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Fraunhofer FOKUS hat im Projekt Shuttles&Co eine Smartphone-App
entwickelt, mit der nebenbei und ohne Spezialsensoren die Straßensituation
erfasst werden kann. Die Daten ermöglichen eine unabhängige digitale
Straßenkarte für die Stadtverwaltung, die z. B. Entwicklerteams als Basis
für Mobilitätsdienste dienen kann. Die App wurde in Kooperation mit der BT
Berlin Transport GmbH in den letzten 12 Monaten während regulärer ÖPNV-
Busfahrten an verschiedenen Orten in Berlin erprobt.

Auf den Straßen einer Großstadt ist immer viel los: Es entstehen temporäre
Pop-up-Radwege, Baustellen verändern die Spurführung, sicherheitsrelevante
Verkehrsschilder sind durch Aufkleber nicht mehr lesbar, Busspuren sind
blockiert, Wurzeln beschädigen den Radweg. Für Bürgerinnen und Bürger, die
Stadtverwaltung, Verkehrsunternehmen wie die BVG und
Mobilitätsdienstleister wären diese Informationen sehr hilfreich. So
können z. B. Personen auf dem Rad rechtzeitig vor Hindernissen gewarnt
werden, und die Stadt kann Schäden an der Straßeninfrastruktur beheben.
Dabei stellt es seine große Herausforderung dar, wie diese Daten
kontinuierlich erfasst werden können, um eine stets aktuelle digitale
Straßenkarte zu gewährleisten.

Fraunhofer FOKUS hat dafür im Projekt Shuttles&Co eine App entwickelt. Sie
läuft auf herkömmlichen Smartphones, die an die Windschutzscheibe von
Fahrzeugen befestigt werden, die sowieso regelmäßig durch die Stadt
fahren, wie ÖPNV-Busse oder die Müllabfuhr. Der Screen ist dabei
deaktiviert, um den Fahrer oder die Fahrerin nicht abzulenken. Genutzt
werden die Video- und GPS-Daten, die mit dem Smartphone generiert und
direkt im mobilen Gerät verarbeitet werden. Dafür laufen in der App
vortrainierte neuronale Netze, die Objekte erkennen. Um Datenschutz und
einen schnellen Transfer ins Backend bei Fraunhofer FOKUS zu
gewährleisten, werden nur Objektinformationen wie Straßenschilder, Ampeln,
Richtungspfeile, Bordsteine oder Spurmarkierungen weitergeleitet, die für
die Detektion von Änderungen notwendig sind.

Crowdsourcing statt Spezialmessung

Die Daten aus der App sind zwar ungenauer als die Daten, die mit
Messfahrzeugen mit Laserscannern generiert werden. Dafür kann der gleiche
Ort mehrfach am Tag abgefahren werden, wodurch sich ebenfalls ein genaues
Bild ergibt. Die Änderungsdetektion erfolgt dann automatisch durch einen
Vergleich der neuen Daten mit der digitalen Karte im Backend. Die
Änderungen werden dann an die Stadtverwaltung weitergeleitet, wo sie in
die digitale Karte überführt werden.

In Kooperation mit der BT Berlin Transport GmbH wurde die App bereits in
verschiedenen Linienbussen erprobt. Im letzten Jahr erhob sie pro Monat
durchschnittlich 350 Stunden auf ca. 10.500 km Daten und erkannte dabei
rund 7,8 Mio. Objekte. Von Interesse für optimale Verkehrsbedingungen war
für die BT beispielsweise auch die Erkennung, Erfassung und Analyse der
Busspuren.

»Wir sind sehr froh, dass die Fahrerinnen und Fahrer der BT durch ihren
Einsatz bei Projekten wie Shuttles&Co ihren Beitrag zum Gelingen einer
nachhaltigen Mobilitätswende leisten können und den ÖPNV in Berlin
zukunftsweisend mitgestalten«, sagt Christian Glienke, Projektleiter bei
der BT Berlin Transport GmbH.

Dr. Ilja Radusch, Leiter des Geschäftsbereichs Smart Mobility am
Fraunhofer FOKUS, resümiert: »Mit unserer App generieren wir Daten für
Dienste, die die Sicherheit und den Komfort auf der Straße erhöhen und
damit hoffentlich auch Lust machen, statt dem Auto häufiger das Rad zu
nutzen. Die Stadtverwaltung bekommt mit unserer App eine agile und
datensparsame Alternative zu den aufwändigen Stadtkartierungen mit
speziellen Messfahrzeugen, die üblicherweise nur alle paar Jahre
durchgeführt werden und bei denen dann viele Terabyte an Daten aufwendig
und langwierig aufbereitet werden müssen.«

Das Projekt Shuttles&Co endet nach zweieinhalbjähriger Laufzeit Ende Juni.
Es wurde von der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und
Klimaschutz geleitet und vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr
mit insgesamt 9,8 Millionen Euro gefördert. Fraunhofer FOKUS wird die App
im Nachfolgeprojekt KIS’M weiter entwickeln. Beispielsweise soll die KI so
trainiert werden, dass sie noch weitere Objekte wie Schlaglöcher erkennt.
Es ist geplant, die Kooperation mit der BT Berlin Transport GmbH in KIS’M
fortzuführen.