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Rechtsextreme Akteure versuchen neben anderen Bemühungen indirekt, über
Beeinflussung der gesellschaftlichen Diskurse und durch die
Popularisierung rechtsextremer Ideologie, Einfluss zu nehmen. Musik ist
diesbezüglich ein oft instrumentalisiertes Medium. Aber auch
Computerspiele können zu der Verbreitung rechtsextremer Ideologie
beitragen. „Heimat Defender: Rebellion“ ist ein solches Computerspiel.
Benjamin Möbus, wissenschaftlicher Mitarbeiter in den
Erziehungswissenschaften der Universität Vechta, hat die im Spiel
transportierten Feindbilder und die dahinterstehende Ideologie untersucht.

Das Computerspiel, welches 2020 veröffentlicht wurde, ist ein 2D-Jump’n
‘Run-Game, welches nach Aussagen des Entwicklers dezidiert für
propagandistische Zwecke der rechtsextremen Identitären Bewegung
entwickelt wurde. Das Szenario in Heimat Defender: Rebellion folgt
insofern dem bekannten propagandistischen Drehbuch aus der rechtsextremen
Szene: Die Spielwelt zeigt ein – aus Perspektive der Identitären Bewegung
– dystopisches Deutschland im Jahr 2084. „Eine machtbesessene und korrupte
politische, kulturelle und ökonomische Elite – unter anderem bestehend aus
Zerrbildern von Politiker*innen wie Dr. Angela Merkel,
rechtsextremismuskriti-schen Satiriker*innen wie Jan Böhmermann und
Wissenschaftler*innen wie Prof. Dr. Matthias Quent – versucht die deutsche
Bevölkerung durch sogenannte ‚Schuldenergie‘ zu identitätslosen
Konsument*innen zu erziehen“, erklärt Möbus; Migration hat in der
Spielwelt zu bürgerkriegsartigen Zuständen geführt und die Straßen werden
von Aktivist*innen der LGBTQ+-Bewegung gewaltsam terrorisiert. „Dies alles
wird von einem geheimen Strippen-zieher verantwortet und kontrolliert, der
an den jüdischen Investor George Soros, welcher im Zentrum zahlrei-cher
antisemitischer Verschwörungstheorien steht, erinnern soll“, fasst es der
Wissenschaftler zusammen. Ziel dieser Eliten ist es – laut der Erzählung
des Spiels –, sich an den Bürger*innen ökonomisch zu bereichern und diese
politisch zu kontrollieren. Allerdings gelingt es einer kleinen Gruppe an
politischen „Aktivsten“, die auch außerhalb des Computerspieles mit der
Identitären Bewegung assoziiert werden, gewaltsam diese Elite zu stür-zen
und die Bürger*innen von „Unterdrückung“ und „Ausbeutung“ zu befreien.
Unter den Spielfiguren, die von Seiten der Spieler*innen aktiv gesteuert
werden, befindet sich auch der rechtsextreme Vordenker der Identitären
Bewegung Martin Sellner, der laut Recherchen ebenfalls Teil des
Geheimtreffens in Potsdam war.

Zielgruppe dieser Propaganda seien vor allem Jugendliche und junge
Erwachsene, was insofern auch die Instituti-on Schule in die Pflicht
nehme, der Förderung der kritischen Medienbildung einen höheren
Stellenwert zukom-men zu lassen, so Möbus. „Abseits dessen erscheint
weiterhin ein ,deplatforming‘ rechtsextremer Akteure ein sinnvolles
Vorgehen – also das konsequente Ausschließen von Rechtsextremen von zum
Beispiel Gamingplatt-formen, sodass es ihnen erschwert wird, die
rechtsextreme Propaganda dort zu popularisieren.“ Darüber hinaus sei die
Dekonstruktion und das Sichtbarmachen rechtsextremer Narrative, Ideologien
und Propagandastrategien sinnvoll, sodass sich die Entwickler nicht hinter
Andeutungen, (vermeintlich) satirischer Überspitzung und dem Deckmantel
der Kunstfreiheit verstecken können, so Möbus. Genau dies gelte es auch
bei Heimat Defender: Re-bellion aufzudecken: „Besonders bei diesem Spiel
ist, dass HDR auf den ersten Blick nur schwerlich als rechtext-reme
Propaganda erkennbar ist. Das macht es aus meiner Perspektive auch so
gefährlich. Ästhetisch und hin-sichtlich des Gameplays orientiert sich das
Computerspiel an den besonders populären 8-Bit-Retro-Spielen, die an die
Popkultur der 80er-Jahre erinnern.“ Dabei seien viele der rechtsextremen
Motive – welche die Identitäre Bewegung verbreiten möchte und die im Spiel
lediglich angedeutet sind – (vermeintlich) satirisch verzerrt oder als
sogenannte ‚dog whistles‘ nur von Szeneinsidern der rechtsextremen Szene
erkennbar. Gerade Jugendliche, die das Spiel kostenlos im Internet finden,
sollen so niedrigschwellig mit der Ideologie der Identitären Bewegung in
Kontakt kommen“, warnt Möbus.

Die Entwicklung und Produktion eines solchen Spiels „ist zeitaufwendig und
kostet Geld, welches im Rahmen der Propagandastrategie der Identitären
Bewegung auch anderweitig hätte verwendet werden können“, erklärt Möbus.
„Dass im Februar der Nachfolger erscheinen soll, impliziert, dass das
Spiel durchaus ein propagandisti-scher Erfolg gewesen sein muss. Inwiefern
es tatsächlich Verbreitung finden konnte, lässt sich allerdings nicht
unabhängig überprüfen. Es geht aber auch nicht nur darum, dass möglichst
viele Spieler*innen gewonnen wer-den; propagandistisch ist es schon ein
Erfolg, dass sich die Identitäre Bewegung durch die Entwicklung eines
solchen Computerspiels szeneintern als besonders innovativ und jugendnah
inszenieren kann.“