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Konstruktives Konzept einer Aufbaustruktur für einen Behälter eines kommunalen Müllsammlers in alternativer Mischbauweise auf Basis von Aluminiumprofilen und Composite-Platten.  © EBF Dresden/Fraunhofer IWS Dresden
Konstruktives Konzept einer Aufbaustruktur für einen Behälter eines kommunalen Müllsammlers in alternativer Mischbauweise auf Basis von Aluminiumprofilen und Composite-Platten. © EBF Dresden/Fraunhofer IWS Dresden

Wie gut gefügte Alu- und Faserverbundkunststoffe zum Klimaschutz beitragen
Um die Stadtluft zu verbessern und die Umwelt zu schonen, möchten viele
Kommunen elektrische Abfallfahrzeuge für ihre Parks und Fußgängerpassagen
erwerben. Doch die haben schwere Akkus oder Brennstoffzellen an Bord und
können daher meist weniger Abfälle abtransportieren als klassische
Mülltransporter mit Verbrennungsmotor. Deutsche Ingenieure wollen das nun
mit Leichtbaukonstruktionen ändern. Das Fraunhofer-Institut für Werkstoff-
und Strahltechnik IWS Dresden entwickelt dafür innovative Fügezangen.

Für dieses Vorhaben haben sich sechs mitteldeutsche
Forschungseinrichtungen und Unternehmen im Verbund »UTILITAS«
(»Ultraleichte Aufbaustrukturen für Nutzfahrzeuge im kommunalen
Servicebetrieb«) zusammengetan. Sie wollen gemeinsam aus Leichtmetallen
und Faserverbundkunststoffen bessere Sammelbehälter konstruieren, die
schwere Stahlaufbauten klassischer Müllwagen ersetzen und etwa ein Drittel
leichter sind. »Diese neue Generation elektrischer Fahrzeuge wäre dann in
der Lage, ähnlich viel Abfall pro Fahrt zu transportieren wie ein
klassisches Klein-Müllfahrzeug«, sagt Annett Klotzbach, die am Fraunhofer
IWS Dresden die Gruppe Kleben und Faserverbundtechnik leitet.

Rentable Kleinserien und einfache Reparaturen gefragt

UTILITAS zielt auf nachhaltige und preisgünstige Lösungen, die den
Kommunen helfen, ihre Klimaschutzziele mit den lokal verfügbaren
Ressourcen zu erfüllen. »Deshalb entwickelt der Verbund nicht nur den
Behälter, sondern auch praxisnahe Fertigungstechnologien dazu«, betont die
Ingenieurin. »Wichtig ist dabei, dass man die neuen Aufbauten auch in
Kleinserien rentabel bauen und in Werkstätten vor Ort zügig wieder
reparieren kann.« Dabei setzen die Projektpartner auf
Behälterkonstruktionen aus Aluminiumgerüsten und glasfaserverstärkten
Thermoplast-Platten. Um diese Materialien zuverlässig wie beim Stahlbau
miteinander zu verbinden, testen sie verschiedene Methoden: Sie pressen,
schrauben und kleben beispielsweise.
Mit Laser, Hitze und Kälte: Innovatives HPCi®-Fügeverfahren entwickelt
Zum Einsatz kommt auch die neuartige Fügetechnologie »HeatPressCool-
integrativ« (HPCi®), die das Fraunhofer IWS entwickelt hat: Ein Laser raut
zunächst die Aluminiumbauteile auf. Dabei entstehen Gräben im Metall,
dünner als eine Stecknadel und nur etwa 200 Mikrometer tief. Dann presst
das Werkzeug das Kunststoffbauteil an die Alustrebe und erwärmt das Metall
kurz. Dabei schmilzt der Thermoplast auf der Aluminiumoberfläche, fließt
in die lasergeformten Gräben und verankert sich dort beim Erkalten. Nach
wenigen Sekunden sind Aluminium und Verbundkunststoff dauerhaft und fest
verbunden.

Wie gut ein solcherart gefügter Leichtbaubehälter im Vergleich zu Schraub-
oder Klebelösungen langfristig hält, wollen die IWS-Ingenieure im Zuge der
Entwicklungskooperation mit den anderen Partnern genau ermitteln. Denn der
Behälter muss später im täglichen Einsatz hohe Belastungen aushalten, die
beispielsweise entstehen, wenn die Fahrzeugmechanik den gesammelten Müll
zusammenpresst. In bisherigen Experimenten zeigten sich die HPCi®-gefügten
Aufbauten als besonders stabil und vor allem viel leichter zu reparieren
als geklebte Konstruktionen. Messungen haben ergeben, dass die
HPCi®-Verbindungen Zugkräfte aushalten, die dem Druck eines Hydraulikarms
mit bis zu 25 Megapascal entsprechen.

Ausgründung soll neue Fügezangen in Serie produzieren

Das neue Fügeverfahren eignet sich nicht nur für Abfallbehälter-
Konstruktionen, sondern auch für den Leichtbau in Flugzeugen, Eisenbahnen,
Industriehallen oder Schiffen, sind die IWS-Experten überzeugt.
Industriekunden wollen HPCi® auch bei der Produktion von Geschirrspülern
und anderen Haushaltsgeräten verwenden. Um den breiten Praxiseinsatz ihrer
neuen Fügetechnologie zu unterstützen, haben die Dresdner Forscher
mittlerweile kompakte HPCi®-Fügezangen entwickelt, die kaum größer als
eine handelsübliche Handbohrmaschine sind. Sie können beispielsweise
modular an Roboter montiert werden, um schnell eine Leichtbaukleinserie zu
starten. Weil dieses neue Werkzeug so vielversprechend ist, wollen die
Fraunhofer-Wissenschaftler demnächst auch ein Unternehmen ausgründen, das
die HPCi®-Fügezangen in Serie produziert.

Die ersten elektrischen Mülltransporter mit den neuen Leichtbaubehältern
sollen schon bald das urbane Bild – und die Geräuschkulisse – vieler
Großstädte mitprägen. »Die Behälter-Prototypen sollen Anfang 2021 fertig
sein«, kündigt Annett Klotzbach an. »Wir gehen davon aus, dass binnen zwei
Jahren die ersten Abfallfahrzeuge damit unterwegs sind.« Als Kunden sehen
die Entwickler vor allem kommunale Betriebe.

Beteiligt am Projekt »UTILITAS« sind sechs Partner: Das Fraunhofer IWS
Dresden, die Professur für Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung
der TU Chemnitz, die Marko Pfaff & Co. Spezialfahrzeugbau GmbH, die Car
systems Scheil GmbH & Co. KG, die PROFIL Verbindungstechnik GmbH & Co. KG
und die EBF Dresden GmbH.