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CAMIL ist der Name des neuen selbstfahrenden Busses, der in Kürze den
CAMpus der Technischen Universität Ilmenau mit der Stadt ILmenau verbinden
wird. Zwei automatisiert fahrende, elektrisch angetriebene Kleinbusse
werden im Pendelverkehr vom Bahnhof zum wenige Kilometer entfernten Campus
und zurück fahren, stündlich getaktet mit den Zügen, die die
Landeshauptstadt Erfurt mit Ilmenau verbinden. Heute (15.09.2022) wurden
die Busse in Anwesenheit des thüringischen Ministers für Wirtschaft,
Wissenschaft und Digitale Gesellschaft Wolfgang Tiefensee der
Öffentlichkeit vorgestellt.

Das vom Ilm-Kreis initiierte CAMIL-Projekt dauerte von der Übergabe des
Förderbescheides an das Ilmenauer Nahverkehrs-Unternehmen IOV bis zum
Start des Linienverkehrs nur gut ein Jahr. Für die Durchführung
beauftragten die Partner, Ilm-Kreis, Stadt Ilmenau und TU Ilmenau,
professionelle, zum Teil marktführende internationale Einrichtungen: Das
Büro autoBus aus Potsdam, Spezialist für die Realisierung automatisierter
Fahrzeuge im öffentlichen Personennahverkehr, übernahm die Planung; das
Thüringer Innovationszentrum Mobilität, das an der TU Ilmenau angesiedelt
ist, erforschte und entwickelte innovative Funk- und Fahrzeugtechnologien
– im Labor und auf den Ilmenauer Straßen; und der französische Hersteller
EasyMile, der Transportlösungen für den autonomen Personen- und
Güterverkehr entwickelt, lieferte den EZ10, das weltweit am häufigsten
eingesetzte fahrerlose Shuttle.

Der Kick-off

In einer offiziellen Kick-off-Veranstaltung im Rahmen des Thüringer Forums
Mobilität wurden die Busse heute (15.09.2022) an der TU Ilmenau der
Öffentlichkeit vorgestellt. Der thüringische Minister für Wirtschaft,
Wissenschaft und Digitale Gesellschaft Wolfgang Tiefensee sprach von CAMIL
als einem Projekt, das sehr konkret und sehr handhabbar ist: „Das, was wir
hier machen, ist insofern vorbildlich, als ein Projekt in Gang gesetzt
wird, in dem man Forschungsgegenstände ganz praktisch anfassen kann und
wir so Menschen einbeziehen. Der Freistaat Thüringen wird alles
Erdenkliche tun, dass wir solche Projekte fördern, ausweiten und so unsere
Vorreiterstellung im Mobilitätsbereich mit neuen Ideen, mit neuen
Technologien ausbauen.“

Der Präsident der TU Ilmenau Prof. Kai-Uwe Sattler machte den Nutzen der
Forschung rund um das Projekt deutlich: „CAMIL ist auch ein
Forschungsprojekt: Es geht um künstliche Intelligenz, Antriebstechnik,
Elektronik und um Funktechnik. Und es geht auch um sozialwissenschaftliche
Forschung, darum, herauszufinden, wie die Bevölkerung über CAMIL denkt und
die Medien darüber berichten. Denn was nützt die beste Innovation, wenn
die Leute die Technologie nicht annehmen, weil sie ihr nicht trauen?“

Der Oberbürgermeister von Ilmenau Daniel Schultheiß sieht im CAMIL-Projekt
einen Nutzen für die Zukunft: „Wir holen die Forschung aus den Laboren
nach draußen und machen die Technologie auf der Straße für die Menschen
erlebbar. Und wir ermöglichen einem Verkehrsunternehmen, der IOV,
wertvolle Erfahrungen mit einer neuen Technologie zu sammeln. So sind wir
in der Lage, den Herausforderungen in der Entwicklung des öffentlichen
Personennahverkehrs zu begegnen.“

Die Landrätin des Ilm-Kreises Petra Enders sieht die Entwicklung des
autonomen Nahverkehrs in der Region nicht begrenzt auf die Strecke
zwischen Ilmenauer Bahnhof und Campus der TU Ilmenau: „Ich kann mir gut
vorstellen, dass der öffentliche Personennahverkehr noch attraktiver wird,
wenn autonomes Fahren auf den ganzen Landkreis ausgedehnt wird. Ich
wünsche mir, dass jetzt ganz, ganz viele Menschen den Bus nutzen und wir
dann, nach Projektabschluss, sagen können: Das Projekt war erfolgreich und
wir setzen es an anderer Stelle im Landkreis weiter fort.“

Der Bus

Der Kleinbus EasyMile EZ10 Generation 3 ist für sechs Passagiere
zugelassen, für einen barrierefreien Zugang sorgt eine automatische
elektrische Einstiegsrampe. Elektrisch betrieben und nur gut vier Meter
lang und knapp zwei Meter breit, ist der Bus umweltfreundlich und leise.
Die zugelassene Höchstgeschwindigkeit auf öffentlichen Straßen beträgt 18
Kilometer pro Stunde. Um einen sicheren Fahrbetrieb der fahrerlosen Busse
zu gewährleisten – an Bord fährt nur ein Operator für den Notfall mit –,
sind sie mit optischen Sensoren zur Abstands- und Geschwindigkeitsmessung
ausgestattet. Ein sogenanntes Odometrie-System erfasst laufend die
Position und die Orientierung und damit die Navigation der Busse. Ein
redundantes Bremssystem gewährleistet, dass sie bei Störungen rasch und
sicher zum Stehen kommen. Zusätzlich mit Radarsensoren, Mobilfunkmodulen
und Computer ausgerüstet, die vom Thüringer Innovationszentrum Mobilität
entwickelt wurden, navigiert der EZ10 auf einer zuvor elektronisch
eingemessenen Strecke. Sicheres Fahren ist auch bei Regen, Schnee und
Nebel bei Temperaturen von minus 15 bis plus 45 Grad Celsius
gewährleistet.

Die Strecke

Noch im Herbst sollen die beiden Kleinbusse laut Planung in Ilmenau im
regulären Linienverkehr eingesetzt werden und den Bahnhof im Pendelverkehr
mit dem Campus der TU Ilmenau verbinden. Start der Busstrecke ist auf der
Rückseite des Bahnhofs jenseits der Gleise im Neuhäuser Weg. Vor der
Nelson-Mandela-Brücke biegt sie rechts ab und führt durch die
Ehrenbergstraße, wo in Höhe des Technologie- und Gründerzentrums die erste
Haltestelle sein wird. Die Strecke führt weiter vorbei am Ernst-Abbe-
Zentrum und Studierendenwohnheimen, vor der Mensa Ehrenberg wird als
zweiter Halt die bereits bestehende Bushaltestelle genutzt. Nach einem
weiteren Zwischenstopp an der Universitätsbibliothek wird die
Endhaltestelle am Helmholtzplatz vor dem Kirchhoffbau unweit des Audimax‘
erreicht. Auf dem Rückweg führt die Strecke, um Wendemanöver zu vermeiden,
von der Ehrenbergstraße ein kurzes Stück über die Langewiesener Straße
zurück in den Neuhäuser Weg. Eine mögliche Erweiterung der Strecke könnte
in Zukunft von der Gustav-Kirchhoff-Straße über die Straße Am Ehrenberg
rund um das Berufsschulzentrum führen.

Hintergrund

Ende 2019 hatte der Ilm-Kreis eine erste Machbarkeitsstudie zur Umsetzung
des Pilotprojekts beauftragt, dessen Kosten zu 50 Prozent vom Thüringer
Umweltministerium getragen wurden. Dabei wurden geeignete Streckenverläufe
auf ihre technische und rechtliche Umsetzbarkeit überprüft und eine
Empfehlung für die Umsetzung der Strecke vom Ilmenauer Bahnhof zum
Universitätscampus gegeben. Die IOV Omnibusverkehr GmbH Ilmenau, die die
CAMIL-Fahrzeuge betreibt, wurde vom Ilm-Kreis im Jahr 2020 durch einen
Zuschuss von 289.000 Euro bei der Finanzierung der nötigen Investitionen
zur Umsetzung des Projekts unterstützt. Auch in Zukunft, von 2022 bis
2024, fördert der Ilm-Kreis die Umsetzung mit einem Betriebskostenzuschuss
an die IOV von 150.000 Euro jährlich. Das Projekt wird gefördert vom
Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz mit 796.000 Euro
für zweieinhalb Jahre.

Ausblick

Auch nach der Inbetriebnahme der Busse werden Wissenschaftler des
Thüringer Innovationszentrums Mobilität während des Linienbetriebs weiter
kontinuierlich Begleitforschung durchführen, um die innovativen Antriebs-
und Funktechnologien und den Fahrkomfort weiterzuentwickeln. Auch die
Akzeptanz autonomer Busse in der Bevölkerung und in den Medien wird von
der TU Ilmenau weiter erforscht. Die Begleitforschung wird durch das
Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale
Gesellschaft mit rund zwei Millionen Euro für drei Jahre finanziert.

Die eng miteinander verzahnten Projekte sind ein wichtiger Schritt bei der
Entwicklung eines intelligenten, nachhaltigen und nutzerorientierten
Verkehrs im Ilm-Kreis. Die Stadt Ilmenau und das Thüringer
Innovationszentrum Mobilität arbeiten bereits am Einsatz noch höher
automatisierter Busse.