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Mit Erfindergeist und unternehmerischem Wagemut haben die
Diplom-Ingenieure Friedrich Mewis und Dirk Lehmann die Schifffahrt
weltweit revolutioniert – und durch den sogenannten Becker Mewis Duct
(BMD) seit Markteinführung 2008 nicht nur Millionen Tonnen Schweröl
eingespart, sondern auch rund zwölf Millionen Tonnen klimaschädliches
Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO2). Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt
(DBU) würdigt diese innovative Leistung mit ihrem diesjährigen Deutschen
Umweltpreis, der zu den höchstdotierten Auszeichnungen Europas zählt und
2022 zum 30. Mal verliehen wird. Die beiden teilen sich die Summe in Höhe
von insgesamt 500.000 Euro mit dem Biologen Dr. Christof Schenck.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreicht den Deutschen
Umweltpreis 2022 am 30. Oktober in Magdeburg.

Zusammenspiel von Spitzenforschung und wirtschaftlichem Wagemut

DBU-Generalsekretär Alexander Bonde sagt, es sei enorm wichtig, „die
Schifffahrt auf Klimakurs“ zu bringen. Immerhin liege der Anteil der
internationalen Schifffahrt am globalen Treibhausgas (THG)-Ausstoß bei
fast drei Prozent. Das sind mehr als 1,1 Milliarden Tonnen
CO2-Äquivalente. Zum Vergleich: Deutschlands THG-Emissionen liegen laut
Umweltbundesamt pro Jahr bei 762 Millionen Tonnen. Bonde: „Für die
Schifffahrt ist der BMD ein Daniel Düsentrieb-Moment.“ Die Kooperation der
beiden Ingenieure sei ein „vorzügliches Beispiel“, wie fruchtbar für
Produktinnovation das Zusammenspiel von Spitzenforschung und
wirtschaftlichem Wagemut sei. „Und ihre Erfindung, der Becker Mewis Duct,
ist ein Win-Win erster Güte: Die Schifffahrt spart Brennstoff und damit
Energie. Vor allem aber wird die Umwelt geschont, weil die Belastung mit
Treibhausgasen sinkt.“ Tatsächlich kann man davon ausgehen, dass durch den
BMD seit 2008 rund zwölf Millionen Tonnen CO2 eingespart worden sind –
etwa so viel wie der jährliche CO2-Ausstoß Tansanias oder Hamburgs. Bonde
macht klar: „Entscheidend sind die durch den Becker Mewis Duct erreichte
Effizienzsteigerung und der positive Umwelteffekt. Beides bleibt – auch
dann, wenn Schifffahrt endlich statt Schweröl andere und ökologischere
Treibstoffe einsetzt.“

Berufserfahrung, Erfindungen und viele Patente

Die Zusammenarbeit zwischen Mewis (79) und Lehmann (58) reicht ins Jahr
2001 zurück. Als Tüftler im Schiffbau hatte sich Mewis bereits einen Namen
gemacht, Lehmann war neuer Chef des mittelständischen maritimen
Unternehmens Becker Marine Systems mit Sitz in Hamburg, dessen
Geschäftsführer er heute immer noch ist. Mewis, der 1943 in der
Lutherstadt Wittenberg geboren wurde, arbeitete zunächst nach seinem
Schiffbaustudium in der Schiffbau-Versuchsanstalt Potsdam und wechselte
einige Jahre nach der Wende 1996 an die Hamburgische Schiffbau-
Versuchsanstalt. Nach seinem Ruhestand arbeitete Mewis von Dresden aus
weiter als Berater für Reeder, Werften und Schiffbau-Zulieferer und hält
fast ein Dutzend Patente. Lehmann nennt sich selbst einen „Hamburger Jung“
und hat ebenfalls mehrere Patente. Neben seinem Hauptjob engagiert er sich
als Gesellschafter von Start-ups für Elektro- und Wasserstoffmobilität.
Zudem ist er in diversen Organisationen vertreten, darunter als Vize-
Vorsitzender im europäischen Schiffbau- und Schiffszuliefererverband
SeaEurope.

Irgendwann kam die zündende Idee

Ging es Mewis und Lehmann anfangs um Verbesserung von Rudern für sehr
große Containerschiffe, intensivierten beide ab 2007 ihre Kooperation in
anderer Sache: Alles drehte sich um die Frage, wie die Effizienz bei
großen, langsamen, auch „völlig“ genannten Schiffen zu steigern sei – von
Tankern bis hin zu Bulkern, also Massengutfrachtern für Erz, Getreide und
anderes. Später kamen auch Containerschiffe hinzu. Mewis: „Eigentlich
waren alle technischen Tricks schon erfunden.“ Irgendwann kam ihm aber
doch die zündende Idee: die Kombination aus verschiedenen bereits
bekannten Komponenten. Der Becker Mewis Duct war geboren – eine
hydrodynamische energiesparende Vordüse, ein „Energy Saving Device“, wie
es im Fachjargon heißt. Bis zu 60 Tonnen schwer, bis zu sieben Meter im
Durchmesser und produziert in zwei Hälften, die am Schiff
zusammengeschweißt werden. Lehmann glaubte an diese Erfindung, trieb sie
mit Verve voran, überzeugte Zweifler und überwand bürokratische Hürden.
Den BMD erklärt er für Laien so: „Ein Schiff ist wie ein Schuhkarton, der
durchs Wasser geschoben wird. Vorne gibt’s eine Welle und hinten weiß das
Wasser nicht, wohin es soll.“ Dieses „Nachstromfeld“ nahm Mewis ins
Visier. Lehmann: „Als ob man einen Joghurtbecher quer durchschneidet und
als Trichter hinter den Karton setzt – und vor den Propeller. Das Wasser
wird gebündelt.“

Mit technologischem Fortschritt mehr Umweltschutz

Als technische Finesse wurden in diese Vordüse asymmetrische
Strömungsleitflächen gesetzt, sogenannte Fins. Kurz: das Funktionsprinzip
des Becker Mewis Duct. Lehmann: „Die Folge ist ein negativ erzeugter Drall
entgegen der Propeller-Drehrichtung“ – die Bedingung, damit die Becker
Mewis-Düse für effektiveren Schiffsantrieb sorgt, den Verbrauch von
Schweröl um bis zu zehn Prozent senkt – und so die Umwelt vor
Treibhausgasen bewahrt. Positiver Nebeneffekt: leisere Schiffe und dadurch
geringere Lärmbelastung für Meerestiere wie Wale. Bislang ist der Becker
Mewis Duct weltweit in 1400 Schiffen eingebaut, 300 Exemplare stehen vor
einer Installation. Beide Preisträger sehen den Deutschen Umweltpreis als
„hohe Ehre“. Lehmann hofft zudem auf ein Signal an die Politik,
„Emissionsfreiheit in der Schifffahrt ganz oben auf die Agenda“ zu setzen.