlungenen Wegen über Paris und London im Jahr
1854 nach Darmstadt. Hier fand es nach dem Bau des Museumsgebäudes von
Alfred Messel 1906 in der Abteilung Erd- und Lebensgeschichte seinen
festen Platz.