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IfW-Präsident Gabriel Felbermayr kommentiert die Ergebnisse der US-
Präsidentschaftswahl:

„Für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung ist der Wahlsieg von Joe
Biden für Deutschland, Europa und die Weltwirtschaft eine gute Nachricht.
Es ist zu erwarten, dass es zu einem Neustart der transatlantischen
Beziehungen kommt mit neuer Kooperationsbereitschaft und mehr Respekt vor
heimischen und internationalen Institutionen. Von Biden ist weniger
Unilateralismus zu erwarten und mehr Bereitschaft, gemeinsam mit anderen
Ländern Koalitionen einzugehen. Das schafft Berechenbarkeit, verringert
also Unsicherheit, und fördert damit weltwirtschaftlichen Wohlstand.

In den für Europa wichtigen Feldern Handels- und Klimapolitik ist die
Übereinstimmung mit einer künftigen Biden-Regierung sehr viel höher als
derzeit.

– In der Handelspolitik ist zwar auch unter Joe Biden nicht zu erwarten,
dass Spannungen schnell enden oder es gar zu einem umfassenden
Freihandelsabkommen mit der EU kommt. Wie Trump wird auch Joe Biden die
Handelsüberschüsse anderer kritisieren und mit Zollinstrumenten hantieren.
Auch für ihn gilt eine „America first“-Politik mit Blick auf Produktion
und Arbeitsplätze. Aber er dürfte sich eher an die Regeln der
Welthandelsorganisation (WTO) halten. Es existiert deshalb eine echte
Chance, zum Beispiel den Airbus-Boeing-Streit beizulegen, wo es
mittlerweile eine Pattsituation gibt, oder bei konkreten Reformen der WTO
statt gegeneinander miteinander zu arbeiten. Auch eine gemeinsame
Strategie im Umgang mit Chinas Dominanzstreben dürfte sich leichter finden
lassen.

– In der Klimapolitik ist neben der Rückkehr zum Pariser Abkommen eine
Einigung über einen CO2-Grenzausgleich, den die EU anstrebt, leichter
vorstellbar. Gegen die USA wäre ein solcher Schritt kaum durchzusetzen.

– In der Sicherheitspolitik wird Joe Biden weiter darauf bestehen, dass
Deutschland und die anderen EU-Mitglieder der NATO die versprochenen
finanziellen Beiträge leisten. Er wird weiter mit wirtschaftlichen
Sanktionen, auch extraterritorialer Natur, außenpolitische Ziele
verfolgen. Hier kann es zu neuen Spannungen mit Europa kommen, zum
Beispiel in der Russlandpolitik oder auch gegenüber China mit
entsprechenden wirtschaftlichen Schäden für Europa.

– Die Konjunktur- und Wachstumspolitik der USA ist für Europa wichtig mit
Blick auf amerikanische Nachfrage. Für Biden ist Wirtschaftswachstum nicht
so zentral wie für Trump. Er gibt Umweltschutz, sozialer Gerechtigkeit,
besserer öffentliche Infrastruktur höhere Priorität. Das könnte dazu
führen, dass der Importsog aus den USA etwas schwächer wird. Vieles hängt
aber von den Details seiner Politik ab. Kurzfristig mag sie auf Kosten der
Wachstumsdynamik gehen, die Trump mit seiner Steuerreform befeuert hat.
Gelingt es aber der künftigen Regierung, wirtschaftliche Ungleichheit im
Land einzudämmen, kann das auch die Polarisierung und damit die Konflikte
innerhalb der amerikanischen Gesellschaft verringern. Das dürfte
langfristig die Wachstumsdynamik stärken, und damit zu mehr Konsum und
mehr Nachfrage nach europäischen Premiumprodukten führen.

Deutschland und die EU sollten sehr schnell mit konkreten Vorschlägen auf
die USA zugehen und die Kontakte auf Arbeitsebene wiederbeleben, so dass
nach dem Amtsantritt von Joe Biden gemeinsame Initiativen in den Bereichen
transatlantischer Handel, Klimaschutz, China oder Iran konkret angegangen
werden können.“