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Die Autos für den Stadtverkehr müssen sollten kleiner und leichter werden,
sagt Professor Dirk Reith. Der Wissenschaftler von der Hochschule Bonn-
Rhein-Sieg (H-BRS) beschäftigt sich mit Energieeffizienz und
Ressourcenschonung und trägt den Nachhaltigkeitsgedanken in die
ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge hinein. Er sagt auch: Künstliche
Intelligenz wird uns bei der Mobilitätswende helfen.

Herr Professor Reith, wenn ich mich im Umfeld der Hochschule umschaue,
sehe ich: E-Auto-Ladestation, Carsharing-Stellplätze, Leihfahrräder,
Elektro-Roller. Haben wir alles beisammen für die Verkehrswende?

Dirk Reith: Nicht jeder hat unterschiedliche Mobilitätsangebote vor der
Haustür, die dem individuellen Bedarf gerecht werden und außerdem
nachhaltig sind. Wir brauchen sicherlich noch mehr und andere technische
Lösungen für den Individualverkehr, die in einem umfassenden Sinn
zukunftsträchtig sind. Das heißt, wir brauchen Lösungen für den
Stadtverkehr und die Langstrecke. Aus technischer Sicht sind die
Anforderungen jeweils andere, sodass die Produkte unterschiedlich
beschaffen sein müssen – jedenfalls dann, wenn man den Gedanken der
Nachhaltigkeit ernst nimmt. Die Fahrzeuge für den Nahbereich etwa werden
kleiner und leichter werden  sein müssen.

Was spricht denn gegen ein großes, komfortables Auto, solange es
Elektroantrieb hat?

Reith: Ein Auto mit Elektroantrieb ist nicht per se umweltfreundlich. Es
kommt sehr darauf an, was für Komponenten verbaut sind, welche Materialien
verwendet wurden – und was es wiegt. Ökobilanz ist hier das Stichwort. Und
es kommt darauf an, wie es eingesetzt wird. Wirklich ressourcenschonend
werden wir nur unterwegs sein, wenn das Auto für den Stadtverkehr von
Grund auf dafür konzipiert wurde. Das bedeutet zum Beispiel, dass die
Batterien und das Auto insgesamt nur so groß sind wie unbedingt
erforderlich. Und, ja: Wenn wir uns effizient individuell mit einem Auto
fortbewegen wollen, dann werden wir Komforteinbußen hinnehmen müssen. Das
dicke bullige und schwere SUV jedenfalls, auch mit Elektroantrieb, werden
wir uns als Gesellschaft auf Dauer nicht leisten können.

Die Bedenken, mit der kleinen Batterie nicht weit genug zu kommen, lassen
mich als Autokäufer aber vielleicht doch zu dem großen Modell greifen?

Reith: Hier bietet die datengetriebene Mobilität einen sehr interessanten
Ansatz. Künstliche Intelligenz kann uns bei der Optimierung der
Streckenplanung sehr helfen. Wenn der Computer den Anfangs- und den
Endpunkt des Weges und das Fahrzeugmodell mit seinen Eigenschaften kennt,
kann er mich optimal zu meinem Ziel führen. Er kann sogar den Ladezustand
meiner Batterie berücksichtigen und mich guten Gewissens mit 50 Prozent
Kapazität losschicken. Die Technik gibt es, sie ist marktreif. Auch hier
gilt jedoch: eEtwas mehr Planung ist nötig, und damit verliert man eben
etwas Freiheit.

Die Ladedauer sehen manche ohnehin als Problem, schließlich dauert das
Auftanken deutlich länger als bei Diesel oder Benzin.

Reith: Das Batteriemanagement ist ein großes Thema, zunehmend auch bei uns
in der Forschung an der Hochschule. Sehr spannend ist die Kopplung der
Batterien der von Elektroautos mit den Speichernder Stromversorgung der
Häuser und damit mit dem Stromnetz. Wenn etwa der Speicher des Hauses voll
ist, kann der Strom in den Fahrzeugen quasi zwischengelagert werden. Für
die Haustechnik hätte das den Vorteil, dass in Zukunft die
Hausspeichermengen passgenau flexibilisiert werden können. Zudem nutzt man
stets die neueste Batterietechnologie der Fahrzeuge, was aus
Effizienzgründen auch genutzt werden könnte. Und volkswirtschaftlich wäre
es auch von Nutzen wäre.

Inwiefern kann die H-BRS mit ihren Forschungen dazu beitragen, die
Verkehrswende im Sinn der Nachhaltigkeit voranzubringen?

Reith: Wir probieren vieles aus, um Mobilitätsprodukte nachhaltiger zu
machen, um Gewicht zu sparen und naturnähere Materialien zu verwenden. In
Projekten der Formula Student arbeiten wir zum Beispiel ganz konkret
daran, zum Beispiel KunsthHarze durch gleichwertige pflanzenbasierte
Produkte zu ersetzen, recyceltes Aluminium einzubauen oder
lösungsmittelfreie Reinigerden Materialeinsatz computergestützt zu
minimieren zu verwenden. Auch der 3D-Druck, der das Fräsen ersetzt, gehört
fallweise dazu. In Sachen Ökobilanzierung sind übernehmen wir als
Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Forschung und Lehre eine
Vorreiterrolle ganz weit vorne. Und vor allem schicken wir Absolventinnen
und Absolventen auf den Arbeitsmarkt, die im Hinblick auf Nachhaltigkeit
bestens ausgebildet sind, weil unsere natur – wie
ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge schon seit mehr als zehn 10
Jahren darauf ausgerichtet sind. Sie Unsere Alumni werden sicher die
Autos, Züge, Fahrräder und Roller mitentwickeln, mit durch die denen wir
morgen hoffentlich alle mobil sein werden.

Zur Person:

Dirk Reith ist seit dem 1. September 2012 Professor am Fachbereich
Elektrotechnik, Maschinenbau und Technikjournalismus der Hochschule Bonn-
Rhein-Sieg und leitet dort als Ko-Direktor das Institut für Technik,
Ressourcenschonung und Energieeffizienz (TREE). Er arbeitet vor allem mit
computergestützten, mathematisch-physikalischen Methoden daran,
Anwendungsgebiete in den Ingenieurwissenschaften optimieren. Hierzu zählen
nachhaltige Materialien ebenso wie Prozesse in der Automobilbranche. Er
betreut zudem „BRS Motorsport“, eine studentische Initiative, die seit
mehr als 10knapp 15 Jahren mit einem an der Hochschule entwickelten und
unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten gebauten Elektro-Rennwagen an
internationalen Rennen teilnimmt und dabei zur Weltspitze gehört.

Anmerkung für die Redaktionen: An der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS)
forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu gesellschaftlich
relevanten Themen und Fragestellungen. Unter dem Titel „H-BRS aktuell“
lassen wir in unregelmäßigen Abständen Expertinnen und Experten zu
aktuellen Themen zu Wort kommen. Die Beiträge stellen wir zur
Veröffentlichung bereit (bitte gegebenenfalls nur komplette Frage-Antwort-
Komplexe kürzen).