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Günstigere Alternativen, hoher Energiebedarf zur Herstellung, fragwürdige
Umweltbilanz und mögliches Hindernis für die Verkehrswende: Die Gründe,
die gegen den Einsatz von mit Strom hergestellten synthetischen
Kraftstoffen bei Pkw und Lkw sprechen, sind mannigfaltig. Zu diesem
Schluss kommt ein neues Diskussionspapier des Fraunhofer ISI. Es nimmt
kritisch und auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse Stellung zur
jüngsten Entscheidung der Bundesregierung, die vorsieht, dass E-Fuels
künftig eine wichtige Rolle bei der Erreichung der Klimaneutralität im
Verkehr spielen sollen.

Seit Monaten wird in Deutschland über den Einsatz von klimafreundlichen
E-Fuels im Straßenverkehr diskutiert, weil sich damit per
Verbrennungsmotor angetriebene Pkw und Lkw klimaneutral fortbewegen und
gleichzeitig die ehrgeizen Klimaziele im Verkehrsbereich erreichen ließen
– so die Argumentation der Befürworter. In ihrem kürzlich veröffentlichten
Modernisierungspaket hat die Bundesregierung nun offiziell verkündet, die
Produktion und Nutzung klimafreundlicher E-Fuels künftig für den
Straßenverkehr zu fördern und auf europäischer Ebene bewirkt, dass
ausschließlich mit E-Fuels betankte Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch
nach 2035 in der EU zugelassen werden können.

Doch wie sinnvoll ist der Einsatz von E-Fuels im Straßenverkehr aus
ökonomischer und ökologischer Sicht? Mit diesen Fragen befasst sich ein
neues Diskussionspapier des Fraunhofer ISI, das zur kontroversen
Diskussion über E-Fuels einen Beitrag leisten und hier wissenschaftliche
Forschungserkenntnisse einfließen lassen möchte. Dabei werden synthetische
Kraftstoffe betrachtet, die auf Basis erneuerbaren Stroms hergestellt
wurden.

Die Autor:innen des Diskussionspapiers kommen zum Schluss, dass der kurz-
und mittelfristige Einsatz strombasierter E-Fuels im Straßenverkehr aus
folgenden Gründen nach derzeitigen Wissensstand wenig Sinn ergibt:

- Die weltweite erneuerbare Stromproduktion müsste im Vergleich zum
heutigen Stand fast verdoppelt werden, um im Jahr 2050 einen weltweiten
Anteil von zehn Prozent an grünem Wasserstoff und synthetischen Brenn- und
Kraftstoffen einschließlich E-Fuels zu erreichen – letztere werden daher
noch lange knapp und teuer sein.

- Der Einsatz von grünem Wasserstoff und synthetischen Brenn- und
Kraftstoffen sollte sich auf Anwendungsbereiche konzentrieren, in denen
keine anderen wirtschaftlichen Alternativen zur Erreichung der
Treibhausgasneutralität zur Verfügung stehen, wie den Stahlsektor, der
Grundstoffchemie, Raffinerien und den internationalen Flug- und
Schiffsverkehr. Alleine auf diese Anwendungen entfallen rund 15 Prozent
des Endenergiebedarfs Deutschlands im Jahr 2045. Für den Straßenverkehr
verblieben dann kaum nutzbare Mengen.

- Eine großflächige Nutzung von E-Fuels bei Pkw und Lkw ist ökonomisch
nicht zielführend. Die Umwandlungsverluste sind enorm und Alternativen wie
die direkte Elektrifizierung sind auf die Stromnutzung bezogen bis zu
fünfmal effizienter. E-Fuels sind teuer und können von
einkommensschwächeren Haushalten in Zukunft kaum bezahlt werden: Studien
gehen nach Erreichung von signifikanten Kostensenkungspotenzialen für 2050
noch von einem Preis zwischen 1,20 Euro und 3,60 Euro pro Liter für
E-Fuels aus – zuzüglich Kosten für Steuern, Abgaben, Gewinnmargen,
Vertrieb sowie für Forschung- und Entwicklung. Allein Steuern und Abgaben
dürften den Literpreis bereits um einen Euro verteuern. Zum Vergleich: Der
Literpreis für fossile Kraftstoffe ohne Steuern und Abgaben liegt aktuell
bei ca. 0,60 bis 0,70 Euro pro Liter.

- Bewertet man die Kosten für den Klimaschutz, so liegen die
CO2-Vermeidungsskosten bei Pkw mit E-Fuels in 2030 bei ca. 1000  Euro pro
Tonne CO2 und damit um ein Vielfaches über denen der Elektromobilität oder
anderer Klimaschutzmaßnahmen. Somit gibt es aus heutiger staatlicher Sicht
hinsichtlich einer Klimaschutzstrategie nur wenig Gründe, aktuell E-Fuels
bei Pkw und Lkw zu fördern.

- Die Umweltbilanz von E-Fuels ist problematisch: Bei ihrer Verbrennung im
Motor fallen NOx, Kohlenmonoxid und Feinstaub an. Zudem ist der
Gesamtwirkungsgrad gering und der Energiebedarf für die Herstellung hoch.
Der dafür erforderliche starke Ausbau an Stromerzeugungskapazitäten ist
u.a. mit einem enormen Flächen- und Ressourcenbedarf an kritischen
Rohstoffen verbunden, der sich in der Ökobilanz von E-Fuels negativ
auswirkt.

- Die kurzfristige Markteinführung von E-Fuels ist aus Sicht der
Technologieoffenheit nicht notwendig. Nach heutiger Planung sollen E-Fuels
die heute gültigen Kraftstoffnormen erfüllen, so dass motorenseitig sowie
bei den Tankstellen keine weiteren Entwicklungen notwendig sind. Die
Technologieoffenheit betrifft eher die Herstellung und den
Produktionshochlauf. Da E-Fuels aber auch für andere Anwendungsfelder wie
den internationalen Flugverkehr notwendig sein werden, wird ihre
Entwicklung unabhängig davon voranschreiten.  Sollten sich die heutigen
wissenschaftlichen Prognosen für E-Fuels wider Erwarten als zu
pessimistisch erweisen, so könnte ihr Einsatz für den Straßenverkehr noch
später stärker erwogen werden.

Prof. Dr. Martin Wietschel, Leiter des Competence Centers
Energietechnologien und Energiesysteme am Fraunhofer ISI und Mitautor des
Diskussionspapiers, weist zudem auf mögliche Gefahren für die gesamte
Verkehrswende hin: »Aus Sicht der heutigen Studienlage könnte sich die
Förderung von E-Fuels im Straßenverkehr negativ auf die Verkehrswende
auswirken, da ihr Einsatz und ihre Verfügbarkeit derzeit wirtschaftlich
und ökologisch nicht zielführend ist. Aus Innovationssicht gesehen könnten
notwendige Initiativen in Richtung Elektromobilität oder andere
alternative Mobilitätsformen verlangsamt werden – denn zum Gelingen der
Verkehrswende braucht es auch klare Signale sowie Planungs- und
Erwartungssicherheit.«