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Der Ausbruch des Corona-Virus könnte den Iran ins wirtschaftliche und
politische Chaos stürzen. Die US-Sanktionen haben das Land stark
geschwächt. Nun fehlt auch der Zugang zu dringend benötigten medizinischen
Produkten und Hilfsgütern aus dem Ausland, die etwa in Europa von
Exportbeschränkungen betroffen sind. Lässt die EU das Land weiter im Stich
dürfte eine diplomatische Zusammenarbeit wie etwa beim Thema Atomstreit
immer schwieriger werden.

„Der Iran zählt mit über 80.000 Corona-Infektionen und über 5.000 Toten
weltweit zu den am stärksten von COVID-19 betroffenen Ländern und gilt als
Epizentrum für den Ausbruch im Nahen Osten. Aus Angst vor einem
wirtschaftlichen Zusammenbruch musste das Land nun seine Schutzmaßnahmen
lockern. Dies könnte eine zweite Welle an Infektionen verursachen, welche
gepaart mit dem überlasteten Gesundheitssystem und der bereits äußerst
geschwächten Wirtschaft das Land ins Chaos stürzen könnte“, sagte Katrin
Kamin, Handelsforscherin am IfW Kiel, anlässlich der gemeinsam mit den
IfW-Forscherinnen Anna-Katharina Jacobs und Sonali Chowdhry
veröffentlichten Analyse „A crisis in times of crisis: Combating COVID-19
under sanctions in Iran“ (https://www.ifw-kiel.de/index.php?id=14074&L=1).

Die US-Sanktionen bedeuten zusätzliche bürokratische Hürden beim Import
von Medizinprodukten und deren Zwischenprodukten, die zur Bekämpfung von
Covid-19 benötigt werden. Außerdem werden Finanztransaktionen, die auch
humanitäre Hilfe mit einschließen, erschwert. Verschärfend kommt hinzu,
dass gegenwärtig 54 Regierungen weltweit Exportbeschränkungen auf
medizinische Produkte erlassen haben, die zur Bekämpfung der Corona-
Pandemie benötigt werden, beispielsweise Atemschutzmasken. Dies gilt auch
für die EU, Irans wichtigstem Handelspartner für Medizinprodukte.

Freier Handel zentral zur Pandemiebekämpfung, EU in Verantwortung

„In der Folge können lebenswichtige Produkte zur Pandemiebekämpfung weder
von der darniederliegenden heimischen Wirtschaft produziert noch aus dem
Ausland bezogen werden“, so Kamin. „Der freie Handel von medizinischen
Produkten ist jetzt ein zentraler Baustein, um die ärmsten Länder der Welt
in Asien, Lateinamerika oder im Nahen Osten bei der Bekämpfung der Corona-
Pandemie zu unterstützen. Je mehr sich die reichen Industrieländer
abschotten, desto härter trifft die Krise andere Staaten, die auf
medizinische Importe angewiesen sind.“

Der EU als zentralem westlichen Gesprächspartner und Global Player kommt
jetzt eine besondere Verantwortung bei der Stärkung multilateraler
Maßnahmen in Bezug auf Covid-19 zu, so die Autorinnen. So sollte sie etwa
die Kreditanfrage des Iran beim Internationalen Währungsfonds unterstützen
und sich für den freien Handel von wichtigen Medizinprodukten stark
machen. „Dafür muss sie natürlich selbst ihre Exportbeschränkungen
aufheben und dem Iran wieder als Handelspartner zur Verfügung stehen.
Ansonsten droht das Land sein Vertrauen in das Wohlwollen westlicher
Regierungen zu verlieren und diplomatische Lösungen im Streit um das
Atomabkommen dürften immer schwieriger werden“, so Kamin.