Pin It

Das Team des Sächsischen Kinderpalliativzentrums am Universitätsklinikum
Carl Gustav Carus Dresden unterstützt Familien mit palliativmedizinisch zu
versorgenden Kindern beziehungsweise Jugendlichen künftig mit High-Tech:
Dank einer Spende des Leipziger Vereins „Paulis Momente“ stehen dem
Zentrum seit dem Frühjahr drei so genannte Telepräsenz-Avatare mit den
dazugehörigen Tablet-PC zur Verfügung. Die Geräte können überall dort
platziert werden, wo die Patientinnen und Patienten aufgrund ihrer
Erkrankung nicht sein können. Die Avatare lassen sich über eine App
fernsteuern, so dass die Erkrankten nicht passiv bleiben, sondern über das
Gerät sprechen und den Blickwinkel ändern können.

„Viele der von uns versorgten Kinder und Jugendlichen leiden sehr
darunter, dass sie krankheitsbedingt auf viele soziale Kontakte verzichten
müssen. Die Avatare ermöglichen ihnen nun in vielen Situationen eine
Teilhabe“, sagt Dr. Silke Nolte-Buchholtz. „Mit diesen Erlebnissen
erfahren sie, dass sich nicht alles um ihre Erkrankungen und die damit
verbundenen Einschränkungen dreht“, so die Leiterin des Sächsischen
Kinderpalliativzentrums. Die vom Avatar ermöglichte Teilhabe an ganz
alltäglichen Situationen hellt häufig die Stimmung der Kinder und
Jugendlichen auf, was dazu beiträgt, besser mit den Limitierungen und
Belastungen wie beispielsweise Schmerz umzugehen. „Die Kinder finden den
Avatar großartig“, sagt Dr. Maria Janisch, „das Gerät gibt dem Leben
unserer Patientinnen und Patienten Facetten zurück oder öffnet sogar
neue“, fährt die Leiterin des psychosozialen Bereichs am Sächsischen
Kinderpalliativzentrum fort.

„Der verlorene Kampf meines Sohnes gegen den Krebs sollte mir damals Kraft
geben, mehr aus meinem Leben zu machen. So gründete ich 2014 den
gemeinnützigen Verein, der den Namen meines Sohnes Paul trägt. Seitdem
engagieren sich sehr viele Menschen gemeinsam mit mir für schwer, komplex
chronisch und lebensverkürzt erkrankte Kinder und Jugendliche sowie deren
Familien“, sagt Sven Graser, Gründer und Vorsitzender des „Paulis Momente
e.V.“. „Es macht mich stolz, zu sehen, wie viel wir gemeinsam mit unseren
Projekten erreichen können. Der Grund dafür sind unsere Unterstützerinnen
und Unterstützer, ohne die wir niemals so weit gekommen wären und denen
wir sehr dankbar sind. Besonders wichtig ist es uns dabei, niemals
stillzustehen und sich selbst auch kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dazu
gehört nicht nur die nachhaltige Umsetzung unserer Projekte, sondern auch,
sich neuen Projekten zu öffnen. Jüngstes Beispiel dafür, wie sich Projekte
schnell und erfolgreich umsetzen lassen, ist die Anwendung der Avatare in
unterschiedlichen Einsatzfeldern.“

„Aufgrund der Krankengeschichte von Pauli wurde mir bewusst, vor welchen
Anstrengungen und Herausforderungen die betroffenen Kinder und ihre
Familien plötzlich stehen. Als Verein sind wir ständig auf der Suche nach
Möglichkeiten, uns noch mehr für die Unterstützung schwer erkrankter
Kinder zu engagieren. Dabei sind wir auf die Avatare gestoßen. Mit diesen
Geräten können wir hervorragend zur Integration erkrankter Kinder in den
Alltag beitragen. In einem ersten Schritt haben wir daher begonnen, die
Uniklinika Dresden und Leipzig mit den entsprechenden Avataren auszurüsten
und damit erste Erfahrungen zu sammeln“, sagt Ingo Schulz,
stellvertretender Vereinsvorsitzender von „Paulis Momente e.V.“.

„Der Einsatz der Avatare in der Palliativversorgung zeigt das große
Potenzial neuer Technologien. Auch wenn die positiven Effekte der Avatare
noch nicht abschließend wissenschaftlich belegt sind, ist der Einsatz
zweifellos sinnvoll. Allerdings können die Krankenversicherungen den
Einsatz der Geräte deshalb noch nicht finanzieren“, sagt Frank Ohi. „Um
solche Innovationen dennoch in die Krankenversorgung einbringen zu können,
ist bürgerliches Engagement – hier in Form einer Spendensammlung –
unabdingbar. Wir danken deshalb dem Leipziger Verein ‚Paulis Momente‘ für
sein Engagement und die fünfstellige Summe zum Kauf von drei Avataren und
zur Finanzierung des auf fünf Jahre angelegten Supports“, erklärt der
Kaufmännische Vorstand weiter, der zugleich Vorstandsmitglied der Stiftung
Hochschulmedizin Dresden ist, die die Spende des Vereins entgegennahm und
gemäß dem vorgegebenen Zweck weiterleitete.

Die knapp 30 Zentimeter hohen und etwa 1,5 Kilogramm schweren Avatare
können fast überall dort eingesetzt werden, wo sich üblicherweise Kinder
und Jugendliche aufhalten. Ursprünglich wurde das Gerät für den Einsatz im
Klassenzimmer entwickelt, um erkrankten Schülerinnen und Schülern zu
ermöglichen, auch von zuhause am Unterricht teilzunehmen. Damit lassen
sich die Zeiten krankheitsbedingter Abwesenheiten deutlich reduzieren und
die weitere schulische Entwicklung fördern. Das Team des Sächsischen
Kinderpalliativzentrums kam auf die Idee, Kindern sowie Jugendlichen mit
unheilbaren und lebenslimitierenden Erkrankungen die Avatare mit dem Ziel
anzubieten, ihnen eine bessere Teilhabe am Alltagsleben zu eröffnen.

Das in Schweden entwickelte Gerät in Form eines Oberkörpers mit Kopf ist
deutlich mehr als eine bewegliche Videokamera. Der Avatar wird von den
Patientinnen und Patienten über ein Tablet-PC gesteuert und lässt sich
gezielt in die gewünschte Richtung drehen. Selbstverständlich ist ein
gegenseitiges Hören, Sehen und Sprechen möglich. Eine weitere Stärke des
Avatars ist seine Mimik. Die Formen der Augen sowie die Farbe des Körpers
zeigen deutlich, ob der Nutzende fröhlich und wach, vom vielen Erlebten
erschöpft ist oder traurige Momente durchlebt. Sofern Mobilfunksignale
oder ein WLAN verfügbar sind, kann der Avatar uneingeschränkt genutzt
werden.

Das Team des Sächsischen Kinderpalliativzentrum hat die drei Avatare
bereits mehreren Familien angeboten. Die Resonanz ist sehr positiv. Die
Geräte wurden Ostern zur Eiersuche jenseits der für Rollstühle geeigneten
Wege ebenso eingesetzt wie bei langen Fernsehabenden oder als Begleiter
auf längeren Autofahrten. Geschätzt wurde der Avatar auch als ständiger
Gast an der Familientafel und bei Verwandtenbesuchen. Noch nicht erfüllt
hat sich der Wunsch nach einem Einkaufsbummel, um beispielsweise zu sehen,
welche Schmink-Styles gerade die Kosmetikläden erobern.

Hintergrundinformationen zum Sächsischen Kinderpalliativzentrum

Ziel des sachsenweit arbeitenden Zentrums ist es, häufiger von der
häuslichen in die stationäre Versorgung pendelnden Kindern und
Jugendlichen mit lebenslimitierenden Erkrankungen rund um die Uhr
qualifiziert beraten und unterstützen zu können. Basis für die Arbeit des
Zentrums sind die Erfahrungen aus dem erfolgreichen Aufbau einer
flächendeckenden, ambulanten Kinderpalliativversorgung in Sachsen. Hierbei
kristallisierte sich zunehmend heraus, dass es auch Handlungsbedarf in den
stationären Bereichen der wohnortnahen Krankenhäuser gab. Nun füllt ein
aus Pädiaterinnen und Pädiatern, Pflegenden und psychosozialen
Mitarbeitenden bestehendes Team die Lücke und bietet diesen Kinderkliniken
Beratung, Unterstützung, Begleitung und Weiterbildung an. Aktuell besteht
das Team des Zentrums aus fünf pädiatrisch tätigen Ärztinnen und Ärzten
unterschiedlicher Fachrichtungen mit der Zusatzbezeichnung
Palliativmedizin, fünf Kinderkrankenpflegekräften sowie zwei
Sozialpädagoginnen mit der Weiterbildung Pädiatrische Palliative Care und
eine administrative Assistentin.

„Im Rahmen dieses in den Krankenhausplan aufgenommenen Zentrums werden die
Kolleginnen und Kollegen der externen Kliniken bedarfsorientiert vor Ort
oder telefonisch beraten. Dazu gehört auch, dass das Team am Dresdner
Uniklinikum Patientenakten sichtet sowie bewertet, um auf dieser Basis
Behandlungsempfehlungen zu geben“, sagt Prof. Michael Albrecht. Der
Medizinische Vorstand des Uniklinikums hat sich viele Jahre dafür stark
gemacht, diese innovative Form einer hochspezialisierten Versorgung
flächendeckend in Sachsen zu etablieren: „Mit diesem Modell, zu dem auch
die Abstimmung von Versorgungsabläufen gehört, wird die dezentrale
Kompetenz in der Kinderpalliativversorgung weiter gesteigert und leistet
einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung, Weiterentwicklung und
Etablierung der Kinderpalliativversorgung im Freistaat.“

In Deutschland gibt es aktuell nur zwei pädiatrische Palliativstationen
und einige Palliativbetten auf pädiatrischen Stationen – die fachliche
Expertise pädiatrischer Palliativversorgung ist in der Regel in Häusern
der Maximalversorgung wie dem Dresdner Uniklinikum konzentriert. Kinder
mit lebenslimitierenden Erkrankungen werden jedoch aus unterschiedlichen
Gründen in allen Kinderkliniken behandelt; viele Patientinnen und
Patienten wechseln zudem zwischen häuslicher und stationärer Versorgung.
Eine durchgehende beziehungsweise überbrückende Begleitung und
Mitbetreuung durch Kinderpalliativversorger ist dabei äußerst sinnvoll. Da
die Zuständigkeit des Dresdner Brückenprojekts als Spezialisierte
ambulante Palliativversorgung für Kinder und Jugendliche (SAPV-KJ) auf den
ambulanten häuslichen Bereich begrenzt ist, wurde das Sächsische
Kinderpalliativzentrum etabliert. Es füllt die Lücke und bietet im
stationären Bereich Beratung, Unterstützung, Begleitung und Weiterbildung
an. Das Sächsische Kinderpalliativzentrum hat Kooperationsverträge mit
Kinderkliniken in ganz Sachsen geschlossen.