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Eine Scheckkarte im Gehirn?

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„Mikroplastik ist eine wachsende Bedrohung für die Gesundheit der
Menschen“, warnt Prof. Dr. Ingo Tausendfreund von der Westfälischen
Hochschule. Im Rahmen einer öffentlichen Vorlesung am Campus
Recklinghausen machte er deutlich, wie allgegenwärtig Mikroplastik
inzwischen ist – und wie schwer es fällt, die winzigen Teilchen überhaupt
nachzuweisen oder ihre Auswirkungen auf Menschen und Umwelt vollständig zu
verstehen.

Die Hochschule entwickelt derzeit innovative Messmethoden, um
besonders kleine Kunststoffpartikel – sogenanntes Submikroplastik (kleiner
als 1 Mikrometer) und Nanoplastik (kleiner als 0,1 Mikrometer) –
zuverlässig erfassen zu können.

„Nur wenn klar ist, wo und wie viel Mikroplastik in Umwelt, Lebensmitteln
oder dem menschlichen Körper vorkommt, lassen sich sinnvolle Grenzwerte
festlegen und überwachen“, erklärt der Spezialist für instrumentelle
Analytik. In der Ringvorlesung „Gemeinsam nachhaltig. Submikroplastik –
die unsichtbare Gefahr für unsere Umwelt“ präsentierte Tausendfreund
alarmierende Zahlen: „In den Gehirnen verstorbener Menschen wurden bei
einer 2024 durchgeführten Untersuchung durchschnittlich mehr als fünf
Gramm Mikroplastik gefunden – das entspricht etwa dem Gewicht einer
Scheckkarte!“

Die besondere Gefahr liegt in der winzigen Größe der Partikel: Sie können
Zellwände durchdringen und sogar die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Zudem
können sie Umweltgifte wie Schwermetalle oder Pestizide mittransportieren
und diese direkt in empfindliche Organe einschleusen. Mikroplastik
entsteht nicht nur durch industriell gefertigte Produkte, sondern auch im
Alltag – etwa beim Abrieb von Autoreifen und Schuhsohlen oder beim Waschen
synthetischer Kleidung. Ein weiterer Ursprung ist die Verwitterung achtlos
weggeworfener Kunststoffe in der Umwelt. „Das Plastik, das wir heute in
Flüssen, Meeren, Pflanzen, Tieren – und eben auch im Menschen – finden,
wurde oft vor Jahrzehnten produziert. Es baut sich nur sehr langsam ab –
während ständig neues hinzukommt“, erklärt Tausendfreund. „Was heute
achtlos entsorgt wird, ist morgen Mikroplastik.“

Plastik bis zum Mond – Lernen mit Aha-Effekt
Die Vorlesung fand im Rahmen der Nachhaltigkeitsallianz für angewandte
Wissenschaften NRW (NAW.NRW) statt, einem Netzwerk von 20
Mitgliedshochschulen in NRW. Interaktive Umfragen sorgten für
Überraschungsmomente. Eine Frage lautete: „Wie hoch wäre ein Turm aus
einem Kubikmeter großen Kunststoffwürfeln, wenn man die weltweit jährlich
produzierte Plastikmenge aufstapeln würde?“ Antwort: Bis zum Mond! Und
auch beim Thema Reifenabrieb staunten viele: Mehr als ein Kilogramm
Mikroplastik pro Person entsteht jährlich allein in Deutschland durch
Autoreifen, zusätzlich etwa 100 Gramm durch abgetragene Schuhsohlen.

Forschung für Gesundheit und Umweltschutz
Die Teilnehmenden stellten zahlreiche Fragen – etwa zu den
gesundheitlichen Folgen von Mikroplastik in Organen oder Möglichkeiten zur
Entfernung der Partikel aus der Umwelt. Prof. Tausendfreund betonte, dass
viele dieser Themen aktuell Gegenstand intensiver Forschung sind.

An der Westfälischen Hochschule arbeitet sein Team gemeinsam mit
Studierenden an neuen Analyseverfahren und Entsorgungsstrategien, um
Mikroplastik besser zu erkennen und die Belastung zu verringern.

Plastik differenziert betrachten
Trotz aller Risiken warnt Prof. Tausendfreund davor, Kunststoff
grundsätzlich zu verurteilen: „Kunststoffe haben auch ökologische Vorteile
– etwa, weil sie Autos leichter machen und so CO₂-Emissionen senken. Die
Herausforderung liegt im richtigen Umgang damit.“ In Deutschland wird zwar
über ein Drittel des gesammelten Plastikmülls recycelt. Doch die Vielzahl
an Kunststoffsorten und Verunreinigungen erschwert das Recycling technisch
wie wirtschaftlich. Recyclingkunststoff ist oft teurer als Neuware. Eine
mögliche Lösung: Eine CO₂-basierte Besteuerung von Neuprodukten könnte
Recycling wirtschaftlich attraktiver machen – und so den Einsatz von
Altplastik fördern.

Ausblick: Fortsetzung am 24. Juni 2025
Am 24. Juni 2025 lädt die Westfälische Hochschule in Kooperation mit dem
Kreis Recklinghausen zur 5. Vestischen Klimakonferenz auf den Campus
Recklinghausen ein. Die öffentliche Veranstaltung beginnt um 14:00 Uhr und
bietet Interessierten die Möglichkeit, sich über Mikroplastik, Klimaschutz
und aktuelle Forschungsprojekte zu informieren. Zugleich können Besucher
und Besucherinnen einen Einblick in das vielfältige Studienangebot der
Hochschule gewinnen – mitten in einer Stadt mit jahrhundertealter
akademischer Tradition, die heute mit neuer wissenschaftlicher Energie
auflebt. Informationen gibt es unter: https://www.vestische-
klimakonferenz.de/

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