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Forschungsprojekt „Pull & Push – Gut & Böse“ will der auf der Stelle
tretenden deutschen Verkehrspolitik Strategien aufzeigen, die zu einer
Verkehrswende führen – und weg von einer Subventionspolitik für das Auto

Die Verkehrswende kommt in Deutschland nicht voran. Innerhalb von 30
Jahren, zwischen 1990 und 2020, wurden laut Bundesumweltamt, im
Verkehrssektor nur zehn Prozent an CO2-Emissionen eingespart. Lag der
Treibhausgas-Ausstoß 1990 bei 164 Millionen Tonnen CO2, waren es 2020
immer noch 146 Millionen Tonnen CO2. Vergangene Woche lehnte der
Klimaexpertenrat den Klima-Notfallplan des Verkehrsministers als
unzureichend ab. „Und dass die Bundesregierung ihr Ziel erreicht, die
Emissionen des Verkehrssektor bis 2030 auf höchstens 85 Millionen Tonnen
CO2 zu reduzieren, ist fraglich“, sagt Prof. Dr. Oliver Schwedes, Leiter
des Fachgebietes Integrierte Verkehrsplanung.

Angesichts dieser Bilanz hat der Verkehrswissenschaftler das neue von der
Deutschen Forschungsgesellschaft geförderte Projekt „Pull & Push – Gut und
Böse“ initiiert. „Es adressiert einen der schwerwiegendsten Fehler
deutscher Verkehrspolitik, die Parallelfinanzierung von ÖPNV und privatem
Autoverkehr, die eine Verkehrswende verhindert. Die zeitgleiche Einführung
des 9-Euro-Tickets und des Tankrabattes war ein Klassiker falscher
deutscher Verkehrspolitik. Aus welchem Grund sollte ein Autofahrer auf den
ÖPNV umsteigen, wenn ihm gleichzeitig der Sprit subventioniert wird. Es
gibt keinen“, so Schwedes. Mit der Parallelfinanzierung trete deutsche
Verkehrspolitik seit Jahren auf der Stelle. Dahinter verberge sich
fehlender Mut der Politik, die attraktiven Angeboten (Pull-Maßnahmen), die
den Autofahrer zu Bahn und ÖPNV ziehen sollen, konsequent mit Verordnungen
zu kombinieren, die ihm das Autofahren verleiden (Push-Maßnahmen) oder
anders ausgedrückt, die das Autofahren finanziell unattraktiv machen. „Die
Zeiten, in denen das Auto den Vorrang vor allen anderen Verkehrsmitteln
hat, sind vorbei“, so der TU-Wissenschaftler. Bislang scheue sich die
Politik, die Autofahrer*innen mit dieser Wahrheit zu konfrontieren.

In der Wissenschaft besteht Konsens darüber, dass die attraktiven Angebote
wie Umweltkarten und Taktverdichtungen von unattraktiven Maßnahmen wie
City-Maut, Parkraumbewirtschaftung oder Bepreisung von Firmenparkplätzen
flankiert werden müssen, damit Autofahrer*innen das Auto stehen lassen und
eine Verkehrswende möglich wird. „Leider ist diese Erkenntnis in der
Politik noch nicht hinreichend angekommen und vielleicht muss sich die
Wissenschaft auch selbst an die Nase fassen, es nicht überzeugend
kommuniziert zu haben“, gibt sich Schwedes selbstkritisch.

Ziel des Forschungsprojektes ist es deshalb, wissenschaftlich fundiert für
die Politik zu untersuchen, welche Pull- und Push-Maßnahmen in Kombination
den besten Effekt erzielen, aber auch diejenigen, die sich gegenseitig
blockieren. „All das wollen wir zu Handlungsstrategien für die Politik
zusammentragen als Grundlage für die Gestaltung einer nachhaltigen
Verkehrspolitik, die sich am Klimawandel orientiert und nicht mehr am Wohl
des Autofahrers.“ Das bedeutet für die Politik, so Schwedes, sich von der
Subventionspolitik für das Auto zu verabschieden, also von der
Pendlerpauschale, der Dieselsubventionierung und dem Dienstwagenprivileg.

Zum Forschungsprojekt „Pull & Push – Gut und Böse“:
<https://www.ivp.tu-
berlin.de/menue/forschung/aktuelle_forschungsprojekte/pull_push/>