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Dr. Nils Jannsen (https://www.ifw-kiel.de/de/experten/ifw/nils-jannsen/),
Leiter Konjunktur Deutschland am IfW Kiel, kommentiert die aktuellen
Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal 2023 des
Statistischen Bundesamtes, wonach dieses stagniert hat:

„Die deutsche Wirtschaft hat die Talsohle infolge der Energiekrise wohl
erreicht, und die Wirtschaftsleistung dürfte bald wieder steigen. Die
Frühindikatoren hatten nach einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes im
vierten Quartal um 0,5 Prozent zuletzt sogar für einen Anstieg der
gesamtwirtschaftlichen Produktion zum Jahresauftakt gesprochen, statt nur
einer Stagnation. Insbesondere die Industrie hat ihre Produktion im ersten
Quartal wohl deutlich ausgeweitet. Die privaten Konsumausgaben sind
dagegen aufgrund des inflationsbedingten Kaufkraftentzugs der privaten
Haushalte abermals zurückgegangen und haben einem stärkeren Anstieg der
Wirtschaftsleistung entgegengestanden. Das in den vergangenen Monaten
spürbar verbesserte Geschäftsklima der Unternehmen spricht dafür, dass das
Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal steigen wird.

Die Bäume wachsen für die deutsche Wirtschaft aber nicht in den Himmel. So
belastet der Kaufkraftentzug durch die höheren Energiepreise weiter die
Konjunktur, auch wenn er deutlich geringer ausfällt, als es sich im Herbst
des vergangenen Jahres – zum Hochpunkt der Energiekrise – abgezeichnet
hatte. Insgesamt dürfte das Bruttoinlandsprodukt im weiteren Verlauf nur
verhalten zunehmen und im Jahresergebnis nur ein schmales Plus
herauskommen. Der leichte Anstieg des Bruttoinlandsprodukts verschleiert
die tatsächlich großen Auswirkungen der Energiekrise: Im Vergleich zu
Prognosen von vor dem Beginn des Kriegs in der Ukraine, die eine kräftige
Erholung mit den nachlassenden pandemiebedingten Hemmnissen vorhergesagt
hatten, dürfte die Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr rund 3 Prozent
niedriger ausfallen. Auch mittelfristig sind die Aussichten für die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands düster. So trüben sich die
Wachstumsaussichten durch den demographischen Wandel zunehmend ein und
werden durch die höheren Energiepreise zusätzlich belastet. Insgesamt
dürfte die deutsche Wirtschaft zukünftig durchschnittlich nur noch um rund
0,5 Prozent wachsen, während die Wachstumsraten zuvor im langjährigen
Mittel noch bei 1,3 Prozent gelegen hatten.“