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Projekt „Software-defined Car“ (SofDCar) soll neue Methoden und Prozesse
für das Auto der Zukunft und seine effektive Datennutzung entwickeln.

Konsortialführer Bosch entwickelt das Software-definierte Fahrzeug.  BOSCH
Konsortialführer Bosch entwickelt das Software-definierte Fahrzeug. BOSCH

In Fahrzeugen sind heute teilweise über 100 Steuergeräte verbaut. Die hohe
Komplexität der elektrischen und elektronischen Systeme und ihrer
Architektur nimmt künftig weiter zu, muss gleichzeitig aber beherrschbar
bleiben. 13 Unternehmen und Forschungseinrichtungen, darunter die
Universität Stuttgart, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das
Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKSF)
sowie das FZI Forschungszentrum Informatik wollen im Projekt „Software-
Defined Car“ (SofDCar) nun gemeinsam standardisierte Regeln und Prozesse
schaffen, damit die elektronischen Komponenten im Fahrzeug reibungslos
zusammenspielen, jederzeit aktualisierbar und damit sicher bleiben.

Ziel des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten
Projekts „SofDCar“ ist es, dass künftig alle Software-Updates und
-Upgrades Regeln und Prozessen folgen, durch die sie kontrollierbar sind
und dem Einsatz einer konsequenten Methodik für funktionale und IT-
Sicherheit unterliegen. Das stellt sicher, dass sich einzelne Programme
nicht gegenseitig stören und im System fehlerfrei arbeiten. Dies ist die
Voraussetzung dafür, dass neue Funktionen im und um das Fahrzeug künftig
schneller entwickelt werden und sicher zu den Autofahrern kommen – ein
Fahrzeugleben lang. Zu den Projektpartnern aus der Industrie zählen neben
Konsortialführer BOSCH BooleWorks GmbH, ETAS GmbH, Mercedes-Benz AG, P3
digital services GmbH, T-Systems International GmbH, Vector Informatik
GmbH, ZF Friedrichshafen AG sowie als assoziierter Partner die
Landesagentur e-mobil BW GmbH.

„Das Großprojekt SofDCar ist ein Paradebeispiel dafür, wie Digitalisierung
in der Fahrzeugtechnologie vorangetrieben wird – in enger Zusammenarbeit
von Unternehmen unterschiedlicher Branchen mit Partnern aus der
Wissenschaft“, sagt die baden-württembergische Wissenschaftsministerin
Theresia Bauer. „Der InnovationsCampus Mobilität der Zukunft (ICM) an der
Universität Stuttgart und dem KIT bietet mit dem Schwerpunkt ‚Software-
defined Mobility‘ die ideale Kooperationsumgebung für SofDCar, denn hier
sind exzellente Forschung, wirtschaftliche Umsetzung und akademische
Qualifizierung eng miteinander verzahnt. Genau diese enge Verknüpfung
streben wir im Land mit dem Strategiedialog Automobilwirtschaft BW an.“

Prof. Peter Middendorf, Prorektor Wissens- und Technologietransfer der
Universität Stuttgart, betont: „Die Bewilligung des BMWi Projekts
Software-defined Car ist auch für die Universität Stuttgart und das KIT
ein großartiger Erfolg, da zum einen die Initiative des gemeinsamen
Konsortiums mit dem FKFS und FZI sowie natürlich den starken
Industriepartnern aus dem Innovationscampus Mobilität der Zukunft kam und
zum anderen mit dem thematischen Schwerpunkt des Projekts eine geradezu
ideale Anknüpfung an das neue Strategiefeld „Software-defined Mobility“
des ICM besteht.“

„Wir wollen mit innovativen Ideen den Transformationsprozess hin zu einer
umweltfreundlichen, vernetzten und automatisierten Mobilität vorantreiben.
Mit der Förderung von SofDCar kommen wir dieser Vision einen großen
Schritt näher“, sagt Professor Thomas Hirth, Vizepräsident für Innovation
und Internationales des KIT. „Der Innovationscampus Mobilität der Zukunft
bietet eine hervorragende Plattform, um exzellente, innovative und
interdisziplinäre Forschung zu betreiben.“

Ein neuer Digitaler Zwilling für die Fahrzeugarchitektur der Zukunft

Teil des Projekts ist die Entwicklung eines erweiterten Digitalen
Zwillings, also eines virtuellen Abbilds der Entwicklungs- und
Laufzeitdaten eines Fahrzeugs. Dieser Zwilling umfasst künftig die im
Fahrzeug und in der Cloud verteilten Daten – von der Herstellung eines
Fahrzeugs bis zu seiner Verschrottung. Damit geht dieser deutlich über das
bisher unter dem Begriff Digitaler Zwilling gefasste Bild hinaus, da er
erstmals den gesamten Lebenszyklus eines modernen Fahrzeugs umfasst und
auch die Domänen Cloud, Apps, Backend- sowie Entwicklungssysteme
einschließt. Das Projekt will damit sicherstellen, dass sich der
Informationsfluss von Fahrzeugdaten und Softwareversionen wie ein roter
Faden durch alle Datenbanken und Server zieht. Aktualisierungen der
Software und neue digitale Funktionen und Dienste lassen sich somit zu
jeder Zeit einfacher und vor allem schneller umsetzen.

5G-Teststrecke auf dem Campus der Universität Stuttgart

Seitens der Universität Stuttgart bringen sich unter Leitung von Prof. Dr.
Michael Weyrich vom Institut für Automatisierungstechnik und
Softwaresysteme acht Arbeitsgruppen aus drei Fachbereichen in die Arbeiten
an der Software-definierten automobilen Zukunft ein. Ein wesentlicher
Beitrag ist dabei der Aufbau des hybriden Demonstrators „Campus
Vaihingen“: Mittels einer Echtzeit-5G-Teststrecke auf der Ringstraße des
Campus können unter realitätsnahen Bedingungen Testfahrzeuge und andere
Testaufbauten aller Partner auf und abseits der Straße getestet werden.
Prof. Weyrich betont: „An der Universität Stuttgart werden wir uns mit den
Kollegen aus Karlsruhe mit einer IT-Referenzarchitektur für die Fahrzeuge
der Zukunft befassen. Dabei geht es um den Einsatz von Software im so
genannten Edge-Backend, also Informationsknotenpunkten außerhalb der
Fahrzeuge in der zukünftigen IT-Infrastruktur. Anhand des Digitalen
Zwillings sowie des Echtzeit-5G-Campusnetzes können wir die
Referenzarchitekturen für einen kontinuierlichen und beidseitigen
Datenaustausch für neue Funktionen in den Fahrzeugen der Zukunft
konzeptionieren.“

Das FKFS erarbeitet Im Projekt Software Defined Car Technologien zur
Optimierung des Kundennutzens vernetzter Automobile: Im europaweit
einzigartigen Stuttgarter Fahrsimulator werden mit Versuchspersonen aus
der Bevölkerung die Auswirkungen von Online-Softwareupdates auf das
Fahrerlebnis untersucht. Beispiele sind neue Funktionen zur Verbesserung
des Komforts und der Fahrsicherheit von teil- und vollautonomen
Fahrzeugen. „Mit intelligenten Funktionen in der Cloud wird die
Früherkennung und Abwendung drohender Defekte von Komponenten in
Elektrofahrzeugen erforscht“, sagt Prof. Hans-Christian Reuss,
Vorstandsmitglied des FKFS und Inhaber des Lehrstuhls
Kraftfahrzeugmechatronik an der Universität Stuttgart. „Dadurch wird ein
„Liegenbleiben“ des Fahrzeugs in vielen Fällen verhindert, was sich
positiv auf die Kundenzufriedenheit auswirkt.“

Sicherheit und Verlässlichkeit von Fahrzeug-Software

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des KIT betrachten innovative
Entwicklungsmethoden und Qualitätssicherungsansätze für die
Automobilindustrie, insbesondere mit Blick auf die IT-Sicherheit. „Neben
der engen Zusammenarbeit mit den anderen Forschungspartnern zur IT-
Referenzarchitektur, liegen unsere Schwerpunkte im Bereich Sicherheit und
Verlässlichkeit“, sagt Prof. Ralf Reussner vom KASTEL – Institut für
Informationssicherheit und Verlässlichkeit des KIT. „Wir untersuchen
beispielsweise, wie nach dem Kauf eines Fahrzeugs Software-
Funktionalitäten einfach, sicher und verlässlich aktualisiert und dabei
die verschiedensten kundenspezifischen Fahrzeugvarianten berücksichtigt
werden können.“ Außerdem wollen die Forschenden des KIT die
Informationsverwaltung und Sicherheitsprüfungen verbessern,
Datenanalysealgorithmen und Datenschutzanalysen entwickeln, sowie
Identitäts- und Zugriffsverwaltungssysteme, Update-Methoden und
Absicherungsstrategien bereitstellen.

Neben diesen Aspekten befassen sich die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler am FZI Forschungszentrum Informatik mit der Absicherung,
Verifikation und Konsistenzhaltung von Fahrzeugvarianten. Besondere
Berücksichtigung finden hier das Erkennen von Einschränkungen und
Schwachstellen in der Fahrfunktion, die Evolution sowohl von Varianten als
auch einzelner Funktionalitäten sowie das Verwalten der entstehenden
Versionen mit Hilfe des digitalen Zwillings. Durch die Identifikation und
Extraktion von Prozessen und weiteren Leistungsdaten sollen weiterhin
qualitätsgesicherte Anwendungsprozesse über die Fahrzeuggrenzen hinweg
ermöglicht werden. Das Kompetenzzentrum IT-Sicherheit am FZI untersucht
zusätzlich angewandte Fragestellungen zur IT-Sicherheit wie etwa die
Security-Absicherung von Fahrzeugkomponenten mit Methoden der Künstlichen
Intelligenz und auch mit praktischen Sicherheitstests an ausgewählten
Komponenten.
„Gemeinsam erproben wir zudem im Testfeld Autonomes Fahren Baden-
Württemberg verschiedene Aspekte im Bereich Software-over-the-Air,
Absicherung und Robustheitssteigerung. Hierbei kommen auch unsere
Testfahrzeuge zum Einsatz“, ergänzt Prof. J. Marius Zöllner, Vorstand des
FZI sowie Professor am KIT. „Unser Ziel ist es, die Sicherheit von KI-
basierten Funktionalitäten laufend zu verbessern, auch mit den wertvollen
Evaluierungsmöglichkeiten durch das Testfeld.“