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Er sagt, dass die Gegenmaßnahmen der Politik nicht ausreichen werden und
man vor allem die Möglichkeiten der Digitalisierung mehr nutzen müsse

In Deutschland fehlen zehntausende Lastwagen-Fahrerinnen und -Fahrer, laut
Branchenangaben ist von 60.000 bis 80.000 die Rede. Ein Problem, das seit
vielen Jahren bekannt ist, sich aber zunehmend verschärft. Dr. Stefan
Rock, Professor an der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI), forscht zu
handelslogistischen Themenfeldern. Er sagt: „Ein Umdenken aller an den
Transportketten Beteiligen ist unabdingbar. Dies beinhaltet auch das Über-
Bord-werfen liebgewonnener Gewohnheiten und das Gehen neuer Wege.“

In einer Studie sind Rock und sein Team aus Studierenden der Frage
nachgegangen, wie man den Einsatz der vorhandenen Fahrerinnen und Fahrer
effektiver gestalten kann und wie man ihnen den Berufsalltag vereinfachen
kann bzw. was sie selbst dazu sagen, wie man die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter im Job halten und neue anwerben könne. Denn eines ist klar:
Der Fahrermangel, verursacht durch eine Vielzahl von Faktoren, lässt sich
nicht von heute auf morgen beseitigen, auch und insbesondere nicht durch
die Akquisition von Kraftfahrerinnen und Kraftfahrern aus dem immer
östlicheren oder südöstlicheren Europa. „Mit dieser Maßnahme wird
versucht, kurzfristig die Symptome zu lindern, ohne dass das Problem
nachhaltig gelöst wird“, sagt Prof. Dr. Stefan Rock.

In erster Instanz könne man die Ausnutzung des vorhandenen Laderaums
erhöhen. Bei 78 Prozent liegt diese derzeit europaweit. Durchschnittlich
38 Prozent Leerfahren finden laut statistischem Bundesamt statt, in
einigen Branchen sind es sogar über 50 Prozent. Dies könne durch die
verstärkte Nutzung von Transportbörsen, insbesondere bei spontanen
Verkehren, oder durch einen intensiveren Einsatz bereits etablierter
Güterverkehrskonzepte bei geplanten Verkehren sowie durch eine
Verbesserung der Informationstransparenz, getrieben durch die
fortschreitende Digitalisierung, kurzfristig verbessert werden, sagt Prof.
Dr. Rock.

Aber das reiche nicht aus. Die Untersuchung der THI hat ergeben, dass ein
großer Teil der Unzufriedenheit mit dem Job aus unnötigen Wartezeiten
resultiert. Ein Beispiel: Meist sind die Zeiten der Anlieferung wenig
flexibel. Dazu kommt, dass die Kraftfahrerin bzw. der Kraftfahrer aus
haftungsrechtlichen Gründen seine Fracht selbst be- und entladen muss. Was
passiert, wenn sich Ankunftszeiten verändern, ein Lastwagen zu früh oder
zu spät ankommt? „Heute ist beides mit teils nicht zu ignorierenden
Wartezeiten verbunden, Zeiten, die der Frachtführer kaum anderweitig
nutzen kann“, erklärt der Professor für Internationales Handelsmanagement,
insbesondere Handelslogistik. Welche Tätigkeiten übernimmt der
Frachtführer nach dem Andocken? Eine Untersuchung hat gezeigt, dass wenn
der Frachtführer hiervon entlastet wird, ein Zeitgewinn von bis zu 30
Prozent entstehen kann. Zeit, in der der Fahrer für seine eigentliche
Tätigkeit zur Verfügung steht.
Die Politik hat vor Corona zu reagieren versucht, wobei deren
Maßnahmenpaket bei den Adressaten, den Fahrern und Fahrerinnen, keine
große Akzeptanz fand, sagt Rock. Oftmals zielten Maßnahmen auf die
Symptome, nicht auf die Ursachen der Entwicklung.
Die Lösung der mit dem Fahrermangel verbundenen Herausforderungen ist eine
wirtschaftliche und gesellschaftliche Aufgabe, an der sowohl die Politik,
die Arbeitgeber, die Empfänger der Waren sowie die breite Öffentlichkeit
unter der Integration der Betroffenen zu beteiligen sind. Das hat die THI-
Studie eindeutig bewiesen.

Organisatorische Maßnahmen, die Vermeidung von ineffektiven Aktivitäten in
der Transportkette und die effizientere und konsequentere Anwendung von
bestehenden güterverkehrslogistischen Konzepten sind durch Ansatzpunkte,
die die Digitalisierung bietet, zu ergänzen. Einzelne Aktivitäten, zu
denen auch unternehmensspezifische Aktivitäten, wie beispielsweise die
Schaffung von Parkflächen mit einer entsprechenden Infrastruktur, zu der
auch ansprechende Duschmöglichkeiten und Toiletten zählen oder
Möglichkeiten, das Sozialleben der Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer zu
beleben, sei es durch die Schaffung von Grillmöglichkeiten oder ähnlichem,
werden nicht den erhofften Effekt haben. „Ein ganzheitlicher, systemisch
orientierter Ansatz, getragen von der Infragestellung aller bisherigen
Abläufe ist unabdingbar“, sagt Prof. Dr. Stefan Rock. „Das Ziel muss die
Verbesserung der Attraktivität des Berufs der Kraftfahrenden in
Kombination mit einer effizienteren Nutzung der Arbeitskapazität des
Frachtführers sein. Eine nachhaltig erfolgreiche Volkswirtschaft benötigt
neu gewonnene und motivierte Kraftfahrtalente - auch und insbesondere aus
der eigenen Bevölkerung.“