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Spulensystem mit Feldlinien. Die obere Platte ist ins Fahrzeug integriert, die untere Platte ist eine Bodenplatte.  Zollner Elektronik AG
Spulensystem mit Feldlinien. Die obere Platte ist ins Fahrzeug integriert, die untere Platte ist eine Bodenplatte. Zollner Elektronik AG

Am Pkw-Markt wirken derzeit ein mittel- und ein
langfristiger Mega-Trend. In den nächsten Jahren wird der Marktanteil der
E-Flotte massiv wachsen, begleitet von Vorgaben zur Verringerung des
Klimagasausstoßes. Zugleich steigt die Bedeutung elektronischer
Fahrassistenzsysteme, teil-autonomes und autonomes Fahren zeichnen sich
ab. Angewandte Forschung in der Zuse-Gemeinschaft bringt beide Trends
zusammen, um Autofahren weniger umweltschädlich zu machen. Teil 2 unserer
Serie zum Strommarkt der Zukunft.

Benötigt man für E-Pkw momentan einen Stromanschluss, erscheint das
Ladekabel in einer Zukunft autonomen Fahrens wie ein Relikt. Denn wenn das
Fahrzeug selbstständig unterwegs ist, sollte es auch das Aufladen ohne
menschlichen Eingriff meistern können. Ein Grund, warum Forschende des
Instituts für Automation und Kommunikation (ifak) im Verbundprojekt
FEEDBACCAR untersuchten, wie unter den Bedingungen der Energiewende
kabelloses Auf- und Entladen von E-Pkw, das induktive bidirektionale
Laden, künftig umzusetzen ist. „Wir konnten zeigen, dass nicht nur das
kabellose automatische Laden von E-Pkw, sondern auch das Zurückspeisen von
Batterie-strom aus solchen Fahrzeugen ins Stromnetz technisch problemlos
möglich sind“, erklärt ifak-Projektleiter Axel Hoppe. Die Projektpartner
testeten u.a. die vollautomatische Aufladung der Batterie und die
Rückspeisung von Ladestrom ins Stromnetz, auch aus der Ferne. „Mit der
Unterstützung durch Funklösun-gen wie WLAN oder zukünftig auch 5G konnten
wir dies optimal lösen“, erläu-tert Hoppe. Die Untersuchungen wurden mit
einer bidirektionalen induktiven Ladefunktion bis 11 kW durchgeführt,
welche im Laufe des Projekts in das Fahrzeug integriert wurde. „Sowohl die
Hochvolt- als auch für die Kommunikationsinfrastruktur spielten dabei gut
zusammen“, so Hoppe. Projektpartner des ifak waren der Autohersteller
Audi, der Zulieferer Zollner Elektronik sowie der Energievermarkter e2m.

Mehr als 90 Prozent Systemwirkungsgrad
„Anders als häufig angenommen ist das kabellose Laden annähernd ebenso
effektiv wie ein herkömmliches Aufladen mit Ladekabel, denn es werden
Systemwirkungsgrade, d.h. vom Netzanschluss bis zur Batterie, von mehr als
90 Prozent erreicht“, sagt Hoppe. Erzielt werden konnten die hohen
Wirkungsgrade u. a. durch die von den Projektpartnern entwickelten
interoperablen Spulensysteme als Basis für die effektive
Energieübertragung. Im Projektverlauf testeten sie verschiedene
Spulentypen und -anordnungen, um zu einer Beurteilung von deren jeweiligen
Vorzügen zu kommen, so hinsichtlich Einhaltung internationaler Standards
Platzbedarf, thermischem und elektrischem Verhalten sowie Wirkungsgrad.
Die Auswahl eines geeigneten Spulensystems ist dabei stark abhängig von
Fahrzeugtyp und äußeren Anforderungen an den Wagen.

Vom Fahrzeug zum Stehzeug
Weiterer Forschungsgegenstand von FEEDBACCAR: Welche Geschäftsmodelle
ergeben sich für Autofahrer oder Flottenbetreiber für die kabellosen
Stromer, die Elektrizität zurück ins Netz speisen können? Denn wenn die
Wagen geparkt sind, könnten die Fahrzeuge durch die automatische
Netzverbindung bare Münze am Strommarkt machen. Im Projekt, gefördert vom
Bundesumweltministerium, wurde allerdings deutlich, dass die aktuellen
Spielregeln am Strommarkt noch nicht reichen, um einer Vielzahl von Mini-
Einspeisern, wie es E-Autos wären,  eine preislich interessante und
bürokratiearme Chance zu geben. So sieht der Energiedienstleister e2m in
seinem Abschlussbericht zum Projekt gegenwärtig keine ökonomisch
tragfähige Geschäftsmodelllösung für Einzelkunden oder
Energiedienstleister. Faktoren sind einerseits das zu geringe
Erlöspotenzial sowie andererseits notwendige Investitionen in
Hardwarekomponenten. Attraktiv für Eigenheimbesitzer hingegen: In
FEEDBACCAR Szenarien konnte in Haushalten mit Photovoltaikanlage auf dem
Dach der Anteil des selbst verbrauchten Solarstroms von 34 auf 72 Prozent
erhöht werden. Die höchsten Anteile an Eigenverbrauch konnten erreicht
werden, wenn das Fahrzeug viel stand.

Solaranlage auf vier Rädern verlängert Reichweite
Eine fahrende Solaranlage ist hingegen die Grundidee im Forschungsprojekt
STREET, an dem das Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH)
maßgeblich beteiligt ist. Entwickelt wurde ein Kleinlaster mit
Solarstrommodulen auf dem Dach und an der Seitenverkleidung auf einer
Gesamtfläche von 15 Quadratmeter (qm). Den von den Spezialmodulen
produzierte Strom kann das E-Lieferfahrzeug direkt verwenden. Das ISFH
rechnet bei dem Kleinlaster, einem Streetscooter, durch die Nutzung des
Solarstroms auf der Karosse mit einer jährlichen Reichweitenverlängerung
von ca. 5.200 km bei Fahrten in Niedersachsen und noch deutlich mehr in
südlicheren Regionen. Die in Europa entwickelte Technologie ermöglicht
laut ISFH nicht nur maximale Zell- und Modulwirkungsgrade, sondern durch
einen geringeren Temperaturkoeffizienten auch maximale Modulerträge.
„Autonomes Fahren heißt bekanntlich fahrerlos. Doch lässt es sich im
übertragenen Sinne auch als größere Unabhängigkeit verstehen. Die
erreichen wir mit dem STREET-Demonstrator schon heute“, erklärt
Projektkoordinator Prof. Robby Peibst.

„Mit dem Umstieg der Autobranche auf E-Fahrzeuge steigt der Strombedarf
für den Betrieb der Wagen, trotz ihrer großen Effizienz bei der
Energieumwandlung. Das macht die Wagen für den immer stärker von Wind- und
Solarenergie geprägten Strommarkt interessant. Institute der Zuse-
Gemeinschaft arbeiten erfolgreich an technischen Lösungen, um Autos in den
Strommarkt zu integrieren und ihren Klimagasausstoß zu verringern“,
erklärt der Geschäftsführer der Zuse-Gemeinschaft, Dr. Klaus Jansen.