Pin It

Die Wissenschaft und das wissenschaftliche Arbeiten haben in der Corona-
Pandemie einen neuen und vor allem sehr hohen Stellenwert bekommen. Dies
ist als Chance zu sehen, auch die Stärken der betriebswirtschaftlichen
Forschung zu präsentieren, so Prof. Dr. Alexander Brem, Professor für
Entrepreneurship in Technologie und Digitalisierung und Institutsleiter
des Instituts für Entrepreneurship und Innovationsforschung der
Universität Stuttgart.

Die BWL als Wissenschaft
Die Betriebswirtschaftslehre (BWL) hat sich in den letzten gut 100 Jahren
zu einer interdisziplinären, methodisch breiten und wachsenden
Wissenschaft entwickelt. Der Mensch steht hierbei im Mittelpunkt, der als
Individuum oder im Team in Unternehmen arbeitet und dabei als Person und
über das Unternehmen mit der sozioökonomischen Umwelt interagiert.
Ausgehend von durchdachten Forschungsfragen („Rätsel“) wächst
wissenschaftliche Erkenntnis durch systematische Prozesse, welche
theoriegeleitet Gesetzmäßigkeiten und Aussagen über Einzelfälle hinaus
ableiten. Ziel ist es, (verborgene) Mechanismen zu erkunden, welche das
Handeln in Unternehmen prägen, und daraus theoretische und praktische
Gestaltungsvorschläge abzuleiten. Dies ist auch ein wesentlicher Aspekt in
der akademischen Lehre: die strukturierte Vermittlung von
wissenschaftlichem Denken und kritischer Reflektion.

Die Pandemie als Reallabor
Wenn man der aktuellen Pandemie einen positiven Aspekt abgewinnen möchte:
Für die Wissenschaft gleicht sie einem Experiment in einem Reallabor. Der
unmittelbare und starke Eingriff in den gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Alltag kann als Basis für weitreichende Untersuchungen
dienen, indem man den Start der Pandemie als Intervention interpretiert.
Dass das Phänomen weltweit und branchenübergreifend eintrat, macht es umso
interessanter, da sich auch international viele Ansatzpunkte bieten.
Selten zuvor gab es so viel Potenzial und Notwendigkeit interdisziplinärer
Zusammenarbeit. Die Ergebnisse solcher Forschungen können behilflich sein,
das Leben von Menschen zu verbessern und Unternehmen erfolgreich(er) zu
machen – und nicht zuletzt sicherstellen, bei einer nächsten Krise vieles
besser zu machen.

BWL Know-how in Krisenzeiten
In den letzten Monaten gab es diverse Stimmen aus der BWL, welche sich mit
der Bewältigung der Corona-Krise befasst haben. So kann z.B. die
betriebswirtschaftliche Organisationsforschung Antworten geben auf
Fragestellungen wie: Kann die Einbeziehung von Betriebs- und Hausärzten
als Impfturbo wirken? Sind bestimmte Beschaffungsverfahren für stark
nachgefragte Güter effizienter sind als andere? Wie können Unternehmen
resilienter werden? Dies kann ein Anstoß sein, die BWL als
wissenschaftliche Disziplin mit Nachdruck zu vertreten. Hierfür müssen
Forschende die eigene Komfortzone verlassen, um die richtigen Personen zu
treffen, und vor allem die richtige Sprache zu finden. Wenn man es dann
schafft, die Forschung mit Lehre und Transfer zu verbinden, wird auch über
die Grenzen der BWL hinweg deren Mehrwert noch stärker wertgeschätzt als
bisher.

Professor Brem ist einer von über 170 VHB experts des Verbands der
Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. (VHB). Mit rund 2.800
Mitgliedern ist der Verband eine wachsende, lebendige Plattform für
wissenschaftlichen Austausch, Vernetzung und Nachwuchsförderung in allen
Bereichen der BWL und darüber hinaus.