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Der Straßengüterverkehr verursacht mehr als ein Drittel der nationalen
Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor – und nimmt in Zukunft eher noch
zu. Damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann, kommt dem
klimaneutralen Güterverkehr eine Schlüsselrolle zu. Ein neuer gemeinsamer
Policy Brief des Fraunhofer ISI, des Öko-Instituts und des ifeu-Instituts
zeigt, dass die Oberleitungstechnologie ein großes CO2-Einsparpotenzial
bietet und sich wirtschaftlich rechnen kann.

Um Emissionen im Güterverkehr zu reduzieren, bietet sich im ersten Schritt
eine Verlagerung auf die Schiene an, wobei die Potenziale hier begrenzt
sind und es auch für den Straßenverkehr Lösungen braucht. Gerade hoch
ausgelastete Fernverkehrsachsen könnten in Punkto Emissionen durch die in
den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelte
Oberleitungstechnologie entlastet werden. Oberleitungs-Lkw (O-Lkw)
beziehen dabei während der Fahrt Strom aus der Oberleitung und fahren
abseits der elektrifizierten Strecken mit Strom aus einer kleineren
Batterie oder nutzen ein zweites Antriebssystem. Ob sich die Technologie
durchsetzt, hängt aber maßgeblich von ihrer Wirtschaftlichkeit und ihrer
Umweltwirkung ab – diese wurden genau wie mögliche Ausbauszenarien und
Politikinstrumente in Studien des Fraunhofer ISI, des Öko-Instituts, des
ifeu-Instituts und anderen untersucht. Alle dabei gesammelten Erkenntnisse
fasst ein neuer Policy Brief zusammen, der im Rahmen des Projekts
Begleitforschung Oberleitungs-Lkw in Deutschland (BOLD) entstanden ist.

Oberleitungstechnologie kann wirtschaftlich sein

Der Policy Brief verdeutlicht, dass Oberleitungs-Lkw aus Nutzersicht bei
einem Einstieg in den Massenmarkt aufgrund deutlicher Kosteneinsparungen
günstiger als ein Diesel-Lkw sein werden. Gegenwärtig liegen die
Gesamtkosten für den Einsatz von O-Lkw auch ohne Berücksichtigung der
Infrastrukturkosten noch etwas höher als bei Diesel-Lkw.

Der Ausbau der Oberleitungs-Infrastruktur sollte sich auf wichtige
Fernverkehrsachsen konzentrieren. Aufgrund der hohen Auslastung bestimmter
Strecken – 65 Prozent des Lkw-Fernverkehrs konzentrieren sich auf etwa
4.000 Autobahnkilometer, was einem Drittel des deutschen Autobahnnetzes
entspricht – macht der Aufbau eines Oberleitungsnetzes entlang wichtiger
logistischer Knotenpunkte wie zwischen Hamburg und dem Ruhrgebiet (A1)
oder Hamburg und Kassel (A7) besonders viel Sinn. Dabei fielen
Investitionen von etwa zehn Milliarden Euro über einen Zeitraum von ca.
zehn Jahren an. Ein Teil der Einnahmen aus einer CO2-basierten Lkw-Maut
würde für die Finanzierung ausreichen.

Ein Fünftel weniger CO2-Emissionen im Straßengüterverkehr

Dr. Patrick Plötz, der am Fraunhofer ISI das Geschäftsfeld
Energiewirtschaft leitet und Mitautor des Policy Briefs ist, verweist auf
das große CO2-Einsparpotenzial der Oberleitungstechnologie: »Was die
Treibhausgasbilanz anbelangt, so ist die Nutzungsphase entscheidend, da
die Fahrzeugherstellung und der Aufbau der Oberleitungs-Infrastruktur kaum
ins Gewicht fallen. Verglichen mit Diesel-Lkw verursachen Batterie-Hybrid-
Oberleitungs-Lkw pro Kilometer im Jahr 2030 – unter Verwendung des
deutschen Strommixes – etwa halb so viele CO2-Emissionen.« Auch durch
Diesel-Hybrid-Oberleitungs-Lkw ließen sich noch ein Viertel an
CO2-Emissionen einsparen.

Insgesamt könnten sich durch die Oberleitungstechnologie die
verkehrsbedingten Emissionen bis 2030 um zwei bis vier Millionen Tonnen
CO2 pro Jahr reduzieren lassen, und langfristig um bis zu zwölf Millionen
Tonnen. Das bedeutet, dass die Oberleitungstechnologie die Emissionen im
gesamten Straßengüterverkehr um etwa 20 Prozent reduzieren könnte. Der
zusätzliche Strombedarf wäre selbst bei einem Vollausbau von nachrangiger
Bedeutung.

Frühzeitiges politisches Handeln erforderlich

Für die erfolgreiche Markteinführung von Oberleitungs-Lkw nennt der Policy
Brief drei entscheidende Aspekte: Ein wirtschaftlicher Fahrzeugbetrieb,
eine vorhandene Basis-Infrastruktur sowie ein attraktives Fahrzeugangebot.
Aufgrund bestehender Anreize wie Kaufprämien und Mautbefreiung für
elektrische Lkw, sollte der politische Fokus stärker auf dem
Infrastrukturaufbau liegen, wobei eine staatliche Koordinierung und
Vorfinanzierung besonders wichtig sind. Eine CO2-basierte Maut könnte etwa
für einen hohen elektrischen Fahranteil sorgen und gleichzeitig
Mitnahmeeffekte vermeiden. Eine direkte Fahrzeugförderung sollte auf die
Markteintrittsphase limitiert bleiben.

Zudem kann nur dann ein Markt für Oberleitungs-Lkw entstehen, wenn Lkw-
Hersteller ein ausreichendes Fahrzeugangebot bereitstellen, was die
Politik ebenfalls fördern sollte, etwa durch frühe internationale
Kooperationen. Neben dem Angebot von Oberleitungs-Lkw-Neufahrzeugen sind
dabei auch Nachrüstlösungen für Lkw mit elektrischem Antriebsstrang
denkbar.