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Am heutigen Tag haben Frauen durchschnittlich so viel verdient wie Männer
im Zeitraum von Januar bis Dezember 2020, sie mussten dafür also 47
Arbeitstage mehr ableisten. Dr. rer. pol. Virginia Kimey Pflücke von der
Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus–Senftenberg (BTU)
erläutert die Hintergründe. Jedes Jahr um den 8. März häufen sich Beiträge
zur Geschlechter-Ungleichheit, die sich auf Gehaltsunterschiede zwischen
Männern und Frauen – den sogenannten Gender Pay Gap – beziehen. Auch der
heutige Equal Pay Day steht in diesem Kontext: „Der Equal Pay Day ist ein
gutes Symbol für die noch immer vorherrschende Ungleichheit in der
Bezahlung von Frauen und Männern.

Erst am 10. März erreichen Frauen den Lohn ihrer Kollegen des Vorjahres“,
sagt Dr. Virginia Kimey Pflücke, Wirtschafts- und Arbeitssoziologin an der
BTU.

Laut IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) beträgt der
bundesweite Durchschnitt des Gender Pay Gap (GPG) 21,4 Prozent. Nach Ost
und West aufgeschlüsselt, ergeben sich große Unterschiede: Im Westen ist
der GPG mit 23,4 Prozent deutlich höher als im Osten mit 6,2 Prozent. Bei
diesen Werten handelt es sich um den unbereinigten Gender Pay Gap, d. h.
die Gehälter von Männern und Frauen werden unabhängig von Faktoren wie
Beruf oder Arbeitserfahrung miteinander verglichen.

Der bereinigte GPG berücksichtigt diese Faktoren und vergleicht zwischen
Männern und Frauen mit ähnlichen Qualifikationen, Arbeitserfahrungen und
Erwerbsverläufen. Idealerweise dürfte hier also bei vergleichbarer
Qualifikation die Bezahlung nicht unterschiedlich ausfallen. Und
tatsächlich ist der bereinigte GPG kleiner: 6 Prozent im bundesdeutschen
Durchschnitt – 8 Prozent im Westen, 12 Prozent im Osten. Es sind
unterschiedliche Werte für den GPG im Umlauf; diese ergeben sich aus
unterschiedlichen zugrunde liegenden Berechnungsmodellen. Allen gemein ist
der verbleibende Lohnunterschied zu Ungunsten der Frauen.

Ist in Cottbus alles anders?

Cottbus ist ein Extremfall beim Gender Pay Gap. Der unbereinigte GPG liegt
bei -17,4 Prozent – der direkte Vergleich zwischen Männern und Frauen
ergibt also einen gut 17 Prozent höheren Verdienst für Frauen. Was ist
anders?

„In Cottbus funktioniert der Arbeitsmarkt aus historischen Gründen anders:
Die Frauen aus der Industrie mussten sich nach 1990 neu orientieren und
besetzen heute mehr Stellen im Öffentlichen Dienst, im Bildungs- und
Gesundheitssektor als Männer“, erläutern Dr. Pflücke. Zudem herrsche ein
großes kulturelles Selbstverständnis, dass Frauen arbeiten.

Doch ist das noch nicht die ganze Wahrheit: „Der in Cottbus scheinbar
umgekehrte Gender Pay Gap kommt auch durch weniger verfügbare typische
„Männer-Jobs“ im Industriebereich zustande“, gibt Dr. Pflücke zu bedenken.
So verdienen die Frauen in Cottbus nicht mehr als im Bundesdurchschnitt;
durch weniger vorhandene traditionelle Männer-Arbeitsplätze verdienen die
Männer in Cottbus deutlich schlechter.

Betrachtet man den bereinigten Gender Pay Gap für Cottbus, zeigt sich das
bekannte Bild: Bei gleicher Qualifikation verdienen Frauen 12 Prozent
weniger als ihre Kollegen.

Der Gender Pay Gap im Strukturwandel

Cottbus steht als Teil der ‚Transformationsregion Lausitz‘ vor großen
Herausforderungen – und Chancen. Mit scheidenden Industrien verschiebt
sich die Arbeitslandschaft hin zur Dienstleistungsbranche. Der
Bildungssektor, der Tourismus und mit dem Gesundheitscampus auch Berufe in
Medizin und Pflege, gewinnen zunehmend an Bedeutung – Arbeitsplätze, für
die sich die Frauen in Cottbus durch ihre Flexibilität bereits in Stellung
bringen.

Doch der Strukturwandel ist eine ganzheitliche Aufgabe, sodass für den
Spezialfall Cottbus Gleichstellung auch anders herum betrachtet werden
muss. So darf der Fokus nicht nur auf einem ausgeglichenen Gender Pay Gap
liegen; typische Geschlechterarrangements müssen neu gedacht werden. Dr.
Pflücke erklärt wie: „Für den ‚modernen Mann‘ ist der Strukturwandel in
Cottbus auch eine Chance. Ein Teil der Lösung für die Lausitz wäre, Männer
für traditionell weiblich besetzte Branchen zu begeistern.“