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Beschichtung einer Bremsscheibe mit EHLA.  © Fraunhofer ILT, Aachen / Volker Lannert.
Beschichtung einer Bremsscheibe mit EHLA. © Fraunhofer ILT, Aachen / Volker Lannert.

Zu den am stärksten beanspruchten Teilen eines Autos gehören Bremsscheiben
– diese erzeugen durch den hohen Verschleiß eine immense Umweltbelastung
durch Feinstaub. Ein neues Beschichtungsverfahren des Fraunhofer-Instituts
für Lasertechnik ILT und der RWTH Aachen University reduziert diese
Nachteile signifikant. Mit dem Extremen Hochgeschwindigkeits-
Laserauftragschweißen (EHLA) können erstmals schnell und wirtschaftlich
Verschleiß- und Korrosionsschutzschichten auf Bremsscheiben aufgebracht
werden.

Herkömmliche Bremsscheiben bestehen aus Gusseisen mit eingelagertem
Graphit, das sich durch eine gute Temperaturleitfähigkeit und ein gutes
Wärmespeichervermögen bei gleichzeitig geringem Preis auszeichnet. In Kauf
genommen wird dabei aber eine starke Korrosionsneigung und hoher
Materialverschleiß im Betrieb, der zu beträchtlichen Feinstaubemissionen
führt. Übliche Beschichtungsprozesse – etwa galvanotechnische Verfahren
oder thermisches Spritzen – können die Bremsscheiben bislang nicht
effektiv schützen. Denn sie ermöglichen keine stoffschlüssige Verbindung
der Schutzschichten mit dem Gusseisen und sind material- und
kostenintensiv.

Wirtschaftliche und technische Vorteile

Ein neues Verfahren kann nun aber diese Nachteile vermeiden: das Extreme
Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen (EHLA) – entwickelt vom
Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT in Aachen gemeinsam mit dem
Lehrstuhl Digital Additive Production DAP der RWTH Aachen University.

»Das EHLA-Verfahren eignet sich besonders für die Automobilindustrie – z.
B. für die Beschichtung von Bremsscheiben, die bisher wegen der großen
Belastungen und hohen Anforderungen an Wirtschaftlichkeit sowie
Umweltfreundlichkeit nur schwierig beschichtet werden konnten. Durch EHLA
lassen sich erstmalig gut haftende Schichten auf Bremsscheiben auftragen,
die fest mit dem Grundstoff verbunden, im Gegensatz zu den mit
herkömmlichen Verfahren erzeugten Schichten, nicht abplatzen können«, so
Thomas Schopphoven, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Teamleiter
»Produktivität und Systemtechnik« in der Gruppe Laserauftragschweißen am
Fraunhofer ILT.

Klassische Verfahren am Limit

Während die Schichten herkömmlicher Verfahren Poren und Risse aufweisen,
sind die mit dem EHLA-Verfahren erzeugten Schichten dicht und schützen das
Bauteil wesentlich effizienter und langfristiger. Dies erhöht die
Lebensdauer und verhindert frühzeitige Ausfälle durch Oberflächenschäden
der Reibflächen. Da mit dem Verfahren eine große Materialpalette
verarbeitet werden kann, wird eine anwendungsangepasste Beschichtung mit
umweltfreundlichen Materialien möglich.

Die Innovation basiert auf einem bekannten Verfahren, dem
Laserauftragschweißen, das sich als Reparaturverfahren z. B. für
Turbinenschaufeln bewährt hat. Gegenüber diesem bietet EHLA allerdings
entscheidende Vorteile.

Neue Prozessführung für extreme Geschwindigkeiten senkt Wärmeeintrag

Beim EHLA-Verfahren werden die Pulverpartikel des Beschichtungswerkstoffes
direkt im Laserstrahl aufgeschmolzen und nicht erst im Schmelzbad auf der
Oberfläche des Bauteils. Da so flüssige Materialtropfen statt feste
Pulverpartikel in das Schmelzbad gelangen, kann die Prozessgeschwindigkeit
von bisher 0,5 bis 2 Metern pro Minute beim herkömmlichen
Laserauftragschweißen um mehrere Größenordnungen auf bis zu 500 Meter pro
Minute gesteigert werden.

Die große Prozessgeschwindigkeit führt dazu, dass die Wärmeeinwirkung auf
das zu beschichtende Material deutlich sinkt. Statt wie beim herkömmlichen
Laserauftragschweißen bis in den Millimeterbereich wird durch EHLA das
Material nur im Mikrometerbereich thermisch beeinflusst. So werden
vollkommen neue Materialkombinationen möglich: z. B. die Beschichtungen
von Aluminium- oder Gusseisenlegierungen – wie nun bei den Bremsscheiben.

Anders als bei herkömmlichen Auftragschweißverfahren wird mit EHLA
vermieden, dass sich der Kohlenstoff aus der Bremsscheibe in der Schmelze
löst, wodurch sonst spröde Phasen, Poren, Bindefehler und Risse in der
Beschichtung bzw. der Anbindungszone entstehen. Damit können Bremsscheiben
aus Grauguss erstmalig effektiv mit stoffschlüssig angebundenen Schichten
geschützt werden.

Ressourceneffizient und prozesssicher mit hoher Qualität

Normalerweise können mit Auftragschweißverfahren nur dicke Schichten ab
einem halben Millimeter hergestellt werden, wodurch viel Material
eingesetzt werden muss und die Nachbearbeitung sehr aufwändig ist. Das
EHLA-Verfahren ermöglicht es nun, sehr dünne Schichten mit Dicken von 25
bis 250 Mikrometern aufzutragen. Die Schicht wird reiner und glatter – die
Rauheit konnte auf etwa ein Zehntel bisheriger Werte reduziert werden.
Außerdem werden beim neuen EHLA-Verfahren rund 90 Prozent des Materials
genutzt. Dadurch ist das Verfahren extrem ressourcenschonend und
wirtschaftlicher. Die Voraussetzungen für den serienmäßigen, industriellen
Einsatz sind damit gegeben.

Und dieser steht kurz bevor. Erste erfolgreiche Untersuchungen beweisen,
dass das EHLA-Verfahren mittlerweile die reproduzierbare Herstellung
beschichteter Bremsscheiben auf der Basis konventioneller Grauguss-
Scheiben mit unterschiedlichen Materialkombinationen ermöglicht. Eine
serientaugliche Anlagentechnik mit angepasster Endbearbeitung durch
Schleifen wird gerade in Aachen durch die Firma HPL Technologies
aufgebaut.

Mehrfach ausgezeichnete Innovation

Übrigens überzeugten die Vorteile des Verfahrens gleich drei Jurys
renommierter Innovationspreise: Bereits mit dem Joseph-von-Fraunhofer-
Preis 2017 ausgezeichnet, erhielt EHLA den Berthold Leibinger
Innovationspreis 2018 und wurde im gleichen Jahr als umweltfreundliche
Laser-Alternative zur Chrom(VI)-Beschichtung mit dem 2. Preis des Stahl-
Innovationspreises in der Kategorie »Stahl in Forschung und Entwicklung«
ausgezeichnet.

Fraunhofer auf der IAA 2019

Details zum EHLA-Verfahren und weiteren aktuellen Themen aus Forschung und
Entwicklung erfahren Interessenten vom 10. bis zum 13. September auf dem
Fraunhofer-Gemeinschaftsstand C12 in Halle 4.1 auf der Internationalen
Automobil-Ausstellung 2019 in Frankfurt.